Der Veränderungsdruck ist allenthalben spürbar, aber viele Menschen mögen eines offensichtlich so gerne wie die Pest: Veränderungen. Das ist in Zeiten der im Turbotempo aufeinander folgenden Krisen - von der Weltwirtschaft über die Weltsicherheit bis hin zum zerstrittenen und blockierten Europa - eine aktuell offensichtliche Gesellschaftsdiagnose. Sie gilt ebenso für die Arbeitswelt und viele Unternehmen.
Vor diesem Hintergrund ist der Befund einer aktuellen Studie von Pierre Audoin Consultants (PAC) und von der Personalberatung Hays vielleicht gar nicht so negativ zu bewerten, wie er in Teilen wirkt: Das Gros der hiesigen Firmen hat die Herausforderung der digitalen Transformation bei weitem noch nicht bewältigt; aber immerhin sind die meisten Unternehmen mittendrin in notwendigen Veränderungsprozessen.
Digitalisierung vorherrschender Trend
Ganz gut aufgestellt im Vergleich mit anderen Unternehmensbereichen - so viel lässt sich klar sagen - ist die IT. 225 Fachbereichsleiter aus Unternehmen diverser Größen wurden für die Studie "Von starren Prozessen zu agilen Projekten. Unternehmen in der digitalen Transformation" befragt. Ein Drittel davon sind IT-Experten, jeweils ein weiteres Drittel kommt aus der Forschung und Entwicklung beziehungsweise aus dem Bereich Finance & Accounting.
Die digitale Transformation ist für die IT-Profis mit 35 Prozent Nennungen der Trend mit den größten Auswirkungen. Das gilt mit leicht schwächerer Quote auch für die Studienteilnehmer aus dem Fachbereich Finanzen, während nur jeder Zehnte Forschungsleiter das Thema nannte. Die Forscher und Entwickler sind offenbar immer noch gefangen im Problemfeld des steigenden Preis- und Kostendrucks - angeführt von 46 Prozent der Befragten. Die IT steht hier mit lediglich 27 Prozent deutlich komfortabler dar. Als drittwichtigsten Trend nannte ein Fünftel der IT-Befragten die Beschleunigung bei der Produkt- und Technologieentwicklung.
Insgesamt sagen 62 Prozent der Befragten, die digitale Transformation habe starke oder sogar sehr starke Auswirkungen auf die Fachbereiche. Das bedeutet im Vergleich den dritten Rang, mit geringem Abstand zur Spitze. Allerdings gehen nur 17 Prozent der Studienteilnehmer von sehr starken Folgen aus, während das 31 Prozent beim Trendthema Kostendruck so sehen.
Behindert wird die Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen nach Angaben von 72 der Befragten durch Silo- und Konkurrenzdenken der Fachbereiche. 65 Prozent sagen, das Kerngeschäft nehme zu viel Zeit in Anspruch. 55 Prozent führen die geringe Akzeptanz von Veränderungen bei Mitarbeiten an, 50 Prozent die fehlende Bereitschaft von Führungskräften zur Umsetzung neuer Konzepte.
Silo-Denken vor allem in Großunternehmen
Besonders virulent ist das Silodenken in Großunternehmen mit mindestens 2000 Mitarbeitern. 83 Prozent der Befragten aus diesen Firmen benennen das Problem. Hays und PAC berichten, dass in diesen Firmen in der jüngeren Vergangenheit der Umbau der Fachbereiche zu Profitcentern im Mittelpunkt gestanden habe. "Der internen Vernetzung wurde dagegen nur wenig Beachtung geschenkt", heißt es in der Studie. "Mit der aktuellen Betriebsstruktur stehen sich Unternehmen im digitalen Zeitalter nun selbst im Weg."
Insgesamt 90 Prozent der Fachbereichsverantwortlichen halten laut Studie die Schaffung durchlässiger Organisationsstrukturen oder die Umsetzung flexiblerer Steuerungsmechanismen für sinnvoll. "Diese Maßnahmen wurden bislang aber in nur weniger als 20 Prozent der Fachbereiche vollständig umgesetzt", konstatieren die Autoren. "In jedem fünften Fachbereich wurde die Umsetzung noch nicht einmal gestartet."
Ganz so trübe erscheinen die in der Studie enthaltenen Zahlen hierzu indes nicht. Die Maßnahmen - unter anderem auch die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit bei Innovationen oder die Förderung von Projektarbeit - werden in der Regel von über der Hälfte, teilweise sogar von zwei Dritteln der Firmen zumindest teilweise umgesetzt. Hinzu kommt ein variierender Anteil von vollständiger Umsetzung, so dass sich in der Tat nicht einmal jedes fünfte Unternehmen dem Veränderungsdruck noch komplett widersetzt.
Immer mehr übergreifende Projekte
Auch in diesem Bereich ist die IT Vorreiter. Die Wachstumsrate lag in den vergangenen zwei bis drei Jahren bei überdurchschnittlichen 64 Prozent. Mit 45 Prozent liegt der Anteil der Arbeitszeit für Projektarbeit höher als in den Forschungsabteilungen mit 39 Prozent und in den Finanzabteilungen mit lediglich 21 Prozent.
Im Zuge der Digitalisierung nehme insbesondere die Anzahl der abteilungsübergreifenden Projekte zu, schreiben die Studienautoren: "So sind klassische IT- und Entwicklungsprojekte längst nicht mehr nur die Sache von IT- und Entwicklungsabteilungen, wie die hohen Anteile der an Projekten zu diesen Themen mitwirkenden Fachbereiche belegen."
Viele gescheiterte Projekte
Von gescheiterten Projekten konnten drei Viertel der Befragten aus eigener unschöner Erfahrung berichten. 72 Prozent nennen eine unrealistische Projektplanung als wichtigen Grund für das Scheitern, 67 Prozent das Verschleppen wichtiger Entscheidungen und 64 Prozent die mangelnde Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Fachbereichen.
Den Anteil Externer in Relation zu den Festangestellten schätzen die befragten Entscheider auf 11 Prozent. Sie gehen davon aus, dass er sich in den nächsten zwei Jahren um 10 bis 20 Prozent erhöhen wird. Auch hier erscheint die IT als die am weitesten entwickelte Abteilung. 56 Prozent der befragten IT-Führungskräfte haben im vergangenen Jahr mit externen Dienstleistern zusammengearbeitet; im Gesamtdurchschnitt waren das nur 43 Prozent. Überdurchschnittlich ist auch der Anteil von 17 Prozent, die von einem sinkenden Anteil externer Spezialisten in den kommenden Jahren ausgehen.
Lieber diskutieren statt handeln
Viele Unternehmen diskutierten zwar über den digitalen Wandel, schlussfolgert Christoph Niewerth, Vorstand der Hays AG, aus den Studienergebnissen. "In der Realität dominiert aber noch die alte Welt mit ihren herkömmlichen Sichtweisen, Methoden und Abläufen", so Niewerth. "Hier ist frisches Denken mehr denn je angesagt, um sich auf den dynamischen Märkten zu behaupten."