Das Gros aller Personalmanager in Deutschland hat noch eine sehr vage Vorstellung davon, wie die künstliche Intelligenz denn nun wirklich den eigenen Arbeitsbereich unterstützen beziehungsweise effizienter gestalten kann. Das bescheinigen auch die Ergebnisse der aktuellen BPM-Studie zum Einsatz von KI in der Personalarbeit aus dem Frühjahr 2019.
Demnach prüfen zwar 41 Prozent von rund 1000 befragten Personalern den Einsatz von KI, doch lediglich 16 Prozent beziehen die technologischen Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz bereits konkret in ihre Planungen ein. Und knapp 40 Prozent haben sich bisher noch gar nicht damit auseinandergesetzt. Ihnen fehlt demzufolge komplett die Grundlage dafür, sich überhaupt ein Urteil über die Wirkungsweise von künstlicher Intelligenz für ihren Arbeitsbereich zu bilden.
Ohnehin erhält man bei der Durchsicht der Studienergebnisse den Eindruck, die Personaler lassen die Einführung KI-basierter Software in ihren Unternehmen einfach geschehen. Nur sehr wenige von ihnen nehmen bei der Entscheidung für oder gegen den Einsatz von künstlicher Intelligenz einen aktiven Part ein. Die meisten scheinen eher defensiv, anstatt sich mutig und experimentierfreudig mit neuen Ansätzen und Potenzialen der intelligenten Systeme auseinanderzusetzen.
Für diese Haltung zeigt die BPM-Studie allerdings plausible Gründe auf: die Hälfte aller Befragten beklagen beispielsweise, dass sie bei der Einführung solcher Technologien nicht ausreichend mit KI und dessen Nutzen für die Personalarbeit vertraut gemacht wurden. Sie vermissen Best-Practices, anhand deren sie sich orientieren können, interne Schulungen und Trainings sowie direkte Ansprechpartner, beispielsweise aus der IT.
Diese eher abwartende und reaktive Haltung geht allerdings an den Erfordernissen der Zeit vorbei, denen sich Personaler sowie auch die Unternehmensleitung stellen müssen. Denn anstatt KI als latente Bedrohung für den eigenen Job zu interpretieren, sollten Personaler endlich umdenken und die Chancen von KI für ihr Tätigkeitsfeld erkennen. Wo bleiben die strategischen Überlegungen, die KI für die Personalarbeit als intelligenten Effizienz- und Produktivitätsfaktor werten, damit sich der Personaler endlich von den kleinteiligen und uninteressanten Aufgaben verabschieden kann?
Dazu ein einfaches Beispiel: Über KI-gestützte Software lässt sich bereits heute die Bewerberauswahl objektiver und schneller bewältigen. Damit erhält der Personaler mittelfristig mehr Freiräume, die er beispielsweise für die Weiterqualifizierung und Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter oder auch das Anschieben kultureller Veränderungen im Unternehmen nutzen kann.
Treffen Sie die Autorin dieses Artikels, Inga Dransfeld-Haase, bei Lernen21
Aber nicht nur bei der Mitarbeitersuche verspricht die KI-Industrie Effizienzvorteile. Entlang der gesamten Personalarbeit gibt es bereits Teilbereiche, bei denen die Maschine solide objektive Vorarbeit leisten kann. Einige sollen hier genannt werden:
Rekrutierung mithilfe von KI:
Arbeitsmarktanalysen: Mithilfe von Software-Tools können Personaler in Echtzeit Analysen über Angebot und Nachfrage zu bestimmten Kompetenzen erhalten - zum Beispiel, wie viele Stellen zu KI-Experten in Deutschland von welcher Firma und in welcher Stadt ausgeschrieben wurden. Dabei geht es um eine Gegenüberstellung der Anzahl von KI-Experten, heruntergebrochen auf Standort und Firma. Falls innerhalb der Stellenanzeigen auch Gehälter erwähnt werden, ist diese Anzeige ebenfalls machbar.
Sourcing von Kandidaten: Es gibt verschiedene Komplexitätsstufen von Software, die gesuchte Profile von Kandidaten mit am Markt verfügbaren Profilen abgleicht. Diese sogenannte Matching-Software funktioniert ähnlich wie bei der digitalen Partnersuche. Sie hilft in Sekundenbruchteilen, geeignete Bewerber anhand deren Skills vorauszuwählen. Die Systeme reichen von einfachen Schlüsselwortsuchen bis hin zu psychologisch unterlegtem Matching, deren Ergebnisse zur Persönlichkeitsanalyse mit den Jobanforderungen verglichen werden.
Text Analytics: Anwendungen, die den Text einer Stellenanzeige analysieren und automatisiert Verbesserungsvorschläge für eine höhere Wirksamkeit der Stellenanzeige vorschlagen.
Assessments von Kandidaten: Es gibt Anwendungen, in denen zunächst interne Experten - bleiben wir bei den KI-Experten - auf Basis von Gamification ausgewählte technische Fragen beantworten. Diese Antworten werden anschließend analysiert und als Benchmark für die Bewertung von externen Kandidaten herangezogen, die dann dieselben Fragen erhalten
KI-Assistenten im Bewerbermanagement: Die KI-Assistenten (Chatbots) können Termine mit Kandidaten koordinieren.
Digitale Interviews: Dahinter verbergen sich Plattformen, worüber persönliche, Telefon- und Videointerviews komplett automatisiert möglich sind. KI kann dann auf Basis der Stimme, Sprache oder auch Mimik entsprechende Ableitungen treffen. Wird zum Beispiel ein Videointerview aufgenommen und dann über ein neuronales Netzwerk ausgewertet, kann es sein, dass ein Stirnrunzeln als Ausdruck eines negativen Gefühls gewertet wird.
Künstliche Intelligenz in der Personalentwicklung:
MOOCs (Massive open online courses): Lernplattformen, in denen Personalentwickler wie Mitarbeiter eigenverantwortlich aus einer enormen Vielfalt an Themen Trainingseinheiten auswählen können, liegen bereits seit einige Zeit im Trend. Auf Basis thematischer Präferenzen und der Angabe, welche Kurse Teilnehmer mit vergleichbaren Kompetenzen absolviert haben, werden über den Moocs-Ansatz neue Kurse vorgeschlagen. Bei einigen Plattformen können die Mitarbeiter auch sogenannte "Nano-Degrees", also Abschlüsse über absolvierte Trainingseinheiten erhalten, die wiederum für die Personalentwicklung interessant sind. Entsprechende Analytics für Firmen sind ebenfalls Bestandteil dieser Plattformen. Das verschafft Personalern eine verbesserte Nachvollziehbarkeit darüber, wie viele Mitarbeiter welche Themen und Trainings absolviert haben, wer nur begonnen und nach einiger Zeit abgebrochen hat, wieviel Zeit auf diese Trainings verwendet wurde und welches die beliebtesten Themen sind.
Top Performer-Fähigkeiten und -Verhalten: Algorithmen können aus verschiedenen Quellen (Anzahl und Dauer von Kundenterminen, Umsatz, Grad der Zielerreichung und Verhaltensweisen, Fähigkeiten) Indikatoren ermitteln. Daraus lassen sich dann entsprechend kompetenzbezogene passgenaue Trainings entwickeln.
People Analytics:
Produktivität der Beschäftigten: Automatisierte Analysen liefern Produktivitätskennzahlen der Belegschaft in Echtzeit, ohne dass das Personalwesen ein aufwändiges Berichtswesen vorhalten müsste.
Predictive Analytics: Hier geht es darum, automatisierte Analysen zu nutzen, sie auszuwerten, wie hoch beispielsweise das Fluktuationsrisiko in bestimmten Unternehmensbereichen generell ist, um seine Personalbedarfsplanung entsprechend darauf auszurichten beziehungsweise sie stärker zu dynamisieren.
Aktuell gilt es mehr denn je, die Personalentscheider aus ihrer Ohnmacht gegenüber dem Einsatz von KI für ihr Arbeitsumfeld zu holen. Sie sollten dafür sensibilisiert werden, mit KI-gestützter Software zu experimentieren, um das nötige Erfahrungswissen sowie Best Practices aufzubauen. Denn erst auf dieser Basis ist es möglich, den Nutzen von KI zu bewerten und zu entscheiden, an welcher Stelle des Bewerbungsprozesses die Maschine Hilfestellung leisten kann und wo das "Zwischenmenschliche" wichtiger ist.
COMPUTERWOCHE veranstaltet Konferenz zu Lerntrends
Was müssen Unternehmen tun, was sollen Mitarbeiter können - und mit welchen modernen Lerntechnologien schaffen beide Seiten den Sprung erfolgreich ins digitale Zeitalter? Diese Fragen will die COMPUTERWOCHE-Konferenz "Lernen im 21. Jahrhundert" am 27. November im Munich Airport Business Park beantworten. Eine der Rednerinnen ist auch die neue Präsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM) und Personalchefin der Nordzucker AG Inga Dransfeld-Haase.
Mit dabei sind noch Praktiker wie der CIO/CDO von MSC Germany Hubert Hoffmann, der weltweite Learningchef von SAP Daniel Vonier sowie Firmenchef Volker Maiborn. Die wissenschaftliche Seite - mit starkem Bezug zur Praxis - decken der Vizepräsident der Hochschule München ab, Professor Klaus Kreulich, und Dr. Philipp Ramin vom Innovationszentrum für Industrie 4.0 aus Regensburg.
Und damit die Mischung komplett ist, sind auch ein paar Startups dabei, die in Workshops, Live-Demos und auf einem Jahrmarkt der Ideen, aufzeigen, wie Technologie das neue Lernen unterstützt - zum Beispiel anhand von Videos, sogenannten Lern-Nuggets, Gamification bis hin zu Virtual-Reality-Brillen, die schon in der betrieblichen Weiterbildung im Einsatz sind.
Die Veranstaltung wendet sich vor allem an Personal- und Weiterbildungsexperten, aber auch an Fach- und Führungskräfte aus den Fachbereichen, die sich darüber informieren wollen/müssen, wie sie ihre Mitarbeiter fit machen können für das digitale Zeitalter. Erwartet werden rund 200 Teilnehmer. Die Veranstaltung findet im Business Park des Münchner Flughafens statt.
Anmeldung unter: https://lernen21.computerwoche.de
Termin: Mittwoch, 27. November 2019
Ort: Airport Business Center im Munich Airport Business Park
Regulärer Ticketpreis: 149 Euro (+MwSt)
Weitere Infos erteilt gerne CW-Redakteur Hans Königes (hkoeniges@idg.de)