Fraglos ist Wikipedia eine Erfolgsgeschichte. Auch aus dem Wissensmanagement vieler Unternehmen ist die schnelle Informationssuche über das freie Internetlexikon nicht mehr wegzudenken. Aber die Mitmach-Enzyklopädie hat seit einiger Zeit ein veritables Problem: Es fehlt der Nachwuchs. Die Wikipedianer drohen also zu überaltern. Auch weil Neulinge, die frische Ideen und Initiative mitbringen, von der alteingesessenen Community allzu schnell vergrätzt werden.
Aufschluss über diese Entwicklung gibt – kaum verwunderlich – Wikipedia selbst. Im Lexikon läuft die Selbstbeobachtung als Editor-Trends-Studie parallel mit. Dort lässt sich die rasante Entwicklung und zunehmende Stagnation übersichtlich nachvollziehen. Im Januar 2002 kochte das Projekt noch auf kleiner Flamme, 2006 wurde im englischsprachigen Wikipedia die Marke von 10.000 aktiven Mitarbeitern durchbrochen, und im Frühjahr 2007 war mit über 50.000 engagierten Schreibern der Gipfel erreicht. Schon seit 2009 ist diese Zahl auf unter 40.000 gefallen.
Der Grund für den gebremsten Schwung: Anfangs blieb dabei, wer einmal mit dem Wikipedia-Virus infiziert war. Die Quote der engagierten Neulinge, die auch ein Jahr später noch aktiv an der Fortentwicklung der Enzyklopädie mitwirkten, lag 2004 noch bei 40 Prozent. Mittlerweile hat sie sich um die 10 Prozent-Marke eingependelt.
Die Entwicklung betrifft die Wikipedias in allen Sprachen. Insgesamt sank die Zahl der aktiven Mitarbeiter, die monatlich mehr als fünf Beiträge beisteuern, von August 2009 bis Juli 2010 von 87.400 auf 81.400 ab. Auch die Zahl der Einsteiger reduzierte sich in diesem Zeitraum um gut 3000 auf 15.300. Schleichend geht auch die Zahl der Wikipedia-Enthusiasten zurück, die mit mehr als 100 Beiträgen pro Monat den Artikelbestand auf dem aktuellen Stand halten.
Das deutsche Wikipedia weist übrigens im Vergleich den geringsten Anteil neuer Autoren auf. Dabei ist das Wecken anfänglicher Begeisterung insgesamt nicht das große Wikipedia-Problem. Der Autorenschwund liegt offenbar eindeutig daran, dass das Binden von Neulingen an die Community nicht gelingt.
Endlose Debatten um neues Autoren-Tool
„Eine bestehende Community ringt damit, Neulinge zu integrieren“, erklärt Sue Gardner, Geschäftsführerin der für die Enzyklopädie verantwortlichen Wikimedia Foundation. Diese will nun offenbar versuchen, den Einstieg in den Wikipedia-Zirkel zu erleichtern.
Allerdings lässt sich dabei nicht an jeder Schraube weit drehen. Viele Neulinge lassen sich etwa durch die Regeln abschrecken, die zur Sicherung eines hohen Qualitätsstandards eingeführt wurden und von deren Einhaltung die Glaubwürdigkeit des Projektes abhängt. Immerhin soll hier für mehr Transparenz gesorgt werden, damit Einsteiger nicht gleich wieder die Lust verlieren.
Für Erleichterung will Gardner mit einem neuen Autoren-Tool sorgen, das das Überarbeiten von Artikeln leichter macht. An die Stelle unübersichtlicher Diskussionsseiten soll ein einfacher zu überblickendes Forensystem sorgen. Angedacht sind solche Veränderungen indes schon seit Jahren. Über die Umsetzung diskutiert die Wikipedia-Community weiterhin.