Klaus-Peter Weiß ist Bereichsleiter IT bei der DAB Bank. Die Münchener Direktbank setzt auf Social Media - und auf fundiertes Wissen über das Bankgeschäft. Auch bei ITlern, wie Weiß im Gespräch mit cio.de berichtet.
Herr Weiß, man hört oft die These, in Deutschland gebe es wenig Standard-Software für Banken, insbesondere in punkto Kernbanken-Systeme, weil Geldinstitute mit historisch gewachsenen Systemen von 30 Jahren und mehr arbeiten. Was denken Sie darüber?
Weiß: Das stimmt so eigentlich nicht. Das Gros der Banken stellen Genossenschaftsbanken und Sparkassen, und diese werden von drei Dienstleistern mit standardisierten Lösungen bedient. Sie fallen bei der üblichen Zählweise allerdings heraus. Was übrig bleibt, sind die privaten Banken, und auf diese trifft es häufig zu. Viele von ihnen plagen sich derzeit mit einem Wechsel auf modernere Systeme.
Worin bestehen die Plagen?
Weiß: Zumindest vom Gefühl her zeigt sich die Systemlandschaft aus vielen individuellen Lösungen sehr komplex. Die Geschäftsmodelle von Banken werden komplizierter, hinzu kommen ständig neue gesetzliche Regularien und Compliance-Vorgaben. Hier einen Business Case für eine Modernisierung oder Standardisierung zu erstellen, der das Top-Management überzeugt, ist schwierig. Das verführt natürlich dazu, weiterzuwursteln wie bisher.
Hat es der IT-Chef einer mittelständischen Bank da leichter als der CIO einer Großbank?
Weiß: Bei einem Mittelständler sind die Wege auf jeden Fall kürzer und die Kontakte direkter. Damit ist es einfacher, Awareness zu schaffen und Nutzen darzustellen.
Glaubt man vielen Beratern, funktioniert die Kommunikation zwischen IT-Chefs einerseits und dem Business andererseits noch immer nicht.
Weiß: Das liegt an den handelnden Personen. Die IT muss den Mehrwert klar kommunizieren.
Wie eignet sich ein IT-Entscheider bei einer Bank das nötige Bank-Wissen an?
Weiß: Zunächst einmal muss jeder Informatiker genug Offenheit und Interesse mitbringen. Dann muss der Arbeitgeber seine Leute auch entsprechend trainieren. Dafür haben wir bei der DAB Bank Ende 2009 eine sogenannte Banking-School aufgesetzt. Hier geht es um eine gezielte Schulung, die wir gemeinsam mit der Frankfurt School of Finance & Management entwickelt haben. Mein Credo: Noch der letzte Netzwerker muss verstehen, womit diese Bank ihr Geld verdient.
Die Tellerrand-Touren der DAB Bank
Wie sieht das konkret aus?
Weiß: In einem mehrtägigen Seminar werden die Grundlagen des Bankgeschäfts sowie des Geschäfts der DAB vermittelt. Darüber hinaus gibt es Hospitanzen in den Fachbereichen. Ich nenne das unsere "Tellerrand-Touren". Da setzen sich dann zum Beispiel Informatiker einen Tag lang ins Call Center und hören unseren Endkunden zu. So lernen sie, zu verstehen, wer unsere Kunden sind. Eine Bank muss ihre Mitarbeiter entwickeln.
Haben Sie Nachwuchs-Sorgen?
Weiß (lacht): Ich hätte nichts gegen mehr Auswahl bei den Bewerbern! Aber im Großen und Ganzen sind genug Nachwuchskräfte da. Unser Vorteil bei der DAB Bank besteht darin, dass die IT bei einer Direktbank ‚extrem cool’ ist. Wir machen ja quasi die Produkte.
Wer ist Ihnen lieber: Informatiker oder Wirtschaftsinformatiker?
Weiß: Ich selbst bin theoretischer Informatiker und habe deshalb meine persönliche Meinung zum Thema. Trotzdem hängt eine Einstellung - ein solides Wissen vorausgesetzt - letztlich von der Persönlichkeit des Bewerbers ab.
Stichwort Direktbank: Marktforscher behaupten, dass die Kundentreue zu einer Bank insbesondere bei den jüngeren Generationen stetig abnimmt. Gibt es irgendwo ein halbes Prozent mehr aufs Sparbuch, wechseln die Verbraucher. Wie sehen Sie das? Was kann die IT tun, um Kunden zu binden?
Weiß: Diese These stimmt schon. Die Menschen werden ja auch mobiler, sie wechseln den Wohnort, und wir als Direktbank sind überall erreichbar, wo es einen Telefonanschluss beziehungsweise einen Internetzugang gibt. Da haben wir gegenüber der klassischen Hausbank mit Filiale einen Vorteil. Andererseits müssen wir gerade als Direktbank aufpassen, dass wir nicht nur an Benchmarks wie eben dem Zinssatz auf das Tagesgeld gemessen werden.
Was kann die IT tun, um Kunden zu binden?
Weiß: Wir versuchen, Kundenbedürfnisse zu identifizieren und zu bedienen. Da haben wir als Direktbank dann wiederum einen Nachteil: Die Leute kommen ja nicht persönlich zu uns an den Schalter, wir sehen sie nie. Also versuchen wir, aus den uns vorliegenden Daten Verhaltensmuster und in der Folge maßgeschneiderte Produkte und Services abzuleiten. Wichtig sind dabei für uns mobile Apps für iPhone und iPad, die wir den Verbrauchern bieten können. Das trägt zur Kundenbindung bei.
Was unternehmen Sie in Sachen Social Media?
Weiß: Wir sind auf Twitter und Youtube aktiv und denken auch über eine Präsenz auf Facebook nach. Außerdem wird in Kürze eine Kooperation mit einem bekannten Börsenportal live gehen, die viele Social-Media-Ansätze enthält.
Glauben Sie, vor dem Hintergrund der IT-Affinität junger Verbraucher kommt irgendwann der Tag, an dem ein Kunde aufgrund der IT-Systeme einer Bank entscheidet, ob er ihr sein Geld anvertraut?
Weiß: Nein, das glaube ich nicht. Ich schätze, auch den jungen Kunden ist es egal, ob die Bank mit Legacys oder der neuesten Standard-Software arbeitet. Wichtig ist: Die Bank muss zum Kunden passen, und das heißt heute auch, sie muss "hip" sein, ihre Angebote müssen im Trend liegen. Wie eben unsere mobilen Apps für iPhone und iPad.
Der IT-Chef einer Bank steht auf drei Säulen
Grundsätzlich: Wo sollte der CIO einer Bank angesiedelt sein? Wie sehen Sie die Rolle eines Banken-CIO heute?
Weiß: Als IT-Chef einer Bank steht man auf drei Säulen: Profundem IT-Wissen, Verständnis für das Geschäftsmodell und - vor dem Hintergrund von Compliance - Kenntnissen des Rechts. Analytisch denkende Naturwissenschaftler können das bewältigen. Berichtet der IT-Chef an den Chief Financial Officer (CFO), besteht die Gefahr, dass die IT zu stark unter dem Kostenaspekt betrachtet wird. Bei einer Direktbank sehe ich den IT-Entscheider eher beim Chief Operation Officer (COO) angesiedelt.