Silodenken und starre Prozesse

Woran Digitalisierung scheitert

10.12.2015 von Werner Kurzlechner
Nur Reden statt handeln. In vielen Unternehmen herrschen immer noch alte Methoden und Sichtweisen vor, so eine Studie von Hays und PAC. Immerhin: Die IT ist besser aufgestellt als andere Abteilungen.
  • F&E leidet stärker unter Kostendruck als IT
  • Silodenken und Akzeptanzmängel bremsen Wandel aus
  • Projekte scheitern an unrealistischer Planung
  • Anteil externer Mitarbeiter steigt
Digitale Herausforderung: "Mit der aktuellen Betriebsstruktur stehen sich Unternehmen im digitalen Zeitalter nun selbst im Weg", meinen die Studienautoren.
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Der Veränderungsdruck ist allenthalben spürbar, aber viele Menschen mögen eines offensichtlich so gerne wie die Pest: Veränderungen. Das ist in Zeiten der im Turbotempo aufeinander folgenden Krisen - von der Weltwirtschaft über die Weltsicherheit bis hin zum zerstrittenen und blockierten Europa - eine aktuell offensichtliche Gesellschaftsdiagnose. Sie gilt ebenso für die Arbeitswelt und viele Unternehmen.

Vor diesem Hintergrund ist der Befund einer aktuellen Studie von Pierre Audoin Consultants (PAC) und von der Personalberatung Hays vielleicht gar nicht so negativ zu bewerten, wie er in Teilen wirkt: Das Gros der hiesigen Firmen hat die Herausforderung der digitalen Transformation bei weitem noch nicht bewältigt; aber immerhin sind die meisten Unternehmen mittendrin in notwendigen Veränderungsprozessen.

Digitalisierung vorherrschender Trend

Ganz gut aufgestellt im Vergleich mit anderen Unternehmensbereichen - so viel lässt sich klar sagen - ist die IT. 225 Fachbereichsleiter aus Unternehmen diverser Größen wurden für die Studie "Von starren Prozessen zu agilen Projekten. Unternehmen in der digitalen Transformation" befragt. Ein Drittel davon sind IT-Experten, jeweils ein weiteres Drittel kommt aus der Forschung und Entwicklung beziehungsweise aus dem Bereich Finance & Accounting.

Die digitale Transformation ist für die IT-Profis mit 35 Prozent Nennungen der Trend mit den größten Auswirkungen. Das gilt mit leicht schwächerer Quote auch für die Studienteilnehmer aus dem Fachbereich Finanzen, während nur jeder Zehnte Forschungsleiter das Thema nannte. Die Forscher und Entwickler sind offenbar immer noch gefangen im Problemfeld des steigenden Preis- und Kostendrucks - angeführt von 46 Prozent der Befragten. Die IT steht hier mit lediglich 27 Prozent deutlich komfortabler dar. Als drittwichtigsten Trend nannte ein Fünftel der IT-Befragten die Beschleunigung bei der Produkt- und Technologieentwicklung.

Unternehmen in der digitalen Transformation
Digitaler Vorreiter IT
Im Vergleich zu anderen Fachbereiche wie Finance und vor allem Forschung & Entwicklung ist die Digitalisierungspriorität in der IT hoch. Der Kostendruck erscheint zudem weniger ausgeprägt.
Druck zur Anpassung
Gerade auch in der IT herrscht hoher Anpassungsdruck an neue Anforderungen. Auch der Innovationsdruck ist hoch.
Es hapert an Durchlässigkeit
Mehr Flexibilität, Agilität, Durchlässigkeit und Vernetzung predigen die Studienautoren. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung zeigen, dass die Umsetzung offenbar noch Zeit braucht.
Silodenken und Akzeptanzmangel
Die Übersicht zeigt, woran die Umsetzung der für die Digitalisierung wichtigen Maßnahmen scheitert. Auch fehlende Unterstützung der Unternehmensspitze zählt zu den Hürden.
Projektmodus an
Laut Studie werden immer Arbeiten innerhalb von Projekten erledigt. Bei der Implementierung von Lösungen und Prozessen ist Projektarbeit in besonderem Maße zum Standard geworden.
Planungen oft unrealistisch
In der Studie gibt es auch Antworten auf die Dauerbrennerfrage, woran Projekte eigentlich scheitern. Am häufigsten genannt: Planungsversagen.
Know-how von außen
Hays und PAC diagnostizieren, dass die Abteilungen immer öfter auf externe Mitarbeiter und Dienstleister zurückgreifen. Die Grafik zeigt, dass auch hier die IT Vorreiter ist.

Insgesamt sagen 62 Prozent der Befragten, die digitale Transformation habe starke oder sogar sehr starke Auswirkungen auf die Fachbereiche. Das bedeutet im Vergleich den dritten Rang, mit geringem Abstand zur Spitze. Allerdings gehen nur 17 Prozent der Studienteilnehmer von sehr starken Folgen aus, während das 31 Prozent beim Trendthema Kostendruck so sehen.

Behindert wird die Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen nach Angaben von 72 der Befragten durch Silo- und Konkurrenzdenken der Fachbereiche. 65 Prozent sagen, das Kerngeschäft nehme zu viel Zeit in Anspruch. 55 Prozent führen die geringe Akzeptanz von Veränderungen bei Mitarbeiten an, 50 Prozent die fehlende Bereitschaft von Führungskräften zur Umsetzung neuer Konzepte.

Silo-Denken vor allem in Großunternehmen

Besonders virulent ist das Silodenken in Großunternehmen mit mindestens 2000 Mitarbeitern. 83 Prozent der Befragten aus diesen Firmen benennen das Problem. Hays und PAC berichten, dass in diesen Firmen in der jüngeren Vergangenheit der Umbau der Fachbereiche zu Profitcentern im Mittelpunkt gestanden habe. "Der internen Vernetzung wurde dagegen nur wenig Beachtung geschenkt", heißt es in der Studie. "Mit der aktuellen Betriebsstruktur stehen sich Unternehmen im digitalen Zeitalter nun selbst im Weg."

Insgesamt 90 Prozent der Fachbereichsverantwortlichen halten laut Studie die Schaffung durchlässiger Organisationsstrukturen oder die Umsetzung flexiblerer Steuerungsmechanismen für sinnvoll. "Diese Maßnahmen wurden bislang aber in nur weniger als 20 Prozent der Fachbereiche vollständig umgesetzt", konstatieren die Autoren. "In jedem fünften Fachbereich wurde die Umsetzung noch nicht einmal gestartet."

Ganz so trübe erscheinen die in der Studie enthaltenen Zahlen hierzu indes nicht. Die Maßnahmen - unter anderem auch die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit bei Innovationen oder die Förderung von Projektarbeit - werden in der Regel von über der Hälfte, teilweise sogar von zwei Dritteln der Firmen zumindest teilweise umgesetzt. Hinzu kommt ein variierender Anteil von vollständiger Umsetzung, so dass sich in der Tat nicht einmal jedes fünfte Unternehmen dem Veränderungsdruck noch komplett widersetzt.

Immer mehr übergreifende Projekte

Auch in diesem Bereich ist die IT Vorreiter. Die Wachstumsrate lag in den vergangenen zwei bis drei Jahren bei überdurchschnittlichen 64 Prozent. Mit 45 Prozent liegt der Anteil der Arbeitszeit für Projektarbeit höher als in den Forschungsabteilungen mit 39 Prozent und in den Finanzabteilungen mit lediglich 21 Prozent.

Im Zuge der Digitalisierung nehme insbesondere die Anzahl der abteilungsübergreifenden Projekte zu, schreiben die Studienautoren: "So sind klassische IT- und Entwicklungsprojekte längst nicht mehr nur die Sache von IT- und Entwicklungsabteilungen, wie die hohen Anteile der an Projekten zu diesen Themen mitwirkenden Fachbereiche belegen."

Wie man das Team in die Digitalisierung mitnimmt
Achillesferse der Digitalisierung
In dem Papier "Being digital: Embrace the future of work and your people will embrace it with you" bezeichnet Accenture die Belegschaft eines Unternehmens als "Achillesferse" der Digitalisierung. Das Papier basiert auf Angaben von rund 700 Entscheidern weltweit sowie circa 2.500 Angestellten.
Befürchtungen der Mitarbeiter
Eine Mehrheit von 70 Prozent der Angestellten befürchtet den Verlust von Teamgeist, wenn die Kollegen per Fernzugriff arbeiten und nicht mehr ins Büro kommen. Etwa jeder Achte (zwölf Prozent) erwartet, seine Job-Aussichten werde sich durch die Digitalisierung negativ entwickeln.
Vorteile der Digitalisierung
Gleichzeitig erwarten die Angestellten aber auch Vorteile in den Punkten Innovationsfähigkeit ihres Unternehmens (71 Prozent), Agilität (69 Prozent) und Produktivität (68 Prozent). Insbesondere jüngere Befragte mit überdurchschnittlich hoher Qualifikation sehen die Vorteile der Digitalisierung – "wenig überraschend", wie Accenture schreibt.
Katalog digitaler Skills
Accenture rät Entscheidern, einen Katalog mit den benötigten digital Skills samt dem jeweiligen Kompetenzniveau zu erstellen.
Keine Nebensache
Entscheider dürfen das Thema Mitarbeiter nicht als Nebenschauplatz behandeln, so der Appell von Accenture. Sie brauchen eine "Test and learn"-Mentalität.

Viele gescheiterte Projekte

Von gescheiterten Projekten konnten drei Viertel der Befragten aus eigener unschöner Erfahrung berichten. 72 Prozent nennen eine unrealistische Projektplanung als wichtigen Grund für das Scheitern, 67 Prozent das Verschleppen wichtiger Entscheidungen und 64 Prozent die mangelnde Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Fachbereichen.

Den Anteil Externer in Relation zu den Festangestellten schätzen die befragten Entscheider auf 11 Prozent. Sie gehen davon aus, dass er sich in den nächsten zwei Jahren um 10 bis 20 Prozent erhöhen wird. Auch hier erscheint die IT als die am weitesten entwickelte Abteilung. 56 Prozent der befragten IT-Führungskräfte haben im vergangenen Jahr mit externen Dienstleistern zusammengearbeitet; im Gesamtdurchschnitt waren das nur 43 Prozent. Überdurchschnittlich ist auch der Anteil von 17 Prozent, die von einem sinkenden Anteil externer Spezialisten in den kommenden Jahren ausgehen.

Lieber diskutieren statt handeln

Viele Unternehmen diskutierten zwar über den digitalen Wandel, schlussfolgert Christoph Niewerth, Vorstand der Hays AG, aus den Studienergebnissen. "In der Realität dominiert aber noch die alte Welt mit ihren herkömmlichen Sichtweisen, Methoden und Abläufen", so Niewerth. "Hier ist frisches Denken mehr denn je angesagt, um sich auf den dynamischen Märkten zu behaupten."