Ein Blick in die Zukunft

Willkommen bei der Google-Bank!

02.07.2013 von Christof Kerkmann und Sebastian Ertinger
Es ist bisher nur ein Gedanke: Was, wenn Google eine Bank gründet? Das Rüstzeug dazu hätte der Internetkonzern allemal: Kunden, Technologie, Kapital. Wie der Schreck der Finanzbranche aussehen könnte – ein Szenario.

Deutsche Bank, Commerzbank, Targo-Bank, Google-Bank: Die Aufzählung ist für Kunden ungewohnt, für die Branche ein Graus - aber möglicherweise schon bald die Realität. Denn die Finanzwelt fürchtet, dass der Internetkonzern Google und seine Konkurrenten wie Apple und Microsoft das Geschäft mit dem Geld aufrollen könnten.

"Diese Unternehmen wissen aufgrund ihrer riesigen Datenbasis viel mehr über die Bedürfnisse ihrer Kunden, als Banken es jemals erfahren werden, und können dadurch Dienstleistungen sehr gezielt anbieten", sagte etwa Jürgen Fitschen, Co-Chef der mächtigen Deutschen Bank, der "Börsen-Zeitung". Ähnlich klingt es bei Henri de Castries, Chef des französischen Versicherers Axa: "Google weiß schon so viel über die Menschen, damit könnte es auch Finanzdienstleistungen anbieten", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Und hinter vorgehaltener Hand äußern sich viele Banker noch ängstlicher.

Tatsächlich googeln viele Kunden erst einmal, bevor sie eine Versicherung abschließen oder ein halbwegs einträgliches Festgeldkonto suchen. Millionen bezahlen mit dem Smartphone schon Apps, Musik und Magazine. Und Google hat auch eine Lizenz für digitale Bankdienstleistungen. Was also, wenn der Konzern seine Suchmaschine zur Onlinefiliale umbaut? Sein Bezahlsystem für Smartphones zu einem mobilen Bankterminal aufrüstet? Und seine großen Reserven nutzt, um Kredite zu vergeben?

Ein Gedankenexperiment über die Google-Bank - fiktiv, aber nicht komplett abwegig.

Juni 2014: Weltweit bezahlen mit Google Wallet

Die Ankündigung ist selbstbewusst: "Das Portemonnaie können Sie jetzt zu Hause lassen", erklärt Google-Chef Larry Page, als er bei der Entwicklerkonferenz Google I/O die internationale Einführung des Bezahldienstes Google Wallet bekannt gibt. Nutzer in aller Welt sollen mit ihren Android-Smartphones bezahlen, ob im Kaufhaus, Kino oder Kiosk - sofern der Händler ein passendes Lesegerät hat. Bislang testete der Konzern die Lösung nur in einigen US-Städten, allerdings mit durchwachsenem Erfolg.

Um viele Nutzer zu erreichen, sucht sich Google Verbündete und kooperiert mit Kassenherstellern und Technologie-Anbietern. In Deutschland geht die Telekom eine Allianz mit dem US-Riesen ein. "Intelligente Bezahldienstleistungen bieten erhebliches Wachstumspotenzial", sagt Telekom-Chef Timotheus Höttges. Der Telekommunikationskonzern vermarktet die Lesegeräte in seinen Geschäften.

Gleichzeitig rüstet Google die virtuelle Brieftasche auf. Bisher konnten Nutzer damit Apps und Musik kaufen sowie bei einer Handvoll Onlinediensten bezahlen. Jetzt bietet der Konzern allen Onlineshops an, deren Bezahlungen abzuwickeln, wenn Nutzer auf den "Wallet"-Button klicken. Nach der Ankündigung bricht der Börsenkurs der Handelsplattform Ebay um 5 Prozent ein - die Anleger befürchten, dass deren Tochter Paypal, die ebenfalls Onlinezahlungen abwickelt, Kunden verliert. Zumal auch Apple mit dem Dienst Passbook das iPhone zum Portemonnaie machen will.

Der Google-Dienst Wallet verwaltet außerdem Gutscheine. Ein praktischer Nebeneffekt: Der Internetkonzern kann einen weiteren Werbeplatz vermarkten. Kunden, die bereits in der Suchmaschine Anzeigen schalten, bieten mit einem zusätzlichen Klick auch Coupons an.

In den Geschäftsbedingungen lässt sich Google gestatten, Informationen über die Einkäufe der Nutzer für gezielte Werbung zu nutzen. Deutsche Datenschützer schlagen Alarm. "Die Verknüpfung der Daten macht den Nutzer immer gläserner", warnt Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein. Der Verbraucher verliere den Überblick, was das Unternehmen über ihn wisse. Zudem müsse er damit rechnen, dass der amerikanische Geheimdienst NSA darauf zugreife. Daher sein Rat: "Hände weg von Google Wallet."

Die Nutzer beeindruckt diese Warnung indes wenig. Sie verwenden den Dienst ohne Bedenken. Besonders beliebt wird eine Zusatzfunktion, mit der Nutzer anderen innerhalb von Sekunden Geld überweisen können, sofern beide Seiten ein Google-Konto haben. So lassen sich gleich nach dem Junggesellenabschied oder dem Restaurantbesuch die Schulden begleichen, ganz ohne Kleingeld. Zumindest so lange der Akku hält.

Das Szenario im Realitätscheck

Das elektronische Portemonnaie
2011 führt Google den mobilen Bezahldienst Wallet ein, eine Art elektronisches Portemonnaie. Kunden müssen nur ihr Smartphone vor ein Terminal an der Kasse halten, um den Einkauf zu bezahlen - über die Nahfunktechnologie NFC wird die Verbindung hergestellt. Bislang ist Wallet jedoch nicht mehr als ein Experiment: Verfügbar ist der Dienst erst an mehr als 200.000 Terminals in ausgewählten amerikanischen Städten und nur auf einem guten Dutzend Geräte (Stand: Juni 2013). Der Ausbau kommt langsamer voran als ursprünglich angekündigt. Ob und wann die Funktion auch nach Europa kommt, ist noch nicht klar.

Bezahlen im Netz
Online kann man mit dem Dienst Wallet ebenfalls bezahlen, vor allem um im Play Store Apps, Musik und Filme für das Betriebssystem Android zu kaufen - dahinter steckt natürlich Google. Auch einige Apps und Websites nutzen die zuvor als Checkout bekannte Bezahlmöglichkeit, etwa der Reiseanbieter Expedia und der Blumenhändler 1800-flowers.com. Zudem integriert Google die Bezahlfunktion in seinen E-Mail-Dienst, Nutzer in den USA sollen so Geld als eine Art Mail-Anhang an Kontakte überweisen können.

Ohne Kreditkarte läuft nichts
Google Wallet und sein 2006 gestarteter Vorgänger Checkout müssen mit Kredit- oder Debitkarten von Anbietern wie Visa, Mastercard oder American Express verknüpft werden. In Ländern, wo diese Karten im Zahlungsverkehr weniger geläufig sind, findet der Dienst daher bislang vergleichsweise wenig Zuspruch.

Pläne für eine iBank?
Google-Konkurrent Apple hat noch kein eigenes Bezahlsystem der Öffentlichkeit vorgestellt, gewöhnt die Nutzer aber mit dem Programm Passbook an das Prinzip - hier lassen sich Bordkarten und Gutscheine speichern. Zudem hat der Konzern offenbar ein Patent für ein Bezahlsystem mit der Funktechnologie NFC angemeldet. Bei der Entwicklerkonferenz WWDC im Juni betonte Apple-Chef Tim Cook, dass sein Unternehmen 575 Millionen Kreditkarten in seinem System erfasst habe. Mit diesen ließe sich ein neues Bezahlsystem schnell starten. Wie bei allen Spekulationen über neue Apple-Produkte gilt aber: Nur ein kleiner Teil bewahrheitet sich.

Das meint der Experte
"Einzelne Konzerne wie Apple oder Google werden wahrscheinlich nicht im Alleingang Bezahlsysteme aufbauen. Vielmehr dürften sie strategische Allianzen mit Kreditkartenanbietern und Telekommunikationsunternehmen eingehen“, sagt Thomas Dapp, Analyst bei Deutsche Bank Research und Autor einer Studie über die Zukunft der Zahlsysteme. Der Aufbau einer eigenen Infrastruktur für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs sei aufwändig und teuer. „Zudem sind die Margen bei geringen Volumen niedrig", erläutert Dapp. Eine Allianz mit externen Partnern dürfte daher effizienter sein.

Dennoch betont Dapp das Potenzial der Internetkonzerne: „Apple und Google zählen natürlich zu den Akteuren, die den Takt angeben.“ Sie dürften sich aber mit Drittanbietern zusammenschließen, die innovative, vielversprechende Zusatz-Anwendungen für den Konsumenten entwickelt haben, so der Experte.

Fazit
Google und Paypal, Amazon und Apple wickeln auf ihren Online-Plattformen ohnehin Millionen von Transaktionen ab, daher wäre der Aufbau eines elektronischen Bezahlsystems ein logischer Schritt. Allerdings lernt Google derzeit, wie schwierig es ist, die Gewohnheiten der Nutzer zu verändern: Der Internet-Riese hat nach Angaben von Bloomberg Businessweek bereits mehr als 300 Millionen Euro ausgegeben, um Startups rund um digitale Bezahlsysteme zu kaufen. Trotz der Investitionen sei die Software Google Wallet bislang weniger als zehn Millionen Mal heruntergeladen worden. Dennoch ist mit den Internet-Riesen zu rechnen - der Markt ist attraktiv

Mai 2015: Versichert mit Google Protect

Sie kaufen ein Auto? Hier ist die passende Kfz-Versicherung! Sie ziehen um? Schützen Sie Ihren Hausrat! Google macht jetzt auch in Versicherungen: Das Unternehmen schlägt Internetnutzern künftig Policen vor, die zu ihrer Lebenssituation passen. Für Google Protect - so der Name des Dienstes - hat es einige Größen der Finanzbranche als Partner gewonnen, etwa die Axa. "Wenn wir unsere Kunden besser kennen, können wir ihnen auch bessere Angebote machen", sagt Vorstandschef Henri de Castries. Die nötige Fülle an Informationen habe jedoch nur Google.

Bei der Vermittlung greift der Internetriese auf seine umfassenden Daten über die Gewohnheiten und Vorlieben der Nutzer zurück. Ein Beispiel: Wer in den Tagen zuvor nach einer Reise gesucht hat, bekommt Werbung für Reiserücktrittsversicherungen eingeblendet. Hat der Nutzer erst nach Hebammen und dann nach Kinderspielzeug gegoogelt, bietet die Versicherungssuche gleich einen Familien- und nicht den Single-Tarif an. Ähnlich läuft es bei anderen Policen ab, etwa Haftpflicht-, Rechtsschutz- oder Autoversicherung. Rabatt bekommt, wer die Beiträge über Google Wallet zahlt.

Google und Partner vertreiben jedoch nur standardisierte Produkte und verzichten auf individuelle Angebote mit größerem Beratungsbedarf. Die Formel lautet: Viele Abschlüsse mit niedrigen Margen ergeben immer noch einen ansehnlichen Gewinn.

Vertreter der Versicherungsbranche sehen das Engagement mit gemischten Gefühlen. "Damit hat uns Google in der Hand", meint ein Branchenvertreter, der nicht genannt werden will. "Wer bei Protect drin ist, reibt sich die Hände. Wer rausfällt, muss sich warm anziehen." Öffentlich meldet sich Allianz-Chef Michael Diekmann zu Wort: "Wir brauchen paneuropäische Versicherungen, um gegen die Internetgiganten eine Chance zu haben", sagt er dem Handelsblatt. Die Kartellbehörden dürften sich daher großen Fusionen nicht in den Weg stellen.

Mehrere Vergleichsportale sehen in dem neuen Dienst eine Wettbewerbsverzerrung. Google bevorzuge die eigenen Ergebnisse, monieren sie gegenüber der EU-Kommission. Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia nimmt die Ermittlungen auf.

Das Szenario im Realitätscheck

Google als Vermittler
Google vermittelt jetzt schon Produkte und Dienstleistungen: Der Internetriese brachte seinen im Juli 2011 eingeführten Service "Hotel Finder" im Frühjahr auch in Deutschland an den Start. Der Konzern konkurriert dabei mit Reise-Suchmaschinen wie Expedia. In Großbritannien übernahm Google das britische Preisvergleichsportal beatthatquote.com, das Konditionen für Kreditkarten, Autoversicherungen und Hypotheken verglich und mittlerweile in andere Google-Dienste integriert ist. Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge arbeitet das Unternehmen auch an einem deutschen Vergleichsportal für Versicherungen (Stand: Juni 2013).

Auch Amazon verkauft Versicherungen
Auch der Online-Händler Amazon bietet seinen Kunden Versicherungsschutz an. Wollen Nutzer beispielsweise ein Smartphone kaufen, wird gleich eine Geräteschutzversicherung der Ergo Direkt mit angeboten. Rutscht das neue Gerät dem stolzen Besitzer aus der Hand oder kriegt einen Regenguss ab, springt die Versicherung ein. In einem erweiterten Paket ist auch eine Diebstahlpolice drin. Im stationären Handel ist das ohnehin Gang und Gäbe, dort gibt es sogar Steinschutzversicherungen für Kaffeevollautomaten. Verbraucherschützer halten solche Policen allerdings für zu teuer.

Gerüchte über Google Compare
Die Einführung eines Preisvergleichs-Internetportals für Autoversicherungen von Google steht einem Medienbericht zufolge unmittelbar bevor. Spätestens im September soll nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" der Dienst Google Compare in Deutschland an den Start gehen. Der Schritt könnte den Markt für Autoversicherungen aufmischen. Google ist so gut über seine Nutzer informiert wie kein Versicherer. Der Internetriese kann somit als Versicherungsmakler viel besser zugeschnittene Angebote unterbreiten als einzelne Versicherer oder bereits bestehende Vergleichsportale, so die "Süddeutsche".

Was sagen die Kartellbehörden?
Schon jetzt beäugen die Kartellbehörden kritisch, ob Google mit seinen Spezialsuchen die Konkurrenz benachteiligt. Derzeit ermittelt die EU-Kommission. Neue Angebote stünden ebenfalls unter Beobachtung.

Das meint die Branche
"Wenn Google als Vergleichsportal kommt, wird das den Markt verengen", sagt Detlef Frank, Chef von HUK24, der "Süddeutschen Zeitung". "Ich erwarte, dass viele Kunden direkt bei Googles Portal hängen bleiben. Dann klicken weniger auf die Anzeigen, und die von Anzeigen abhängigen Vergleicher oder Direktversicherer müssen mehr zahlen, um an ihr Neugeschäft zu kommen." Die HUK24 ist mit 1,4 Millionen versicherten Fahrzeugen der größte Onlineanbieter in Deutschland.

Fazit
In anderen Ländern vermittelt Google bereits Finanzprodukte. Im Herbst soll der Vertrieb von Autoversicherungen auch in Deutschland beginnen. Bei einem Erfolg erscheint der nächste Schritt, auch andere Versicherungen anzubieten, durchaus naheliegend.

April 2016: Kredit von der Google Bank

Google wird zur Internetbank: Der Konzern erweitert seine Palette an Finanzprodukten bietet nun auch Girokonten, Kreditkarten und Sparangebote sowie Konsumentenkredite aus eigener Hand an. Für Android-Smartphones gibt es eine schicke App. "Die Bank haben Sie jetzt immer dabei", kündigt Google im Firmenblog an. Der Suchmaschinen-Gigant tritt damit in Konkurrenz zu Direktbanken wie ING Diba, Comdirect oder DAB Direkt.

Der Konzern aus Kalifornien baut bei seinem Engagement in der Finanzwelt auf seine massive Vertriebsmacht - Abermillionen von Nutzern, die tagtäglich die Google-Seiten besuchen, Millionen davon mit einem Nutzerkonto bei Google. Neben den Suchergebnissen listet der Konzern nun auch passende Finanzprodukte aus dem eigenen Hause auf. Gibt ein Nutzer etwa den Begriff "Sparen" ein, sind Sparkonten und Festgeldangebote der Google-Bank an prominenter Stelle zu sehen. Bei Begriffen rund um den Autokauf wiederum zeigt Google, ganz praktisch, Kreditangebote zur Finanzierung an.

Erste Erfahrungen mit dem Kreditgeschäft sammelte der Konzern bereits 2013 mit der Übernahme der amerikanischen Kreditbörse Lending Club, die zwischen Nutzern kleine Darlehen vermittelt. Die Programmierer in Mountain View entwickelten daraufhin eine Funktion, die vollautomatisch die Bonität des Kreditsuchers berechnet und die Konditionen empfiehlt - schnell und unschlagbar günstig. Für die Kalkulation des Ausfallrisikos zieht der Dienst Daten aus dem Internet heran, vor allem aus Sozialen Netzwerken.

Seit einem Jahr bietet das Unternehmen selbst Kredite an, wenn Nutzer Produkte des Hauses kaufen, etwa von der Tochterfirma Motorola. So erhalten Kunden günstige Ratenkredite für Smartphones oder Tablet-Computer. Auch Partner bieten mit der Hilfe des Internetkonzerns Darlehen an. Diese Erfahrungen mit dem Kreditgeschäft nutzt Google nun bei seinem neuen Angebot. Zudem stützt sich der Konzern auf Kooperationspartner wie den US-Finanzdienstleister Capital One oder den Zahlungsabwickler Global Payments.

Nach außen hin geben sich die Finanzdienstleister gelassen, doch hinter vorgehaltener Hand wettern sie. "Die meinen wohl, alles besser machen zu können. Am Ende verkaufen die noch Badelatschen", so ein Banker, der nicht öffentlich genannt werden möchte. Das Schlimme sei, dass der Internetgigant mit seinen enormen Mitteln Wissen, Fachpersonal und Infrastruktur einfach zusammenkaufen und mit seiner Marktmacht die etablierten Anbieter verdrängen könne. In den Banktürmen breitet sich Nervosität aus.

Das Szenario im Realitätscheck

Lending Club
Seit Mai 2013 ist Google an der amerikanischen Kreditbörse Lending Club beteiligt. Das Unternehmen nutze das Internet, um das Finanzsystem umzukrempeln, kommentiert Google-Manager David Lawee das Engagement vollmundig. Die Plattform vermittelt Kredite zwischen Nutzern - im Fachjargon ist von "peer to peer" (P2P) die Rede. Lending Club vermittelt zwischen beiden Seiten und stuft das Ausfallrisiko ein, an dem sich der Zins orientiert.

Kreditkarte für Firmenkunden
Anzeigenkunden können eine Google-Kreditkarte bekommen - bislang allerdings nur in Großbritannien. Diese dient zur Bezahlung von Anzeigen im Werbeprogramm Adwords. "Diese Strategie von Google steht im Einklang mit den Plänen, die andere Unternehmen wie Amazon verfolgen", erläutert Deutsche Bank-Analyst Thomas Dapp. "Ihr Ziel ist es, die Wertschöpfungskette zu verlängern und die Bindung ihrer Zulieferer an das Unternehmen zu erhöhen." Bei Amazon können sich Händler, die über die Plattform Produkte anbieten, bei dem Internetriesen Geld leihen.

Autobanken als Vorbild?
Den Weg vom Spezialisten zum Generalisten haben auch viele Autobanken beschritten. Zunächst boten BMW- oder Volkswagen-Bank lediglich die Finanzierung des Autokaufs an. Dann erweiterten sie ihr Angebot um Tages- und Festgeldangebote, Girokonten, Kreditkarten, Hypotheken oder Versicherungen.

Experten-Meinung
"Eine Art Google-Bank ist durchaus vorstellbar", sagt Thomas Dapp von der volkswirtschaftlichen Analyse der Deutschen Bank. "Google sammelt eine Menge wertvoller Daten über uns. Weitaus mehr Daten als jede Bank über ihre Kunden zur Verfügung hat.“ Allerdings schüre dies auch Misstrauen unter potenziellen Kunden. Vertrauen sei ein elementarer Aspekt bei Finanzgeschäften. "Es bleibt spannend, ob Google das Vertrauen der Nutzer auf Dauer gewinnen kann." Von Seiten der Finanzaufsicht stehen keine unüberwindbaren Hindernisse im Weg. "Google verfügt bereits über eine europaweit gültige E-Money-Lizenz, kann also Zahlungsverkehr im Internet abwickeln", erläutert Dapp. "Die Hürde zu einer Vollbanklizenz ist nicht mehr so hoch."

Das meint die Branche
Einer Umfrage der Unternehmensberatung AT Kearney und der Universität Augsburg zufolge erwarten 88 Prozent der führenden Bank-Manager, dass Google, Amazon und Facebook zusammen mit spezialisierten Web-Finanzdienstleistern eine größere Rolle im Bankgeschäft spielen werden. Die Internetriesen könnten zu großen Anbietern von Bankdienstleistungen für Privatkunden werden.

Fazit
Völlig abwegig ist es nicht, dass Google standardisierte Finanzprodukte wie Girokonten, Sparbriefe oder Kreditkarten anbietet. Dafür dürfte sich der Konzern aber wohl Partner aus der Finanzbranche suchen und das Engagement nicht aus dem eigenen Haus heraus organisieren.

Juni 2018: Investieren mit Google Markets

Erst recherchieren die Investoren, dann kaufen oder verkaufen sie: Börsentrends lassen sich anhand von populären Suchbegriffen vorhersagen. Dieses Wissen will Google vermarkten. Der Konzern wertet mit einem ausgefeilten Algorithmus aus, welche Unternehmen in Verbindung mit welchen Begriffen gesucht werden; außerdem berücksichtigt die Formel Kursbewegungen an den Märkten sowie aktuelle Analysteneinschätzungen. Welche Informationen genau einfließen, verrät Google nicht - das sei ebenso wie die Zusammenstellung der Suchergebnisse ein Geschäftsgeheimnis, insistiert Konzernchef Page bei der Präsentation.

Profi-Investoren können den Dienst Google Markets abonnieren, um sich selbst ein Bild zu machen. Oder sie lassen in einem System des Internetriesen Aktien, Anleihen oder Zertifikate automatisch und in Sekundenbruchteilen handeln. Im Firmenblog schreibt Google: "Wir wissen als erste, was die Märkte bewegt."

Für Kleinanleger gab es bereits im Sozialen Netzwerk Google+ Anlagetipps - nach dem Kauf der Social-Trading-Plattform SmartExchange hatte der Konzern dort eine Seite eingerichtet, auf der Privatleute die Deals von Profi-Investoren verfolgen können. Nun haben die Entwickler aus dem Silicon Valley auch Google Markets für private Investoren angepasst und um ein Beratungstool erweitert, das Finanzprodukte passend zur Börsenlage empfiehlt. Das Unternehmen baut damit seine Finanzsparte erheblich aus.

Der Verband der Vermögensberater sieht das neue Google-Angebot kritisch. "Ein Computer-Programm, das sich an kurzfristigen Markttrends orientiert, kann keinesfalls eine persönliche, am langfristigen Vermögenszuwachs ausgerichtete Beratung ersetzen", sagt ein Verbandsvertreter. "Geldanlage ist und bleibt Vertrauenssache. Da geht es um eine Beziehung zwischen Menschen, nicht zwischen Mensch und Maschine."

Das Szenario im Realitätscheck

Suchanfragen als Grippe-Indikator
Suchmaschinendaten spiegeln wider, womit sich die Nutzer beschäftigen - damit eignen sie sich auch für Prognosen. Wenn sich zum Beispiel Anfragen zu bestimmten Krankheitssymptomen häufen, kann Google schon heute das Heranrollen einer Grippewelle zuverlässig vorhersagen, zu finden auf der Website Flu Trends.

Grundlage für Börsenspekulationen
Mit der Auswertung von Suchanfragen könnten Anleger an der Börse beträchtliche Gewinne einstreichen. Das zeigt eine Studie mehrerer Forscher von der Warwick Business School in England. Wenn die Nutzer häufiger oder seltener nach einem Unternehmen suchten, bewegte sich bald darauf dessen Aktienkurs. Das Such-Volumen sei ein Frühindikator, schreiben die Wissenschaftler. Ein Beispiel: Offenbar suchten Investoren zunächst mehr Informationen über den Markt, bevor sie bereit seien, zu niedrigeren Preisen zu verkaufen. Umgekehrt lasse ein nachlassendes Interesse auf steigende Kurse schließen, weil dann der Tiefpunkt erreicht sei.

Lernen vom Profihändler
Social Trading ist keine Erfindung: Firmen wie Ayondo und Wikifolio ermöglichen Profihändlern, ihre Deals im Netz öffentlich zu machen. Privatanleger können sich die Strategien anschauen und - sofern sie überzeugt sind - nachahmen.

Nichts geht ohne Algo-Trader
Ein beträchtlicher Teil des Börsenhandels wird heute mit Computersystemen abgewickelt, sogenannten Algo-Tradern. Ausgefeilte Algorithmen zur Auswertung von Informationen versprechen, besser als die Konkurrenz abschneiden. Ein Gebiet, in dem die Informatiker von Google einige Expertise haben.

Fazit
Als Suchmaschine könnte Google sicherlich Trends ablesen, die Börsenkurse bewegen. Der Weg von einer Such- und Werbemaschine zum Anlageberater ist allerdings sehr weit - nicht zuletzt weil einige regulatorische Hürden im Weg stehen könnten.

September 2030: "Google Sachs"

Die Wall Street feiert eine der größten Übernahmen aller Zeiten: Der Mischkonzern Google kauft die Investmentbank Goldman Sachs. Der Deal ist 250 Milliarden Dollar schwer, selbst für die kauffreudige Google-Chefin Marissa Mayer stößt er in eine neue Dimension vor. "Ich bin so begeistert über diesen Zukauf", sagt sie in einer Telefonkonferenz. "Goldman Sachs wird das Spiel verändern."

Den Segen der Investorenlegende Warren Buffett, der 2,5 Prozent an der Wall-Street-Ikone hält, hat die Managerin: Der 100-Jährige lobt den Zusammenschluss. Google müsse neue Geschäftsfelder jenseits der Internetsuche erschließen, Goldman Sachs dringend in seine Technologie investieren. "Ich verstehe das Geschäftsmodell. Die Strategien passen zusammen", so Buffett.

In den vergangenen Jahren hatte sich Google bereits einige Filialbanken einverleibt, dann aber die meisten Geschäftsstellen geschlossen. Nur in den Großstädten sind sogenannte Flagship-Finance-Stores für die persönliche Beratung vermögender Privat- und gewichtiger Firmenkunden erhalten geblieben. "Wir wollen an bestimmten Punkten auch für den Kunden präsent sein", erläutert ein Google-Sprecher.

Mit der Goldman-Sachs-Übernahme wächst die Suchmaschinen-Kaufhaus-Bank zu einem Finanzriesen, der neben der kompletten Palette an Finanzprodukten für Privat- und Firmenkunden nun auch im Kapitalmarkthandel, der Beratung bei Fusionen und Übernahmen sowie Börsengängen und der Vermögensverwaltung aktiv ist.

Als letzte verbliebene große Investmentbank der USA war Goldman Sachs in den vergangenen Jahren stark unter Druck geraten. Zum einen hatte die strikte Regulierung das Geschäft zunehmend gehemmt. Zum anderen hatten aufstrebende Finanzinstitute, vor allem aus China und Indien, den US-Amerikanern massiv Marktanteile abgenommen, nicht zuletzt dank der Unterstützung von Technologiekonzernen wie Huawei. "Es ist gut, dass Goldman Sachs amerikanisch bleibt", beschwört US-Präsident Marco Rubio den Patriotismus seiner Landsleute.

Die Übernahme durch Google werten Branchenbeobachter als Befreiungsschlag für die angeschlagene Goldman Sachs. Der Zusammenschluss könnte auch dem früheren Herzen der globalen Finanzbranche, der "Wall Street", nach Jahren des Niedergangs neues Leben einhauchen - falls "Google Sachs", wie Börsianer die Bank jetzt nennen, nicht nach Mountain View umzieht.

"Die asiatischen Banken müssen mit einer Rückkehr ihres schärfsten Konkurrenten rechnen", sagt Jeff Georgious, Partner der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung Knowledge Group. Der Marktführer Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) gibt sich dagegen betont gelassen. "Wir warten ab, was da kommt", so ICBC-Vizepräsident Wei Bao Cai.

Das Szenario im Realitätscheck

Die Prioritäten liegen anders
Die Prioritäten von Google-Chef Larry Page sind klar: Neben dem Kerngeschäft mit der Internetsuche sind ihm die mobile Plattform Android, das neue webbasierte Betriebssystem Chrome und das eigene Onlinenetzwerk Google+ wichtig. So weitreichende Bankaktivitäten haben mit dem Internetkonzern in seiner heutigen Gestalt nichts zu tun.

Experten-Meinung
"Bei standardisierten Finanzprodukten wie Zahlungsverkehr oder Sichteinlagen können neue Anbieter, insbesondere Nicht-Banken durchaus aktiv werden. Diese Angebote lassen sich automatisieren und günstig abwickeln", meint Thomas Dapp von Deutsche Bank Research. "Bei komplexeren Bankgeschäften, etwa der Auslandsfinanzierung mittelständischer Unternehmen, sind aber eine eingehende Beratung sowie maßgeschneiderte Produkte weiterhin nötig und vor allem erwünscht. Das ist zu komplex, um damit einfach Geld verdienen zu können."

Fazit
Genug Geld hätte Google wohl, um in der Bankbranche zu wildern. Aber es erscheint dann doch unwahrscheinlich, dass der Konzern sein angestammtes Umfeld, das Internet, verlässt und sich bei Banken mit Präsenzfilialen engagiert. Auch dass Investoren-Legende Warren Buffett 100 Jahre alt wird, ist trotz unerschütterlicher Gesundheit und der bekanntermaßen ausgesucht gesunden Ernährungsweise (Hamburger mit Pommes, dazu Cherry Coke und zum Abschluss Vanille-Eis) leider nicht sicher.

(Quelle: Handelsblatt)