Trump und der Welthandel

Will er die liberale Weltordnung kippen?

27.03.2018
Für Europa wirkte es wie eine Atempause, doch Donald Trump macht beim Welthandel weiter Tempo. Südkorea musste als erster klein beigeben. China soll massive Strafen bekommen. Die EU wird sich das sehr genau ansehen müssen.

Donald Trumps Schwingen mit der Zollkeule wirft eine entscheidende Frage auf: Macht sich der US-Präsident nur wichtig, wenn er etwa China, einem der wichtigsten Handelspartner und größtem Gläubiger der USA mit massiven Strafmaßnahmen droht? Oder ist seine Handelspolitik vielleicht viel ausgeschlafener, als viele glauben. Will er am Ende die gesamte Handelsbalance der Welt aus den Angeln heben?

Steckt hinter den Einzelmaßnahmen ein perfider Plan?
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"Absichtlich oder nicht - die Trumpschen Tarife bedeuten eine Abkehr von dem, was man kurz als die liberale Weltordnung bezeichnen kann", schreibt etwa die "New York Times". Trump stelle die weltweite Handelsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg in Frage. Und er will zurück in den nationalistischen Protektionismus des 19. Jahrhunderts.

Amerika hat bei seinem Vorhaben eine gute Position. Noch immer ist das Land die größte Volkswirtschaft der Welt. Wenn es gelingt, mit einzelnen Partnern und nicht mit dem Rest der Welt - etwa auf G20-Ebene oder bei der Welthandelsorganisation - zu verhandeln, ist Washington immer der größere der beiden Partner. Wie das ausgeht, konnte man am Montag in Seoul sehen. Südkorea musste in der Zollfrage klein beigeben. Die Amerikaner dürfen nun im Gegenzug für zollfreie Stahlimporte zum Beispiel jede Menge USA-Autos nach Korea liefern und müssen nicht einmal die dortigen Umweltvorschriften einhalten.

Selbst China, Nummer zwei bei der weltweiten Wirtschaftsleistung, droht ins Leere zu laufen. Peking droht den USA für sein massives Paket an Strafmaßnahmen im Volumen von bis zu 60 Milliarden Dollar mit Gegenmaßnahmen und warnt, "seine legitimen Interessen zu verteidigen". Es gibt das Gefühl, in den USA gegen Mauern zu laufen. "Es herrscht große Nervosität, dass es zu einem Handelskrieg kommen könnte", sagte eine Quelle. Seit Wochen versuche Peking vergeblich herauszufinden, was die USA genau wollten.

Als der oberste Wirtschaftspolitiker Liu He in den ersten Märztagen in Washington war, hatte er eine "beeindruckende Liste" an Konzessionen dabei - von einer Aufhebung des Joint Venture-Zwangs in einigen Industriebereichen bis zu einer Senkung von Einfuhrzöllen auf Autos, wie geschildert wurde. Aber das Weiße Haus zeigte wenig Interesse an Verhandlungen. Ratlos suchte Liu He gewichtige Gesprächspartner. Ein Treffen mit Trump wurde ihm verwehrt.

Mit leeren Händen kehrte Liu He nach Peking zurück. Unaufhaltsam folgten die Strafzölle der USA auf Stahl und Aluminium. Erstmal reagierte Peking vorsichtig mit Gegenmaßnahmen im Umfang von drei Milliarden US-Dollar. "Die Antwort auf die Strafzölle der USA war moderat, zurückhaltend und rational", sagte der Pekinger Wirtschaftsprofessor Hu Xingdou.

Der eigentliche Konflikt steht auch noch aus. In einem zweiten Schub drohen China in zwei Monaten Strafzölle bis zu 60 Milliarden US-Dollar wegen Verletzung der Urheberrechte und erzwungenen Technologietransfers. Dann droht ein ausgewachsener Konflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften. "Ich sehe die Gefahr, dass die USA und China keine Lösung finden und nicht aus der Ecke herauskommen", sagt Jörg Wuttke, der frühere, langjährige Präsident der europäischen Handelskammer in China.

Hier geht es auch um mehr. "Trump versucht nicht, durch Druck den chinesischen Markt zu öffnen. Er will vielmehr, dass China keine Hochtechnologie mehr bekommt", ist Wuttke überzeugt. "Es ist kein Handelskrieg, sondern vielmehr ein Hi-Tech-Krieg." Das habe mit Marktöffnung nichts zu tun. "Es ist ein Innovationskampf."

Ungewollt spielt Trump aber auch in Xi Jinpings Hände. Politisch kann sich Chinas Staats- und Parteichef als unschuldiges Opfer einer irrationalen amerikanischen Vormachtspolitik darstellen. Wirtschaftlich findet Xi Jinping in dem Vorgehen Trumps eine Rechtfertigung, Chinas Märkte weiter geschlossen zu halten und seine Industrien vor ausländischer Konkurrenz zu schützen.

Wie Trump ist Xi Jinping ein ökonomischer Nationalist. Seine "Made in China 2025"-Strategie, mit der Innovation und Hochtechnologie in China staatlich gefördert und notfalls im Ausland aufgekauft wird, ist so etwas wie das Gegenstück zu Trumps "America-First"-Politik. Zwar gibt sich Xi Jinping öffentlich gerne als Freihändler und beteuert, seine Märkte öffnen zu wollen, aber ausländische Unternehmen in China spüren davon wenig.

Als Trump im November zu Besuch in Peking war, hatten die Chinesen irrigerweise gedacht, sie hätten ihn eingewickelt. "Trump schießt aus der Hüfte", sagte Wuttke. "Deswegen ist es für die Chinesen auch so schwierig, weil sie keine Planungssicherheit haben." Das Vorgehen des US-Präsidenten sei willkürlich. "Er verfolgt auch die falsche Taktik, weil er einseitig ohne die Europäer in diesen Konflikt geht."

Für die EU ist die Positionierung im Handelsstreit ein Drahtseilakt. Auf der einen Seite will sie sich gesprächsbereit zeigen, um eine Eskalation und einen Handelskrieg zu verhindern. Auf der anderen betont sie, Europa werde sich von Trump nicht erpressen lassen und für ein Fortbestehen der international vereinbarten Regeln kämpfen.

"Die WTO ist nicht perfekt, aber sie hat uns allen gute Dienste geleistet", sagte die EU-Handelsbeauftragte Cecilia Malmstöm jüngst vor dem Europaparlament. "Wir sollten lieber alle gemeinsam daran arbeiten, sie zu stärken als sie zu schwächen."

Idealerweise könnten aus EU-Sicht neue Anti-Subventionsregeln vereinbart werden, um das Problem von Dumpingstahl aus Ländern wie China einzudämmen. Bis dahin müsse auf Grundlage der bestehenden Regeln gegen subventionierte Güter vorgegangen werden, heißt es in Brüssel. Wegen klarer Verstöße gegen Anti-Dumping-Vorschriften hat die EU beispielsweise auf etliche Stahl- und Eisenprodukte aus China und anderen Staaten hohe Schutzzölle verhängt.

Was für die EU auf dem Spiel steht, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Im Jahr 2017 waren die Vereinigten Staaten und China die mit Abstand wichtigsten Handelspartner der EU. Das Handelsvolumen mit den USA entsprach 631 Milliarden Euro und damit 16,9 Prozent des gesamten Warenverkehrs der EU. China folgte mit 573 Milliarden Euro und einem Anteil von 15,3 Prozent knapp dahinter auf Platz zwei. Der Anteil Chinas hat sich dabei seit dem Jahr 2000 beinahe verdreifacht. (dpa/ad)