Microsoft macht es den Anwendern nicht immer so leicht wie seinerzeit, als man Windows Vista als neues Betriebssystem herausbrachte. Vielen CIOs war sofort klar, dass sich ein Umstieg nicht lohnen würde. Von damals, also dem Jahresbeginn 2007, führt eine direkte Spur zum Dilemma von heute: Wer immer noch mit Windows XP arbeitet, könnte seit mittlerweile zwei Jahren auf Windows 7 wechseln; wer das aber immer noch nicht getan hat, wartet vermutlich auf das Erscheinen von Windows 8. Irgendwann 2012 soll es kommen, aber offiziell bestätigt ist von Seiten Microsofts nichts. Die Analysten der Experton Group stellen in einer aktuellen Analyse nicht nur deshalb in Frage, ob Abwarten tatsächlich die beste Lösung ist.
Ob sich ein direkter Wechsel von XP auf Windows 8 lohne, lasse sich nicht pauschal beantworten, so Experton. „Nicht nur bedingt durch die nicht umfassend bekannte Roadmap von Microsoft treten bei einer solchen Strategie erhebliche Hürden auf“, gibt Analyst Axel Oppermann zu bedenken. Entscheidend sei die Client- und Produktivitätsstrategie des einzelnen Unternehmens.
Windows 7 stelle gegenüber XP in erster Linie eine neue Technik-Generation dar, während Windows 8 auf die durch Mobile IT bedingten Veränderungen von Arbeitswelt und Arbeitsprozessen reagiere. Eine Migration von XP zwingt nach Einschätzung Expertons die Anwender dazu, gleichzeitig technische und arbeitsorganisatorische Hürden zu nehmen.
„Hierdurch verlängern sich die Projektlaufzeiten, und die Komplexität steigt“, schreibt Oppermann. Planung, Tests und die Einführung selbst könnten schon bei einer Migration auf Windows 7 leicht zwölf bis 18 Monate verschlingen. „Bei einem Umstieg direkt auf 8 kann die Projektlaufzeit stark – also über 30 Prozent – zunehmen“, warnt Oppermann. Denn die vorhandenen Anwendungen müssten auch auf das neue User Interface und die Gerätekonzepte transformiert, zugleich die Anwender konditioniert werden.
Weil eine Migrationsentscheidung in die eine oder andere Richtung letztlich nur individuell getroffen werden kann, rät Experton zum Download der kostenlosen Entwicklerversion von Windows 8 von der Microsoft-Website. Hierbei handelt es sich um ein Prebeta-Release, mit dem sich Entwickler und IT-Verantwortliche schon einmal an die neue Oberfläche und die Programmierungs-Methoden gewöhnen können.
Window 7-Tablets kein Erfolg
„Nach Meinung der Experton Group kann die Vorschau auf Windows 8 Unternehmen tatsächlich eine Vorstellung davon geben, welche Betriebssystem-Strategie in Zukunft von Microsoft zu erwarten ist“, so Oppermann. „Microsoft baut sein Windows-Ökosystem so aus, dass auf Basis einer einzigen, attraktiven Oberfläche, die sich durch hohe Nutzerfreundlichkeit und Kompatibilität mit den neuesten Web-Standards auszeichnet, sämtliche Bildschirm-Varianten abgedeckt werden.“
IT-Entscheidern rät Experton ferner, auf Basis der Ist-Situation im Unternehmen verschiedene Szenarien durchzuspielen. Unbedingt in die Situation einzubeziehen seien drei Elemente:
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Theoretische Migrationsszenarien
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Client-Strategie samt Anwenderbedarfen
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Lizenzsituation hinsichtlich Leistungsrechten und Laufzeiten.
Microsoft pflege auch deshalb eine zurückhaltende Informationspolitik über Windows 8, weil die Verkäufe von Windows 7 nicht torpediert werden sollen, so Experton. Bisher seien davon 450 Millionen Lizenzen verkauft, weitere 100 Millionen sollen folgen. Aus Sicht der Analysten wird es sich bei Windows 8 um eine „Brückenversion“ handeln, die Einheitlichkeit auf verschiedensten Device-Konfigurationen bieten soll: Desktops, Notebook, Tablets, eventuell Smartphones.
Der zu erwartende baldige Release von Windows 8 ist laut Oppermann auch eine Reaktion auf den mäßigen Erfolg von Windows 7-Tablets, der insbesondere Hardware-Partner wie Dell angesichts der Konkurrenz von Apple und Samsung-Android hart treffe.
Aus Sicht der IT-Abteilung biete das neue Betriebssystem eine Optimierung von Management und Bereitstellungsoptionen, so Oppermann: „Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist eine Menge an Transformationen unabdingbar.“ So baue Microsoft die Verfügbarkeit über verschiedene Prozessoren aus und lege besonderen Wert auf die Interaktion mit den Anwendern.
Desktop mitnichten überflüssig
Neben dem Desktop User Interface soll es eine weitere Anwenderschnittstelle geben: das mit den Windows Phone bereits eingeführte User Interface Metro. Es handelt sich dabei um eine touch-fähige Oberfläche, die sehr stark personalisiert werden kann und mit als „Live Tiles“ bezeichneten Kacheln und großen Grafiken daherkommt. Die Nutzer können zwischen dieser und der konventionellen Desktop-Oberfläche hin- und herspringen. Letztere soll nach Experton-Informationen voll rückwärtskompatibel mit den Anwendungen für Windows 7 sein.
„Microsoft setzt mit seiner Windows 8 Metro-Oberfläche neue Maßstäbe und lässt Plattformen wie das iOS von Apple eher alt aussehen“, lobt Oppermann. Ähnlich wie bei iOS soll die Windows 8 Metro-Version des Internet Explorer 10 dann auch keinen Support für Adobe Systems‘ Flash-Anwendungen und andere Plug-ins bieten. Die integrierte und jederzeit umschaltbare Desktop-Version des Internet Explorer 10 unterstützt diese Plug-ins auch weiterhin. „Für diesen Ansatz gibt es angeblich eine ganze Reihe von Gründen“, bemerkt Experton. Unter anderem führe Microsoft an, dass dadurch die Tablet-Batterie länger halte sowie Datenschutz-, Sicherheits- und Zuverlässigkeitsaspekte dies erforderlich machten.
Experton rechnet damit, dass die Arbeit mit Notebook und Tablet dank Metro-Oberfläche durchaus eine angenehme Erfahrung sein wird. Wegen eingeschränkter Funktionalitäten sei aber das Ausweichen auf den Desktop nach wie vor nötig; zudem drohe im Tablet-Bereich eine verwirrende Bandbreite an Varianten.
„IT-Verantwortliche sollten wohl eher ihre Windows 7-Migration weiter vorantreiben“, lautet Oppermanns Fazit. „Windows 8 auf dem Desktop wird in den meisten Fällen eher vermieden. Windows 8-Tablets erweisen sich vielleicht als sehr leistungsstark und warten mit überzeugenden Features auf.“