Für Microsoft ist Windows 10 nicht irgendein Betriebssystem-Upgrade. Das Unternehmen will seine inzwischen stark fragmentierte Windows-Landschaft wieder zusammenführen.
Dafür bringt Windows 10 folgende Voraussetzungen mit sich:
Das System wird geräteübergreifend auf PC, Smartphones, Tablets, der Xbox und vielleicht noch weiteren Geräten zur Verfügung stehen. Die Windows-Benutzererfahrung soll dabei über alle Endgeräte hinweg ähnlich sein, sich aber an die Gerätetypen anpassen und dabei auch das individuelle Nutzungsverhalten berücksichtigen.
Windows 10 sieht auf einem System ohne Touch-Funktionalität eher aus wie Windows 7, auf einem Tablet dagegen eher wie Windows 8.1 mit Kacheloptik. Bei 2-in-1-Systemen, die sich wahlweise als Ultrabook oder Tablet nutzen lassen, ändert sich die Benutzeroberfläche, je nachdem, ob die Tastatur angedockt ist. Dafür sorgt die neue "Continuum"-Technik, die erkennt, ob im Notebook- oder im Tablet-Modus gearbeitet wird. Je nach Betriebstyp erhalten Anwender eine Kacheloberfläche (Tablet) oder einen Windows-Desktop mit dem zurückgekehrten Startmenü.
Da sich alle Geräte denselben Windows-Kern teilen, setzt Microsoft mit Windows 10 auch sein Konzept einer einheitliche Anwendungsplattform (Universal Apps) fort, das es für PCs und Smartphones mit Windows 8 bereits gibt. Entwickler schreiben also nur noch eine App, die dann auf allen Endgeräten läuft und in einem integrierten, übergreifend verfügbaren AppStore verwaltet wird.
Das soll zu einer einfacheren Entwicklung und besseren Verwaltbarkeit der Anwendungen führen. Zudem können Entwickler auf einen Schlag das gesamte Microsoft-Ökosystem adressieren - ein zumindest theoretischer Vorteil gegenüber Apple und Google, wo auf Desktops und mobilen Endgeräten unterschiedliche Betriebssysteme und Anwendungen laufen.
Für das Managen von Anwendungen und Geräten ergeben sich neue Optionen, da ein integriertes Device- und App-Management über PCs und mobile Endgeräte hinweg möglich werden soll. Der übergreifende Enterprise AppStore soll zudem Features für das Lizenz-Management und die flexible Distribution erhalten.
Um besser gegen Sicherheitsvorfälle gewappnet zu sein, will Microsoft das Identity- und Access-Management verbessern. Außerdem arbeitet das Unternehmen an Container- und Datenseparierungstechniken, um Apps und Dateien nicht nur auf den Endgeräten, sondern etwa auch in E-Mail-Systemen und in der Cloud zu schützen. Ein neues Feature namens "Device Guard" soll zudem Malware stoppen, indem die Installation von Apps besser gemanagt und überwacht wird.
Der Sprachassistent "Cortana", bekannt von Windows Phone 8.1, wird in Windows 10 fest integriert. Er soll dort beispielsweise dabei helfen, Dateien zu finden, E-Mails zu versenden, im Internet zu suchen oder auch Musik- und Videodateien zu starten.
Mit "Project Spartan" führt Microsoft einen neu gestalteten Browser ein. Er soll unter anderem das Markieren, Teilen und Lesen von Websites angenehmer machen und durch die Integration von Cortana die Websuche vereinfachen. Für Unternehmensnutzer wichtig: Der Internet Explorer soll ebenfalls weiter existieren, er muss nicht durch Spartan ersetzt werden. Damit sind also die Investitionen in IE-kompatible Anwendungen sowie in Richtlinien und Verwaltung geschützt.
Die neuen Eigenschaften lassen erahnen, dass Windows 10 für Microsoft ein großer Wurf werden muss. Für den Softwareriesen ist die heterogene Windows-Welt zum Problem geworden. Von den weltweit genutzten 1,5 Milliarden Windows-Geräten arbeiten nur zehn Prozent mit Windows 8, rechnen Marktforscher vor - der jüngste Spross aus der Windows-Familie war eine einzige Enttäuschung.
Das Gros der Anwender setzt heute auf Windows 7. Einen eigenen kleinen Mikrokosmos in der Mobile-Welt stellt Windows Phone 8 dar, das ebenfalls von Windows 10 abgelöst werden soll. Außerdem gibt es immer noch etliche Anwender, die aus ihrer Windows-XP-Welt nicht loskommen. Zudem arbeiten die User auch noch mit unterschiedlichen Upgrade-Ständen, Sicherheits-Patches und Editionen (beispielsweise Windows 8, Windows 8 Pro und Windows 8 Enterprise). Für die Entwickler-Gemeinde ist der bisherige Zustand inzwischen alles andere als glücklich. Der Aufwand, alle Windows-Plattformen zu bedienen, ist für sie viel zu groß.
Windows-as-a-Service - heißt das Abo-Modell?
Microsoft will und muss reinen Tisch machen. Die Zeit der Upgrades und Patches soll mit Windows 10 zu Ende gehen. Der Kunde soll Windows "as a Service" beziehen, wie es heißt, also die neuen Versionen und Features geräuschlos aus der Cloud eingespielt bekommen - so wie es heute schon mit Office 365 funktioniert. Microsoft-Manager Terry Myerson schrieb ein wenig übermütig in einem Blog-Beitrag: "In den nächsten paar Jahren wird sich Windows zum größten Internet-Service auf dem Planeten entwickeln".
Er hatte wohl nicht daran gedacht, dass diese Botschaft viele Unternehmenskunden aufhorchen lassen würde. Wenn Windows 10 künftig ein reiner Internet-Service ist, wird es dann ein Subscription-Modell geben, so wie man sie von anderen Cloud-Services her kennt? Ein Abo-Modell für Betriebssysteme?
Microsoft-CEO Satya Nadela beantwortete die Frage, ob Windows 10 künftig nach einem ähnlichen Schema wie Office 365 bepreist werde, ein wenig sybillinisch. Man kündige heute einen technischen Wandel an, "keinen fundamentalen Wandel unseres Geschäftsmodells."
Bislang bietet Microsoft für seine Windows-Systeme zehn Jahre Support, davon fünf Jahre Mainstream- und fünf Jahre Extended Support. Der Mainstream-Support, der Mitte Januar für Windows 7 auslief, bietet nicht nur Bugfixes, sondern auch in Form von Service Packs bereitgestellte Produktverbesserungen. Der Extended Support, der noch bis zum 14. Januar 2020 läuft, beinhaltet nur noch Sicherheits-Updates. Läuft auch der aus, gibt es Sicherheits-Updates nur noch gegen Bares - wie es gegenwärtig beim noch immer recht weit verbreiteten Windows XP der Fall ist.
Unterschiedliche Upgrade-Geschwindigkeiten lassen viele Fragen offen
Ob und wie Microsoft Unternehmenskunden aus der Welt der Volumenlizenz- und Software-Assurance-Verträge in solche dynamischen Upgrade-Szenarien überführen will, ist noch völlig ungeklärt. Ein Blick auf die Windows-10-Preview zeigt aber, dass sich das Upgrade-Tempo schon jetzt individuell einstellen lässt. Wie die Analysten von Forrester Research aus Gesprächen mit Microsoft-Executives erfahren haben, sollen die Unternehmen auch in Zukunft selbst bestimmen können, in welchem Tempo sie Betriebssystem-Upgrades einführen möchten.
Demnach können sie wahlweise das schnelle Consumer-Update-Modell übernehmen oder geschäftskritische Umgebungen "einfrieren" und nur mit den kritischsten Sicherheits-Updates versehen. Eine dritte Option sieht offenbar vor, dass Unternehmen Updates mit Verzögerung installieren können, nachdem sie zuvor vom breiten Markt getestet wurden.
Microsoft erwartet demnach, dass Unternehmen - je nach Geschäftsszenario - einen Mix aus diesen Optionen wählen werden. So könne sich eine Investment-Bank für ihre geschäftskritischen Handelssysteme ausschließlich mit den wichtigsten Sicherheits-Patches versorgen, während die mobilen Endgeräte der Finanzberater mit den neuesten Features bestückt werden. Sollte es so kommen, dann können Anwender kaum auf ein einfacheres Softwarelizenz-Management hoffen.
Microsoft wird in den nächsten Monaten noch viele Fragen beantworten müssen. Unternehmensanwender machen diesbezüglich noch keinen Druck. Die Analysten von Gartner erwarten nicht, dass Firmen vor 2018 im großen Stil in die Windows-10-Welt wechseln werden. Allerdings sei den meisten von ihnen klar, dass Microsoft mit der kostenlosen Upgrade-Option für Privatkunden enormen Druck aufbaue, dem sich auch Unternehmen mittelfristig nicht entziehen könnten.