In der Röhn laufen die Informationsfäden der Autoindustrie zusammen: In Fulda hat das Unternehmen Edag Engineering und Design seinen Hauptsitz, das mit 3500 Mitarbeitern Designs, Prototypen und Fertigungsanlagen für Daimler-Chrysler, General Motors, Volkswagen und eine Reihe weiterer Hersteller entwickelt.
Zur Person: Achim Feyhl (40), Studium Wirtschaftsingenieurwesen in Offenburg, Aufbaustudien in Volkswirtschaft, Soziologie und Psychologie, bis 1999 Berater beim Softwarehaus Baan, bis 2001 Bereichsmanager Professional Services bei Computer Associates, seit Ende 2001 CIO bei Edag, verheiratet, fünf Kinder
Die Edag-Prozesskette umfasst 18 Einzelglieder, unterteilt in die Entwicklung von Fahrzeugen bis hin zu fahrfertigen Prototypen und zur Lieferung schlüsselfertiger Autofabriken. "Das Schnitzen von Modellen wird immer weniger", sagt CIO Achim Feyhl. Karosserien entstünden künftig nur noch in dreidimensionalen Simulationen per Digital Mock-up. Das jüngste Vorzeigeobjekt von Edag ist das bisher spektakulärste: das Showcar "Cinema 7d" - ein siebensitziges Konzeptauto mit drei kinoartig ansteigenden Sitzreihen, das im März auf dem Genfer Automobilsalon zu sehen war und rege Diskussionen über die Zukunft der Mehrzweckfahrzeuge auslöste.
Weniger spektakulär, aber mindestens ebenso rege geht es hinter den Kulissen zu, wo Feyhl die IT-Fäden zieht. "Wir haben wahrscheinlich alle CAx-Systeme im Einsatz, können somit alle Kunden bedienen", behauptet der CIO, ohne damit zu übertreiben. Das sei einerseits ein Erfolgsfaktor, denn wer für die Autoriesen arbeite, müsse sich besonders bei der technischen Anbindung an die OEMs, wie die Originalmarkenhersteller in der Branche heißen, nach vielen Decken strecken. Andererseits stellt sich für den CIO natürlich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit.
Hunderte von Schnittstellen
"Zusammen mit der Tatsache, dass wir bei der IT-Durchdringung der Prozesse nur von Banken und Versicherungen übertroffen werden, sind die Schnittstellen zu den OEMs der Grund für die hohen IT-Kosten", sagt Feyhl. Als er Ende 2001 zu Edag kam, beliefen sich die IT-Ausgaben auf mehr als zehn Prozent der Gesamtleistung des Unternehmens - ein Wert, der den CIO eines Produktionsunternehmens in kurzer Zeit den Job kosten würde. Die Edag-Ingenieure dagegen hantieren wohl oder übel mit einem ebenso beeindruckenden wie teuren Arsenal von Systemen und Anwendungen. Insgesamt 51 Konstruktions-, Datenmanagement- und Planungslösungen sind im Einsatz; dazu kommen die betriebswirtschaftlichen Anwendungen. Die Zahl der technischen Schnittstellen zu den Partnern siedelt Feyhl selbst im "hohen dreistelligen Bereich" an; Zielvorgabe sei eine "niedrige zweistellige" Zahl.
Demokratisch gepufferte Budgetmacht
Feyhl hat ein Verfahren eingeführt, das für kontinuierliche Verbesserungen beim Ineinandergreifen von Business und IT sorgen soll: In einem Kompetenzzentrum sitzen einerseits die Prozesseigentümer - also Fachbereichsleiter und als ihr verlängerter Arm die Key User - und andererseits IT-Leute, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Um keinen ineffizienten Debattierzirkel entstehen zu lassen, gibt es Abstimmungs- und Mitwirkungspflichten; das Gremium muss also in bestimmten Zeitrahmen zu Ergebnissen kommen und für jedes Vorhaben einen Business Case rechnen. Feyhl schildert ein Beispiel: "Wenn sich das Kompetenzzentrum mit einem Thema aus dem Bereich Produktentwicklung befasst, dann sitzt der Fachbereichsleiter Produktentwicklung mit am Tisch. Er verantwortet alle Prozesse in diesem Bereich, inklusive der Entwicklung von Interieurs und Rohkarossen." Ganz wichtig seien die Key User. Sie sitzen in Fachabteilungen, arbeiten aber mit den IT-Leuten an einer Lösung. "Die Key User bilden die Schnittstelle zwischen IT-Leuten und Fachabteilung", erläutert Feyhl. "Sie verstehen die Geschäftsprozesse; wenn Edag ein Konzern wäre, könnte man sie als Bereichs-CIOs bezeichnen."
Auf das Kompetenzzentrum ist der CIO besonders stolz. Nach seinem bisher größten Erfolg gefragt, führt er die Einführung dieser Plattform an - und zwar "ohne Zwang, nur durch Überzeugung". Die im ersten Geschäftsjahr seiner Arbeit erzielten Ersparnisse hätte es ohne das Kompetenzzentrum nicht gegeben. Feyhls Position in dieser Runde läuft auf eine demokratisch gepufferte Budgetmacht hinaus: Jedes IT-Investment muss von ihm abgezeichnet werden; gegen den Willen der Prozesseigentümer und Key User kann er aber keine Softwareauswahl durchsetzen oder gar eine vorhandene Lösung etwa aus Kostengründen aus dem Verkehr ziehen. Das funktioniert nach Ansicht des CIOs ganz gut; zumindest habe es bei Uneinigkeiten "noch nie eine Eskalation bis zum Vorstand" gegeben.
Hinter den Kulissen rappelt es dagegen hin und wieder. Feyhl spricht nicht gern davon, weil er offenkundig ein Freund von Harmonie ist. Aber wenn ihn etwas aufregt, dann sind es "Inkonsequenz und Ignoranz", sind es Leute, die "bei allem ein bisschen mitreden, aber meist nur mit gefährlichem Halbwissen argumentieren". Man kann sich vorstellen, dass er innerlich ein paar Konflikte dieser Art noch mal erlebt, denn er gestikuliert kurzzeitig heftig. Die konkreteste Aussage ist indes die, dass es in Sitzungen des Kompetenzzentrums "schon mal recht laut" zugehe. Aber so etwas komme nun mal in den besten Firmen und Familien vor, beschwichtigt der CIO.
Der Blick auf die Röhn aus dem Panoramafenster seines Büros kann ihn von Streitereien kaum ablenken. Das liegt nicht nur daran, dass Feyhl den heimischen Schwarzwald dem hessischen Mittelgebirge vorzieht. "Das kann man überhaupt nicht vergleichen", seufzt er. Der wichtigere Grund sind vier je anderthalb Meter lange Papierstreifen, die gegenüber von seinem Schreibtisch die Wand herunterhängen, immer mitten im Blickfeld. Darauf sind mehr als 200 "committede Potenziale" in Form von Plan- und Projektdaten aufgelistet. Übersetzt bedeutet das: Hier liegen Verbesserungsmöglichkeiten in Prozessen, deren Eigentümer gesagt haben: "Jawohl, das traue ich mir zu." Voraussetzung bei allem: eine geeignete IT-Unterstützung.
Controlling nach dem Lehrbuch
Die Potenzialanalyse, aus der die sechs laufenden Meter Papier entstanden sind, gehörte zu Feyhls ersten Amtshandlungen bei Edag. Man kann sich den Nachdruck vorstellen, mit dem er dabei zu Werke ging. Schließlich hat er das Thema bereits in seiner ganzen Komplexität theoretisch aufgearbeitet und daraus mit seinem Bruder Eckhardt ein Buch gemacht; Titel: "Management und Controlling von Softwareprojekten". Momentan läuft Feyhl mit einem von Korrekturzeichen übersäten Exemplar durch die Gegend; die zweite Auflage ist in Vorbereitung. Man darf davon ausgehen, dass darin Erfahrungen aus den acht jährlichen Tagungen des IT-Controlling-Gremiums von Edag einfließen werden, wo Einkauf, Controlling, IT und Key User zusammensitzen.
Feyhls Familie lebt mit den fünf Kindern in Oberkirch nahe Offenburg im Schwarzwald. Die Arbeit am Big Picture der Edag-IT gehe ihm im Homeoffice leichter von der Hand, sagt er. Beides hat insofern miteinander zu tun, als Feyhl mindestens einen Tag pro Woche zu Hause arbeitet statt in Fulda. Prozesse, die mit guter Organisation virtuell ablaufen können, haben es ihm angetan. "In virtuellen Projekträumen darf der Arbeitserfolg nicht vom Ort abhängen", sagt Feyhl. "Wenn das für Ingenieure und IT-Kollegen gilt, warum dann nicht auch für den CIO?" Wer die Fäden im Griff hat, muss nicht auf dem Knoten sitzen.