Die Anforderungen, die ein Netzkabel erfüllen muss, haben sich in den vergangenen 25 Jahren erheblich geändert. Auf auffälligsten wird das anhand der Entwicklung der Datenraten: Mitte der 1990er Jahre war 10Base-T mit 10 Mbit/s der Stand der Technik. Derzeit wird über 10 Gbit/s bis zum Arbeitsplatz und 40GBase-T diskutiert. Und bereits 2015 soll 100-Gigabit-Ethernet kommen. Zudem ist absehbar, dass die Trennung von Sprach- und Datennetzen in absehbarer Zeit der Vergangenheit angehören wird. Service Provider wie die Telekom exerzieren dies bereits in ihren Kernnetzen vor. Dort ersetzen paketorientierte Übertragungsverfahren auf Basis von IP die klassische leitungsvermittelnde Infrastruktur. Bis 2018 will die Telekom ihre Netzinfrastruktur in allen Ländern auf IP umstellen.
Ein dritter Trend ist die Integration ("Konvergenz") von verteilten Diensten. Künftig werden Services für die Sprach- und Datenkommunikation die gleiche Infrastruktur nutzen wie Access Points von WLANs, Systeme aus den Bereichen Heizung, Klimatisierung und Gebäudeautomation sowie Stromverteilung und Sicherheit. Die Spezifikation EN 50173 für anwendungsneutrale Kabelsysteme wurde entsprechend um einen Teil 6 ergänzt.
Strukturierte Verkabelung bleibt Standard
Solche Entwicklungen bedeuten jedoch nicht das Ende der klassischen strukturierten Verkabelung, wie sie in den EN-50173-Normen definiert ist. Eine strukturierte Verkabelung gliedert sich in drei Bereiche: Primär-, Sekundär- und Tertiärbereich. Diese Struktur hat sich sowohl in Bürogebäuden als auch Industrieanlagen und bei der Heimvernetzung bewährt:
Primärbereich: Er bezeichnet die Vernetzung von Gebäuden auf einem Campus (Firmengelände). Als Übertragungsmedium kommen meist Glasfasern zum Einsatz. Im Primärbereich angesiedelt sind der Standortverteiler, die Geba?udeverteiler und die Kabel zwischen den Geba?udeverteilern eines lokalen Netzes.
Sekundärbereich: Dies ist die Steigbereichsverkabelung zwischen den einzelnen Etagen eines Gebäudes. Kernelemente sind die Gebäudeverteiler beziehungsweise Standortverteiler. Von diesen laufen Kabel sternförmig zu den Switches (Etagenverteilern) in jedem Stockwerk.
Tertiärbereich: Der Tertiärbereich ist die horizontale Stockwerkverkabelung, also die Verkabelung innerhalb der Stockwerke eines Gebäudes (Etagenverkabelung). Dieser Bereich umfasst die Kabel vom Stockwerkverteiler zu den Anschlussdosen und die Anschlussdosen selbst. Die eingesetzten Kabelarten sind Twisted-Pair-Kabel, bei Fiber to the Desk (Anbindung von Arbeitsplätzen mittels Lichtwellenleitern) auch Glasfaserkabel.
Neue Norm für "Smart Buildings"
An dieser klassischen Aufteilung wird sich im Grundsatz nichts ändern. Allerdings ist es bei der Planung oder dem Bezug eines neuen Büro- oder Industriegebäudes empfehlenswert, einen Blick auf eine Ergänzung der bislang fünf EN-50173-Spezifikationen zu werfen, in denen die Richtlinien für eine anwendungs- und herstellerneutrale Verkabelungsinfrastruktur festgelegt sind. Diese Vorgaben wurden 2013 um Teil 6 erweitert. Er trägt der Entwicklung von privaten und Geschäftsgebäuden in Richtung "Smart Home" beziehungsweise "Smart Building" Rechnung. Ein Element dieser Evolution ist, dass in geschäftlich genutzten Gebäuden immer mehr dezentrale Dienste anzutreffen sind: WLANs, neuerdings auch private Mobilfunk-Netze auf Grundlagen von Standards wie LTE (Long Term Evolution), Systeme für die Gebäudeleittechnik, HVAC-Komponenten (Heating, Ventilation, Air Conditioning), Stromablesegeräte ("Smart Metering") und Überwachungskomponenten wie Videokameras und Türschließsysteme.
Ein Problem besteht darin, dass solche Anwendungen Sensoren, Messfühler, Aktoren und Komponenten verwenden, die sich häufig an schwer zugänglichen Orten befinden. Das kann ein Heizungsraum sein, eine Türschließanlage, aber auch eine IP-Videokamera und ein WLAN-Access-Point im Außenbereich. In diesem Fall ist nicht nur eine möglichst flexible Datenvernetzung erforderlich, sondern häufig auch die Option, diese Endgeräte über das Datenkabel mit Strom versorgen zu können (Power over Ethernet, PoE).
Folgt man der Empfehlung EN 50173-6 werden zwei Architekturen:Typ A und Typ B, beide auf Basis von Twisted-Pair-Kabeln oder Lichtwellenleitern. Typ A nutzt dieselben Übertragungsstrecken (Channel Models) wie eine normale strukturierte Verkabelung. Im Unterschied dazu können jedoch Endgeräte auch direkt, also ohne Anschlussdose, mit dem Kabel verbunden werden. Dies ist vor allem für Systeme im Außenbereich oder in "rauen" Umgebungen wie Industriegebäuden von Vorteil. Dort sind Anschlussdosen und entsprechende Stecker problematisch, weil sie leicht verschmutzen oder ungünstigen Witterungsbedingungen wie Regen und Staub ausgesetzt sein können.
Auch Typ B weist eine Besonderheit auf: Diese so genannte "Versorgungsbereichs-Anschlussverkabelung" bis zum Service Concentration Point (SCP) muss nicht, sternförmig ausgelegt sein, wie das EN 50173 ansonsten vorgibt. Sie kann als Bus, Ring oder Baum ausgeführt werden. Dadurch ist es möglich, Systeme aus dem Bereich Gebäudeautomation einzubinden. Die anderen Vorgaben orientieren sich an den anderen EN-50173-Spezifikationen. So sind Lichtwellenleiter und Kupferkabel ab Klasse D (100 Hz) zulässig. Je nach Umgebung, in der die Endgeräte zum Einsatz kommen, sind geschirmte Kupferkabel zu empfehlen, etwa S/FTP- oder F/UTP-Kabel (Screened / Foiled Twisted Pair, Foiled /Unshielded Twisted Pair). Bei Kupferkabeln darf die maximale Distanz zwischen Verteilfeld und Endgerät, etwa einer IP-Kamera, 100 Meter betragen.
Turbo-WLAN 802.11ac erfordert Gigabit/s-Verkabelung
Ein Punkt, der bei der Planung beziehungsweise Anpassung einer Netzverkabelung oft übersehen wird, ist die Auswirkung der verstärkten Nutzung von High-Speed-Wireless-LANs (WLANs) im Unternehmen. Der Standard IEEE 802.11ac, den mittlerweile alle neueren Notebooks unterstützten, ermöglicht zumindest in der Theorie Datenraten von 6,93 GBit/s. Zum Vergleich: Der Vorgängerstandard IEEE 802.11n kommt auf etwas mehr als 570 MBit/s. Derzeit sind auf dem Markt mobile Rechner, Tablet-Systeme und High-End-Smartphones wie das iPhone 6 und das Samsung Galaxy Note erhältlich, die mehrere 100 MBit/s unterstützen. Ab 2015 ist eine zweite Welle von Produkten zu erwarten. High-End-Notebooks sollen dann IEEE 802.11ac mit mehr als 2,6 GBit/s unterstützen. Bei Tablets und Smartphones sind es rund 870 MBit/s.
Für die drahtgebundene Infrastruktur hat das erhebliche Folgen. Denn um einen 802.11ac-Access-Point anzubinden, wären dann zwei 1-GBit/s-Verbindungen erforderlich. Dies bedeutet, dass zumindest Uplinks mit 10 GBit/s eingesetzt werden müssen. Verwendet oder benötigt ein Unternehmen viele Access Points auf Basis von IEEE 802.11ac, sind selbst 10-GBit/s-Verbindungen zu klein dimensioniert. In diesem Fall muss die Uplink-Verkabelung für 40 GBit/s hin ausgelegt werden.
Hinzu kommt ein weiterer Faktor: Die Stromversorgung der Access Points. Sie benötigen wenigstens 30 W. Soll somit eine 802.11ac-AP (Access Point) über die Datenverkabelung gespeist werden, muss diese PoE+ unterstützen. In Kabelkanälen, über die mehrere Leitungen geführt werden, kann das nach Angaben des Kabelspezialisten Siemon zu einer Erhitzung der Kabel und Schäden an den Steckverbindern führen.
Um für die wachsenden Anforderungen durch High-Speed-Funknetze gerüstet zu sein, sollten Gebäude daher mit einer strukturierten Verkabelung ausgestattet sein, die Datenraten von 10 GBit/s oder 40 GBit/s unterstützt. Für 10 GBit/s kommen 10GBase-T-Versionen wie Cat 6A beziehungsweise Cat 6A Class EA in Betracht. Anbieter wie Reichle & De Massari oder Siemon favorisieren Cat-7A Class FA mit einer maximalen Frequenz von 1000 MHz. Dieser Kabeltyp ist für 10GBase-T, 40GBase-T und in eingeschränktem Maße auch für den kommenden Standard 100GBase-T ausgelegt.
Fazit
Trends wie die Integration der Gebäudeautomation oder der Ausbau von Hochleistungs-Funknetzen haben so direkt Auswirkungen auf die Netzwerkinfrastruktur. Ebenso erfordert die zunehmende Versorgung von Endgeräten mit Strom via Datenkabel eine Weiterentwicklung der Kabelinfrastruktur. Mit den Standards für 10GBase-T- und 40GBase-T-Kabel sind die entsprechenden Grundlagen gelegt. Auch die entsprechenden Steckverbindungen, Patch-Felder und andere Komponenten sind verfügbar. Einer Migration vorhandener Kabelinfrastrukturen hin zu einem zukunftsorientierten Netzwerk steht somit nichts im Wege.