Arbeitsplatz der Zukunft

Wie wir im Jahr 2030 arbeiten

13.03.2020 von Christoph Lixenfeld
Arbeit wird zum selbstbestimmten Konsumerlebnis. Und Digital Natives müssen wieder kommunizieren lernen. So lauten die Prognosen einer Studie von CBRE.

Bei Drees & Sommer hat die Zukunft der Arbeit schon begonnen. Wie CIO.de berichtete, hat die Unternehmensberatung an ihrem Stuttgarter Standort fest zugewiesene Arbeitsplätze abgeschafft. Wer reinkommt, nimmt seine Sachen aus einem Spind und setzt sich an irgendeinen freien Schreibtisch.

Damit nehmen die Berater einen Trend vorweg, der in den kommenden Jahren auch die meisten anderen Unternehmen erreichen wird. Das jedenfalls ist ein Ergebnis der Studie "Fast Forward 2030", der Immobiliendienstleisters CBRE und Genesis.

Arbeitsplätze der Zukunft müssen vor allem eins sein: angenehm.
Foto: Projektron GmbH

Wichtigster Grund für die Entwicklung: Der 'War for Talents' wird in 14 Jahren so scharf geführt, dass Arbeitgeber in den Büros ein liebliches Wohlfühl-Ambiente kreieren müssen, um gute Leute zu halten oder noch bessere anzulocken.

Ähnliches empfehlen auch die Strategy Consultants von Roland Berger, die sich diesem Thema vor kurzem mit dem Schwerpunkt Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf widmeten.

Megatrend Individualisierung

Vereinbarkeit kann man generell als DEN Schlüsselbegriff bezeichnen, wenn es um die Zukunft unserer Arbeit geht. Allerdings muss nicht mehr der Mensch vereinbar sein mit den Wünschen und Zielen seines Arbeitgebers, sondern der Job muss vereinbar sein mit der Sehnsucht nach Selbstbestimmung, maximaler Freiheit, Kreativität und ausreichender Freizeit.

Die flexible Büro-Organisation bei Drees & Sommer
Peter Meyerhans, CIO von Drees & Sommer ...
... stellte für die moderne Büroorganisation eine komplett neue IT-Infrastruktur bereit. Weil kein Mitarbeiter mehr seinen eigenen festen Arbeitsplatz hat, muss er übers Intranet schnell zu finden sein, denn nicht immer ist Zeit, das ganze Bürogebäude nach ihm abzusuchen. Egal, wo man sich am PC anmeldet, im Profil im hausinternen Intranet wird sofort angezeigt, an welchem Platz man sitzt. Die Telefonnummer bleibt dagegen dieselbe. „Abends wird dann die Verbindung automatisch getrennt, sodass nicht ein Mitarbeiter an zwei Plätzen angemeldet ist, wenn er vergisst, sich auszuloggen“, erklärt Meyerhans.
Schöne neue Arbeitswelt bei Drees & Sommer
Die Arbeitswelt von morgen ist weniger von Routinearbeiten geprägt, sondern dynamischer und digitaler. Wie eine flexible Büroorganisation aussehen kann, diesem neuen Anspruch gerecht wird, zeigt das Beispiel Drees & Sommer.
Desk-Sharing ...
... ist das zentrale Prinzip des neuen Bürokonzepts: Die Mitarbeiter werden dazu ermutigt, sich jeden Tag einen anderen Arbeitsplatz zu suchen. Ihren Laptop, ihre Arbeitsunterlagen und persönlichen Dinge bringen sie in einem Rollcontainer mit.
Das Multizone-Konzept ...
... vereint alle Arbeitsplatztypen: Konferenzzimmer, Telefonkabinen, Desksharing-Arbeitsplätze – abgeschirmt oder im offenen Raum. Alle Mitarbeiter sind Arbeitsplatznomaden, auch die Chefs. Nur die Assistenzen haben feste Schreibtische.
Marketplace-Cafeteria
Im Herzstück des Bürogebäudes können sich die Mitarbeiter von Drees & Sommer zu zweit, zum Stand-up-Meeting oder in Großgruppen treffen. Sie können dahinter in Klausur gehen oder nach Feierabend gemeinsam Fußball gucken.
Uwe Tyralla, Architekt und Senior Projektpartner
Die neue Büroorganisation sollte nicht nur mehr Mitarbeitern Platz, sondern auch mehr Lebensqualität bieten. Stichwort Employer Branding, wie Tyralla ausführt: "Im Ringen um die Fachkräfte müssen wir unseren Angestellten ein Umfeld bieten, in dem sie sich wohl fühlen.“ Zudem seien Mitarbeiter leistungsbereiter und fühlten sich stärker an das Unternehmen gebunden.
Wer Ruhe braucht ...
... sucht sich eine der Kabinen.
Klassische Konferenzräume
Für Gespräche und Diskussionen stehen den Mitarbeitern schallisolierte Besprechungsräume in verschiedenen Größen zur Verfügung. Den Blickkontakt zu den anderen Kollegen behält man trotzdem: Alle Räume sind verglast.
Auch größere Gesprächsrunden ...
... finden ihren Platz.

Wesentlicher Treiber für diese Wünsche sind die Megatrends Individualisierung und Digitalisierung. Um dahinterzukommen, was das konkret für die Arbeitswelt der Zukunft bedeutet, haben die Autoren der "Fast Forward 2030"-Studie nicht wie sonst üblich möglichst vielen Menschen viele standardisierte Fragen gestellt, sondern sie haben 220 Experten, Führungskräfte und junge Fachkräfte ausführlich individuell interviewt. Die Jungen - potenziellen Führungskräfte des Jahres 2030 - verteilten sich auf sogenannte Focus-Gruppen in elf Städten auf der ganzen Welt.

Obwohl es bei den Aussagen über die Zukunft des Arbeitens regionale Unterschiede gibt, so ist doch der Wunsch nach großer Entscheidungs- und Entfaltungsfreiheit und nach der Sinnhaftigkeit jeder Tätigkeit global.

Selbstbestimmung am Rande des Nervenzusammenbruchs: Viele Menschen kommen mit zu vielen Freiheitsgraden eher schlecht klar.

Die Ansprüche sind hoch, gleichzeitig sinkt aus demographischen Gründen die Anzahl der verfügbaren Talente. Folgerichtig also, dass die befragten Experten und Manager den Kampf um diese Talente als ihre wichtigste - und zugleich schwierigste - Zukunftsaufgabe ansehen.

Digitale Natives kaum fähig, effizient zu kommunizieren

Aus Sicht der Angestellten, schreiben die Autoren, wird Arbeit mehr und mehr zum Konsumerlebnis, sie soll entsprechend so perfekt und so aufregend wie möglich sein.

Doch ein Arbeitgeber und eine Arbeitsumgebung müssen sich nicht nur mit den Wünschen, sondern auch mit den typischen Schwächen von Digital Natives auseinandersetzen. Zitat: "Sie verlieren die Fähigkeit, sich verbal auszudrücken, aber sie können große Netzwerke managen, sehr viele Informationen aufnehmen und diese effizient filtern."

Auf jeden Fall, so schreiben die Autoren weiter, bleibe als Ergebnis der Studie auch die Sorge, "dass junge Angestellte kaum die Fähigkeit zur effizienten zwischenmenschlichen Kommunikation entwickeln."

Startup-Kultur mit traditioneller Hierarchie verbinden

Die damit verbundene Herausforderung brachte eine der befragten Führungskräfte drastisch auf den Punkt: "Wir müssen diese Generation aus der Isolation herausholen, die durch ihre vielen Devices entsteht. In Zukunft sind jene Organisationen im Vorteil, die jungen Menschen beibringen können, wann es Zeit ist, das Gadget auszuschalten und sich schlicht zu unterhalten."

Allerdings hat alles zwei Seiten, will sagen Organisationen sollten sich auch die Fähigkeit der Jungen zunutze machen. Konkret: "Im Jahr 2030 müssen Führungskräfte in der Lage sein, die Dynamik einer Startup-Kultur mit der Effizienz traditioneller Hierarchien zu verbinden."

Schöner wohnen im Büro
In der Badewanne kommen die besten Ideen...
Der Suchmaschinen-Konzern Google will die Kreativität seiner Mitarbeiter beleben, etwa in der Waterlounge....
oder in Gondeln.
Hier können sich die Mitarbeiter austauschen.
Für informelle Meetings ...
oder andere Meetings ...
gibt es unterschiedliche Möglichkeiten.
Für den Snack zwischendurch ...
und auch für die Kantine gilt:
Die Arbeitsumgebung soll die Mitarbeiter anregen.
Arbeiten können ...
....die Internet-Experten im Großraumbüro...
... oder im Einzelbüro ...
... oder sich im lauschigen Ambiente treffen.
Ob mit Musik, ...
... Kino ...
... oder Sport ...
die Arbeitspausen können bei Google nicht nur mit Essen gefüllt werden.

One size fits Nobody

Und sie müssen entscheiden, welche Bereiche und welches Know-how sie in eigenen Händen behalten und was sie auslagern. Auch die internen Arbeitsplätze werden sich deutlich verändern.

Am Status Quo lassen die Autoren kein gutes Haar: "Von einigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen, waren die meisten Arbeitsumgebungen der zurückliegenden 30 Jahre stumpfsinnig, demotivierend und völlig ungeeignet dazu, Teamwork und Kreativität zu fördern. Der Versuch, hier One size fits all-Lösungen zu erschaffen, führte am Ende zu One size fits nobody-Arbeitsplätzen."

Arbeitscontainer: So sieht die Zukunft wohl nicht aus.
Foto: ImageFlow - shutterstock.com

Die Autoren gehen davon aus, dass traditionelle Umgebungen immer seltener werden, dass sich tendenziell Modelle durchsetzen, wie sie bei der eingangs erwähnten Unternehmensberatung Drees & Sommer eingeführt wurden.

Zwar war der Anlass für das Desksharing hier banaler Platzmangel, aber die Macher freuen sich dennoch über weitere Effekte: Mehr Lebensqualität auch im Büro, mehr Austausch untereinander, mehr Selbstbestimmung.

Die Folgen für Immobilienunternehmen

Natürlich beschäftigt sich die Studie auch mit der Rolle von Immobilienunternehmen im Jahre 2030. Sie prophezeit, dass die reine Vermietung nicht mehr genügt, stattdessen müssen Vermieter ihren Kunden integrierte Dienstleistungen bieten.

Und sie müssen ein kreatives, grünes, variables Arbeitsambiente kreieren, in dem sich die Angestellten maximal wohlfühlen.

Die Studie "Fast Forward 2030" ist insofern aufschlussreich, als sie ein spannendes Schlaglicht darauf wirft, was sich junge Fachkräfte für eine Arbeitsumgebung wünschen. Daraus abzuleiten, dass es genauso kommen wird, ist allerdings gewagt.

Denn unser (Arbeits)-Leben entwickelt sich keineswegs linear in eine klar vorgegebene Richtung beziehungsweise gibt es immer auch Entwicklungen, die Trends konterkarieren.

Flexible neue Bürowelt
Neue Bürowelt
Mitarbeiter sollen heute den Arbeitsplatz frei wählen und sich in offenen Räumen vernetzen. Accenture ( hier im Bild), Siemens und Telefónica praktizieren schon heute eine flexible Arbeitskultur.
Accenture
Große Glasfassaden, Ruhezonen, Besprechungsräume mit Telepresence und weite Flächen bestimmen das Bild.
Accenture
Wände, Vorhänge und Stühle sind je nach Stockwerk in bunten Farbtönen gehalten. Freihängende oder stehende Wände und Deckenpaneele absorbieren die Geräusche.
Accenture
Auf den Schreibtischen befinden sich lediglich Telefone und Netzwerkkabel. Wer mehrere Tage im Gebäude ist, kann seine Utensilien in Schließfächern verstauen.
Siemens
Die Herausforderungen, die sich durch das "Siemens Office" ergeben, sind gewaltig: Etwa 140.000 Arbeitplätze werden über die kommenden Jahre umgestaltet.
Siemens
Unter "Siemens Office" versteht der Konzern fünf Kernelemente: mobile Working, Work-Life-Integration, mobile IT, offene Bürolandschaften und die freie Arbeitsplatzwahl.
Siemens
Zur offenen Bürolandschaft gehören weite Räume und "Think Tanks", die durch Glaswände abgetrennt sind und für Besprechungen oder längere Telefonate genutzt werden. Als Raumteiler dienen Bambusstäbe und Pflanzen.
Siemens
Spezielle "Meet-and-Talk"-Bereiche sind für Gespräche und Telefonate vorgesehen.
Telefónica
Auch Telefónica erprobt gerade ein neues Bürokonzept.
Telefónica
Um das Zwischenergebnis zu begutachten, muss man mit dem Fahrstuhl 36 Stockwerke nach oben fahren, denn eines der drei Pilotprojekte befindet sich im "Uptown München", dem höchsten Gebäude der Stadt.
Telefónica
Die Bürofläche ist in verschiedene Zonen eingeteilt: Erst betritt man eine große Lounge, dann verschiedene Arbeitsbereiche. Im Inneren des Bürokomplexes sind verschiedene Besprechungsräume und Fokus-Boxen, in die sich die Angestellten für Gespräche zurückziehen.
Telefónica
Der Laptop wird am Schreibtisch per USB-Dockingstation an das Firmennetz angeschlossen, ansonsten ist alles mit WLAN ausgeleuchtet, um Bewegungsfreiheit zu haben.

Von Rückzugsräumen keine Spur

Erstes Beispiel ist die zügige Verbreitung von sogenannten Newsrooms in der Medienindustrie. Sie sind das genaue Gegenteil jener Rückzugsräume, die sich laut "Fast Forward"-Studie junge Menschen so dringend wünschen.

Zweitens stellt sich die Frage, ob sich in Zukunft überhaupt alle Menschen maximale Flexibilität bei ihrer Arbeit wünschen. Denn wer ganz selbstbestimmt und flexibel überall und auch zwischendurch arbeitet, braucht eine Menge Disziplin, um seine Aufgaben zu bewältigen.

Und wer daheim arbeitet statt im Office, braucht eine Familie, die ihn nicht mehr als erträglich von dieser Arbeit abhält. Oder gar keine.

Jedenfalls ist in Deutschland eine Entwicklung im Gange, die der viel beschworenen Vorstellung von der allseits gewünschten Flexibilität widerspricht: Laut dem deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) stieg der Anteil der Heimarbeiter zwischen 2000 und 2008 an, seitdem geht er wieder zurück.

Effizient Arbeiten im Home Office
Wie wird Arbeiten im Home Office effizient?
Unify gibt einige praktische Tipps, mit denen Mitarbeiter auch ihr Home Office möglichst produktiv gestalten können.
Grenzen setzen - auch zu Hause
Im eigenen Heim lauern zahlreiche Ablenkungen: Nicht abgespültes Geschirr, der Kühlschrank, Radio oder Fernseher üben ungeahnte Anziehungskräfte aus und stören die produktive Arbeit.
Ein festgelegter Arbeitsbereich, ...
... der vom übrigen Wohnraum abgetrennt ist, verhilft auch zu klaren Grenzen im Kopf. Die Gefahr der Ablenkung wird geringer.
Einen Fensterplatz buchen
Stress bremst die Produktivität. Ein Blick aus dem Fenster bietet Abwechslung, noch mehr wenn er direkt ins Grüne geht. Außerdem ist es für Bildschirmarbeiter sinnvoll, regelmäßig in die Ferne zu sehen, zumindest einige Meter hinter den Monitor.
Ein Fensterplatz ...
... verringert die Belastung der Augen und damit auch den Arbeitsstress. Tipp für alle, die keinen Platz am Fenster haben: Auch Zimmerpflanzen oder ein Zimmerbrunnen sorgen für entspannte Atmosphäre.
Mit Farben spielen
Farbe ist ein wichtiger Faktor für jeden Büroraum, egal ob in der Firma oder zu Hause. Farben beeinflussen die Stimmung wesentlich.
Neutrale Farben wirken beruhigend, ...
... während manche Orange- und Gelbtöne sogar das Hungergefühl fördern. Besonders zu empfehlen für eine produktive Arbeitsumgebung sind Zitronentöne, Pastellblau oder Cremefarben.
Auf einen ergonomischen Arbeitsplatz achten
Mitarbeiter können nur produktiv sein, wenn sie gesund sind und einen komfortablen Arbeitsplatz haben.
Das Büro zuhause ...
... soll auch nach ergonomischen Vorgaben eingerichtet werden, um gesund und leistungsfähig zu bleiben. Hier sind ebenfalls die Arbeitgeber gefragt: Sie sollten unbedingt dafür sorgen, dass alle ihre Mitarbeiter die nötigen Informationen zur Ergonomie am Arbeitsplatz bekommen.
Für Flexibilität sorgen
Auch wenn das Home Office seinen festen Platz in der Wohnung haben sollte: Stuhl und Schreibtisch festzuschrauben, hilft auch nicht weiter.
Dagegen fördert es die Kreativität ...
... gelegentlich die Position und damit den Blickwinkel auf die aktuelle Arbeit zu wechseln. Es ist ebenfalls hilfreich, Dinge neu sortieren zu können oder die Arbeit anders anzuordnen - dafür sollte auch im Home Office Platz sein.