Eine interessante Kennzahl wäre das doch allemal: die Time-to-Deliver, die Zeit also, in der die IT dem Kunden eine Lösung liefern kann. Agile Arbeitsweisen wie Scrum sowie der Design-Thinking-Ansatz helfen ja dabei, Entwicklungszyklen zu verkürzen und die Qualität zu verbessern. Auf diesen Weg hat sich die IT des Baufinanzierungs-Brokers Interhyp gemacht. "Bei der agilen Zusammenarbeit in der Softwareentwicklung wollen wir noch besser werden", sagt CIO Michael Sonne. "Deswegen wäre ein Benchmark mit diesem KPI so interessant. Wir könnten sehen, wie der Kunde die Time-to-Deliver wahrnimmt."
Zwar wurde diese Kennzahl in der diesjährigen Benchmark-Studie nicht abgefragt, aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Interhyp auch hier vorne liegen würde. Denn in diesem Jahr gewann die IT-Abteilung des Baufinanzierers den IT Excellence Benchmark (ITEB) mit beeindruckend deutlichem Abstand. In puncto "Allgemeine Zufriedenheit" erreichte das Unternehmen mit Sitz in München den Traumwert 1,62 - das hat in der ITEB-Historie noch kein Unternehmen geschafft. Der Durchschnittswert aller Teilnehmer lag hier bei 2,66, wobei die Mitarbeiter auf einer Skala von 1 (vollkommen zufrieden) bis 5 (unzufrieden) abstimmen durften.
Der IT Excellence Benchmark ist die größte Studie über die Zufriedenheit von IT-Anwendern im deutschsprachigen Raum. Seit 2007 betreibt das CIO-Magazin diesen Wettbewerb zusammen mit der TU München und der Business Group Munich. Mittlerweile liegen dem Benchmark mehr als 100.000 verwertbare Interviews aus 280 Umfragen in Unternehmen zugrunde.
Der Helpdesk
Für eine hohe IT-Zufriedenheit der Interhyp-Mitarbeiter sorgte vor allem der wohlorganisierte Helpdesk - genauer gesagt der IT Solution Service (ISS), wie es konzernintern heißt. Als diese Einheit vor sieben Jahren geschaffen wurde, sollte sie einen möglichst modernen Namen bekommen, weshalb man sich an der Raumstation ISS orientierte.
Nur fünf der insgesamt rund 90 IT-Mitarbeiter betreuen hier von 7 bis 19 Uhr die rund 1250 Kollegen an rund 90 Standorten. "Der zentrale ISS macht bundesweit den First- und Second-Level-Support", sagt Oliver Winkler, Leiter Windows Services bei der Interhyp. "Wichtig ist für uns die Erstlösungsquote, und die wollen wir von jetzt 80 Prozent auf 95 Prozent anheben."
Diese Quote weiter zu steigern, wird nur gelingen, wenn die Prozesse am Helpdesk weitgehend automatisiert werden. Und das geht nur mit einem Höchstmaß an Standardisierung. "Wir haben früh auf stringente Prozesse geachtet und uns nach ISO 20000 zertifizieren lassen. Da waren wir 2008 einer der Ersten in Deutschland", berichtet Sonne. Im Jahr 2015 ließ sich die IT auch nach der Sicherheitsnorm ISO 27001 zertifizieren. "Von Anfang an war unsere Strategie, Standards überall dort zu fahren, wo es möglich ist."
Vorteile durch ITIL-Prozesse
Dabei lehnt sich der Standard ISO 20000 für das IT- Service-Management (ITSM) stark an die ITIL-Prozesse an. "Diese Prozesse haben wir schon früh gelebt - von Incident-Management über Capacity-Management bis hin zum Business-Relationship-Management", ergänzt Sonne. Dazu gehöre immer auch, den Kunden zu fragen, wie zufrieden er mit den IT-Services ist.
Große Augen machen oft neue Mitarbeiter, die vom ersten Tag an einen voll funktionsfähigen Arbeitsplatz vorfinden. Das klappt, weil die Prozesse dank ISO 20000 durchorganisiert sind. CIO Sonne weiß, dass es in anderen Firmen auch schon mal Wochen dauern kann, bis alle Programme, Berechtigungen und Features auf dem Rechner funktionieren. "Wir wollen schon am ersten Tag einen Wow-Effekt haben", nennt Sonne sein Credo. "Die User Experience ist uns besonders wichtig."
Anstoß kam vom CIO-Kollegen
Zwar führt der Vermittler von Immobilienkrediten schon seit einigen Jahren selbst interne Umfragen durch, doch den Anstoß, sich auch mit anderen zu messen, bekam Sonne bei der Teilnahme am Leadership Excellence Program (LEP), das die Wirtschaftshochschule WHU Vallendar zusammen mit dem CIO-Magazin organisiert. Im Rahmen der sogenannten General-Management-Fortbildung für IT-Führungskräfte erhielt der CIO einen Tipp von einem früheren ITEB-Sieger und entschloss sich mitzumachen.
Dass die Anwender bei der Interhyp tatsächlich zufriedener mit ihrer IT sind als die in anderen Unternehmen, verdeutlicht die hervorragende Note 1,47 für den IT-Service-Desk. Auch hier belegt der Baufinanzierungs-Broker mit einigem Abstand den ersten Platz. Der Mittelwert für alle teilnehmenden Unternehmen liegt bei 2,56.
Auch bei der Auswahl von Soft- und Hardware orientieren sich die IT-Verantwortlichen der Interhyp an Standards. "Wir wählen nicht im Sinne eines Best-of-Breed-Ansatzes die jeweils beste am Markt verfügbare Software, sondern wir fahren eine Low-Vendor- und Low-Software-Strategie", sagt CIO Sonne. Seine IT-Experten schauen also erst, ob die bereits eingesetzte Software nicht Möglichkeiten bietet, um Aufgaben im Rahmen des Standards zu erledigen.
Führungskräfte kommunizieren
Neben Standards und Prozessen spielt das Kommunikationsverhalten der Führungskräfte eine wichtige Rolle. So kommen Winkler und seine Kollegen mehrmals im Jahr an die großen Standorte, um persönlich neue Projekte vorzustellen, aber auch um einen direkten Dialog mit den Usern zu führen. "Wir nehmen dort die Wünsche der Kollegen auf. Das leben wir seit sechs Jahren sehr aktiv, das bringt Nähe", betont Winkler.
Der direkte Kontakt mit den Kollegen liefert dann auch die Punkte, die im kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) aufgegriffen werden. "Kritik ist erwünscht, dazu fordern wir immer auf - seit dem ersten Tag, an dem ich hier arbeite", sagt Winkler. Das belegt die ITEB-Umfrage eindrucksvoll: Die Teilnehmer schalteten sich aktiv ein und füllten 14 Seiten Freitext mit weiterführenden Vorschlägen.
Auch die anderen IT-Mitarbeiter der Interhyp besuchen als Hospitanten immer wieder andere Fachabteilungen sowie einzelne Beratungsteams. Dadurch lernen sie deren Prozesse besser kennen und können später schnell bei Problemen helfen. Das fördert das gegenseitige Verständnis von IT und Business.
Um Probleme schnell lösen zu können, legt CIO Sonne auch großen Wert auf Schulungen. Jeder IT-Mitarbeiter muss einmal jährlich an einer externen Weiterbildung teilnehmen. So steht es in den Zielvereinbarungen. "Wir wollen, dass Mitarbeiter die Kunden aktiv vom Incident bis zur Lösung begleiten", betont Sonne. "Wir haben ein entsprechendes Schulungsbudget, dafür habe ich von Beginn an gekämpft. Nur ein sich ständig fortbildender ITler ist ein guter ITler, weil die Technik ständig voranschreitet."
Aktuelles Wissen brauchen die Mitarbeiter vor allem für die Kernanwendung der Interhyp: die Baufinanzierungs-Plattform eHyp. Über dieses eigenentwickelte System vermitteln die Berater Baufinanzierungen von über 400 Darlehensgebern. Außerdem setzen eine ganze Reihe namhafter Banken und Bausparkassen auf eHyp als Plattform für die Abwicklung ihres Baufinanzierungsgeschäfts. Interhyp agiert hier als Application-Service-Provider (ASP) und Dienstleister. Standards sind dabei weniger gefragt als Cutting-Edge-Technologien und die Individualisierung der selbst entwickelten Baufinanzierungsplattform. "Bei der Baufinanzierungsplattform nehmen wir nur die besten Dinge und Features mit auf, die unseren Finanzberatern und den Banken im ASP-Geschäft helfen", erklärt Sonne die Strategie.
Kacheln nicht anwenderfreundlich
Allerdings schließen sich Standards und Cutting-Edge nicht zwingend aus. So setzt Interhyp bei den Clients auf Microsoft als Standard, führt aber immer das neueste Betriebssystem ein. Gerade läuft der Rollout von Windows 10. "Da sind wir mit die Ersten und machen im Early-Adopter-Programm mit", sagt Sonne. Nur einmal hat sich das Unternehmen von diesem Pfad entfernt, indem es Windows 8 nicht eingeführt hat.
Die neue Kachel-Oberfläche hätte nach Ansicht der IT-Chefs eine zu große Umstellung für die Mitarbeiter bedeutet, und die Anwenderzufriedenheit wäre sicherlich rapide gesunken. Inzwischen hat die IT rund 100 Arbeitsplätze auf Office 2016 migriert, statt Windows 7 kommt Windows 10 zum Einsatz.
Bei mobilem Arbeiten geht noch was
Noch nicht ganz so weit vorne liegt die Interhyp beim mobilen Arbeiten. Bezüglich der Arbeitsplatzausstattung erreicht Interhyp einen Wert von 1,89 und rangiert dort "nur" auf dem zweiten Platz. Der Mittelwert aller Benchmark-Teilnehmer in dieser Kategorie liegt bei 2,45. Das kann der Baufinanzierer gut verschmerzen, befindet er sich doch in allen anderen Kategorien des ITEB-Benchmarks an der Spitze.
Nicht ganz so gut schnitt die Interhyp in den Unterpunkten "Arbeiten mit mobilen Geräten" sowie "Externer Zugriff auf die Systeme" ab. Das hat allerdings gute Gründe: Bei der Baufinanzierung geht es in der Regel um die größte Investition im Leben, bei der die Kunden auch ihre gesamten Vermögensverhältnisse offenlegen. Die Beratung und Betreuung der Kunden erfolgt folglich nicht mobil, sondern in den Beratungsräumen der Niederlassungen und Geschäftsstellen sowie am Arbeitsplatz im Büro.
"Die Kunden und Partner erwarten nicht, dass sie ihr Berater von zu Hause aus kontaktiert. Und wir als Unternehmen vermeiden so, dass ein Berater eventuell auch sensible physische Unterlagen mit nach Hause nimmt", sagt Sonne. Die restriktive Haltung für die Beraterinnen und Berater, die die absolute Mehrheit der Belegschaft stellen, ist also mehr eine Frage der Philosophie, weniger der IT.
End-to-End digitalisieren
Das bedeutet aber keineswegs Stillstand: "Wir wollen sehr bald mit End-to-End-digitalisierten Prozessen ermöglichen, dass der gesamte Beratungsprozess - vom ersten Kundenkontakt bis zur Übergabe der Finanzierung an die Bank - digital geschieht." Zudem versucht die IT, den Mobilitätsanforderungen der Mitarbeiter dort noch besser zu entsprechen, wo es sinnvoll ist.
Dass die Mitarbeiter der Interhyp ihrer IT ein so gutes Zeugnis ausstellen, liegt sicher auch an der Geschichte des jungen Unternehmens. Der Baufinanzierungs-Broker ging im Jahr 2000 zunächst als reine Online-Baufinanzierungs-Plattform an den Markt, heute würde man das Unternehmen wohl als "Fintech" bezeichnen. Erst 2005 lockerte die Interhyp ihren reinen Online-Ansatz und eröffnete die ersten Niederlassungen.
Die IT entstand also auf der grünen Wiese. Es gab keine Legacy-Altlasten, und die Mitarbeiter dachten von Beginn an "digital". Deswegen liegt die generell hohe Wertschätzung für IT im Allgemeinen in der DNA des Unternehmens. "Die IT wurde vom Vorstand immer unterstützt. Daher bekommen wir auch die Budgets für Schulungen, Mitarbeiter und Technik. Ohne diese Unterstützung ginge das alles nicht", meint Sonne.
Positiv wirkt sich auch die Kontinuität an den Schaltstellen der IT aus: Sonne ist schon seit 2001 an Bord, Winkler kam nur ein Dreivierteljahr später dazu. Einen Vorgänger, auf den sie Probleme abwälzen könnten, gibt es also nicht. Sonne und sein IT-Management müssen liefern.
Zukunftswerkstatt gegründet
Damit die Interhyp noch kundennäher agieren kann, hat sie 2015 eine "Zukunftswerkstatt" gegründet. "Sie beschäftigt sich mit neuen Chancen und Herausforderungen im Markt - insbesondere auch aus technologischer Sicht. Wenn daraus dann eine Anforderung für das laufende Geschäft wird, dann sehen wir zu, wie wir das in die IT integrieren können", erläutert Sonne. Hier könnte dann ein Benchmark mit der Kennzahl Time-to-Deliver tatsächlich ein Thema werden.