"Der IT wird manchmal eine fast magische Fähigkeit zugetraut, die Behörden wirtschaftlicher und effektiver zu machen", sagt Wolfgang Zink aus der Geschäftsleitung des Beraters Booz & Co., München. Die Consultants haben in der Studie "IT-Programme im öffentlichen Sektor" untersucht, inwieweit Behörden Modernisierung gelingt. Fazit: Das Gesamtprojekt IT-Modernisierung zerfällt in Einzelbaustellen. Reformen werden in Teilmaßnahmen zerlegt, die im Endeffekt selten zusammenpassen. So macht sich denn auch "häufig schon nach kurzer Zeit Ernüchterung breit", wie Zink sagt.
Booz & Co. sehen dabei nicht nur IT-Entscheider in der Pflicht, sondern die gesamte Organisation. Die wichtigsten Weichenstellungen erfolgen in den Bereichen IT-Landschaft und Verfahren, Infrastruktur und Technologie, Organisation und Personal sowie Steuerung und Prozesse.
Dazu ein paar Zahlen: Beim Thema Organisation stellt Booz fest, dass heute viele unterschiedliche Standorte bestehen. Es gibt zu viele Hierarchieebenen und die Kosten für die Administration sind hoch. Als Erfolgskriterien gelten eine Standorteinsparung von 65 Prozent und eine Reduktion der Hierarchieebenen um die Hälfte. Administrationskosten sollten um zehn bis 20 Prozent sinken. Außerdem sollten alle Standorte über eine einheitliche Support-Struktur verfügen.
Zum Thema IT/Technologie kritisiert Booz, dass immer noch zu viele Prozesse Papier-basiert laufen und bisher zu wenig Automatisierung stattgefunden hat. Außerdem sind Kundenschnittstellen zu selten mit Back-End-Systemen verbunden. Ziel ist, die Verfügbarkeit von Systemen zu steigern. Die Response-Zeit der Alt-Systeme sollte von 30 auf sieben Sekunden reduziert werden. 95 Prozent aller Systeme müssen ständig verfügbar sein.
IT-Entscheider müssen mit Blick auf eine langfristige Perspektive an zwei Punkten die Weichen stellen. Zum Einen geht es um die Leistungstiefe, die sie erbringen wollen. Dabei spielen auch exogene Faktoren wie Durchschnittsalter der Belegschaft und deren IT-Kompetenzen eine Rolle. Zum anderen muss der IT-Chef austarieren, wie zentral oder dezentral die IT gesteuert werden soll.
Die Berater beschäftigen sich in ihrer Analyse auch mit der Frage, ob Ämter und Behörden eigene IT-Systeme entwickeln oder bestehende verwenden sollen. Ihre These: Das Entwickeln individueller Software ist nur in Einzelfällen sinnvoll und wirtschaftlich. In der Regel lassen sich auch sehr spezifische Geschäftsprozesse durch das Anpassen von Standard-Software kostengünstiger abbilden.
Behörden bezahlen gute ITler zu schlecht
Als größte Probleme - Booz spricht neudeutsch von "Herausforderungen" - nennen die Analysten folgende:
- Die IT-Kompetenz entwickelt sich nicht analog zum technischen Fortschritt. Das liegt zum Beispiel daran, dass Behörden ITler mit den neuesten technischen Skills schlicht nicht mithalten können - die freie Wirtschaft zahlt mehr. So erhalten SAP-Experten in der öffentlichen Verwaltung laut Tarif zwischen 32.000 und 51.000 Euro brutto im Jahr. Auf dem freien Markt steigen sie bei 75.000 Euro pro Jahr ein. IT-Projektmanager (senior) bekommen im öffentlichen Dienst zwischen 42.000 und 60.000 Euro - Unternehmen zahlen ihnen ab cirka 90.000 Euro aufwärts. Bei Anwendungsbetreuern und Datenbank-Spezialisten sind die Diskrepanzen aber weniger stark.
- Es gibt wenig praktische Erfahrungen mit IT-Großprojekten. Laut Booz weisen die historisch gewachsenen IT-Landschaften in Ämtern und Behörden einen Innovationsrückstau auf. Die IT konzentriert sich auf Wartung und Weiterentwicklung. Restrukturierungen im Zusammenhang mit übergreifenden großen IT-Projekten finden selten statt. Daher fehlen qualifizierte Projektmanager mit praktischer Erfahrung.
- Darüberhinaus bremsen Inflexibilitäten aufgrund des öffentlichen Vergaberechts die IT-Modernisierung der öffentlichen Hand. Laut Booz besteht trotz einer Novellierung des Vergaberechts eine gewisse "Projektanten-Problematik". Hinzu kommen Verfahrensfehler aufgrund unflexibler Vergabeverfahren.
Positive Entwicklungsmöglichkeiten sprechen die Analysten Public-Private-Partnerships (PPP) zu. "Dieses Modell kann für die Behörden eine wertschaffende Alternative für die zukünftige IT-Leistungserbringung darstellen", so Booz-Geschäftsleiter Zink. PPPs stellen nachhaltig Qualität und Verfügbarkeit sicher, ohne dass die Behörde ihren Einfluss aus der Hand geben muss. Außerdem sorgen PPPs für Transparenz und Kostensicherheit. Öffentliche Verwaltungen erhalten so die Chance, das eigene Innovationspotenzial auszubauen.
Checkliste für eine IT-Modernisierungsstrategie
Booz hat eine Checkliste erstellt, die für eine IT-Modernisierungsstrategie entscheidend ist. Sie umfasst folgende sieben Punkte:
1. Definition spezifischer Ziele: Formulierung und Priorisierung von messbaren Zielen,
2. Festlegen der langfristigen Perspektive: Nutzung der Potenziale moderner Informationstechnologie in Abstimmung mit der Organisationsentwicklung der Behörde,
3. Auswahl der Strategien zur Kostenreduzierung: Definition und anschließende Umsetzung der Optionen zur geplanten Effizienzsteigerung unter Berücksichtigung der politischen Rahmenvorgaben,
4. Definition der Wertschöpfungs- und Leistungstiefe: Auswahl der geeigneten Form der Leistungserbringung unter Berücksichtigung von neuen Modellen für IT im öffentlichen Sektor,
5. Strategie mit Blick für das Ganze: Holistische Betrachtung der vier Kerndimensionen: IT-Landschaft und Verfahren, Infrastruktur und Technologie, Organisation und Personal sowie Steuerung und Prozesse,
IT-Strategie aus wirtschaftlicher Sicht messen
6. Realistische Wirtschaftlichkeitsbetrachtung: Messung des Erfolgs der IT-Strategie aus einzelwirtschaftlicher Sicht unter Berücksichtigung von Anforderungen und Vorgaben an Behörden und Organisationen und
7. Konsistente Planung und Management: Erarbeitung eines Projektfahrplans, der die Exploration, Konzeption, Strategieentwicklung und Umsetzung sowie die Projektkoordination abdeckt.
Booz & Co, München, führt diese Thesen im Dokument "IT-Programme im öffentlichen Sektor - Transformation statt Baustellen-Dschungel" aus.