Im Anschluss an verschiedene Langzeitstudien hat Professor Georg Michelson vom Tele-ophthalmologischen Institut Erlangen ein Konzept zur Erkennung von erhöhtem Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko bei veränderten Netzhautgefässen entwickelt. Dieser Ansatz erlaubt zusätzliche Diagnosemöglichkeiten bei diesen weit verbreiteten und oft nicht rechtzeitig erkannten Krankheiten.
Der Ansatz nennt sich "Talking Eyes" und wird bisher erst von wenigen Ärzten und Krankenhäusern unterstützt. Um die Datenerfassung und die Kommunikation zwischen ihnen zu unterstützen, hat Michelson auf der Basis von Adobe-Software (Adobe Life Cycle) ein besonderes Formularsystem entwickelt.
"Talking Eyes" will die Informationen aus verschiedenen Quellen zusammenführen und so die Kommunikation unter den Ärzten sowie die Aufklärung der Patienten unterstützen. Dazu bedient sich Michelson der Methoden des Internet und moderner Software: In einem zentralen Server am Erlanger Institut laufen alle Informationen zusammen und bilden schließlich einen digitalen Arztbrief, den jeder Doktor und auch der Patient über ein Log-in herunterladen kann.
Ärzte, die sich an dem Verfahren beteiligen, müssen sich nur an ihrem Computer über das Internet in den Erlanger Server einwählen, dort das gewünschte Adobe-Formular öffnen und ihre eigenen Ergebnisse – Texte und Bilder – in die dafür vorgesehenen Formularbereiche eintragen. Außerdem können sie sich natürlich über die bisher gesammelten Untersuchungsergebnisse informieren.
Speichern im KISS und Praxissystem möglich
Zur Visualisierung gehören ein Überblick über die bisherigen Stationen und Behandlungsmöglichkeiten und über die weiteren medizinischen Prozesswege. Per Mausklick können dem Patienten laut Michelson die Wirkung der geplanten Therapie auf das Gefäßrisiko und der Einfluss von Medikamenten gezeigt werden.
Für die an der Untersuchung beteiligten Ärzte, die regional verstreut sein können, lassen sich mit den Adobe-Formularen die verschiedenen Befunde zu einem gemeinsamen Arztbrief vereinen. Außerdem können medizinische Risiko-Indizes berechnet und mit der Norm verglichen sowie Therapie-Empfehlungen gegeben werden. Ein weiterer Vorteil besteht nach Michelson darin, dass das Formular in einem KISS oder Praxissystem gespeichert werden kann.
Adobe spricht von "intelligenten" Formularen, die mit dem Adobe Form Designer erstellt werden und mit denen eine Zusammenführung sämtlicher im Rahmen klinischer Studien anfallender Daten aus Klinik, Labor und klinischem Data Management möglich ist. Anschließend können sie in andere Systeme, zum Beispiel ERP- oder Datenbankanwendungen, überführt werden.
Umgekehrt lassen sich Informationen aus diesen Systemen wieder in die Formulare integrieren. Ferner ist die Anbindung an bestehende Backup- und Archivierungsinfrastrukturen vorgesehen, sodass sich ein weit gefächerter digitaler Workflow ergibt.
Michelson hat sich nach dem Ausprobieren verschiedener Angebote auf dem Markt inklusive frei zugänglicher Software im Internet für Adobe entschieden, weil es für den Anwender einfacher beim Öffnen und Bearbeiten sei. Außerdem würden viele Ärzte sowieso PDF-Dokumente kennen. Überzeugt hat ihn auch, dass er nach einer gewissen Einarbeitungszeit die Formulare selbst gestalten und anpassen konnte. Dies sei auch deshalb sehr wichtig, weil sich bei der medizinischen Forschung und Diagnose ständige Änderungen ergeben.
Ärzte brauchen mehr Informationen
Auch wenn der Begriff "ganzheitliche Medizin" mehr an Kräutertee und Esoterik erinnert, hält Michelson an ihm fest, weil er darin letztlich sein Ziel ausgedrückt sieht: Hilfe für den Hausarzt oder Internist, der als koordinierender Arzt zusätzlicher Informationen bedarf. Dies komme im gegenwärtigen Gesundheitssystem zu kurz. In der Medizin müsse es gewährleistet sein, dass die vielfältigen Informationen, die aus verschiedenen Fachrichtungen kommen, schnell und einfach zusammengeführt werden.
Die moderne Datenverarbeitung stelle dazu die nötigen Mittel bereit. Und diese in der täglichen Praxis einzusetzen, sei umso wichtiger, solange es keine zentralen Ärztehäuser oder Institutionen wie die Polikliniken in der ehemaligen DDR gäbe. Insofern ist das Erlanger Vorgehen mit „Talking Eyes" auch ein Pilotprojekt für das gesamte Gesundheitswesen in Deutschland.