Zuletzt waren es vor allem Artikel über Donald Trump oder zur Ausbreitung des Coronavirus, die der "New York Times" neue Leser bescherten. Und zwar vor allem Digital-Kunden. Jetzt im dritten Quartal 2020 war der digitale Umsatz erstmals größer als der analoge.
Vor zehn Jahren, am 24. November 2010, kündigte die weltweit bekannte Zeitung an, online erstmals Geld zu verlangen. Im März 2011 wurde dann die Paywall hochgezogen. Seither wuchs das Internet-Geschäft rapide.
Es war vor wenigen Wochen - die Nachrichtenwelt schaute gebannt auf die Wahlen in den USA - als die "New York Times" vielversprechende Zahlen präsentierte: 6,9 Millionen laufende Abonnements zählte sie bis Ende September. Mehr als sechs Millionen davon im Digitalbereich - ein weiterer deutlicher Anstieg. Im Jahr 2015 waren es noch 1,3 Millionen gewesen. Dann wurde Donald Trump Präsident, die Zeitung brillierte mit Enthüllungen und die Zahl der Online-Leser stieg so kräftig an wie zuletzt die Corona-Kurve der USA auf der "New York Times"-Seite.
Qualität setzt sich durch
Geschäftsführerin Meredith Kopit Levien betonte, dass die "New York Times" auf keine einzelne Exklusivgeschichte oder ein einziges Thema angewiesen sei, um ihr Wachstum voranzutreiben: "Unsere App bot in dieser Woche sowohl die beste Echtzeitansicht der Wahlen als auch vom Virus - und ebenso eine Anleitung, wie Sie sich am besten von beiden ablenken können", sagte sie Anfang November.
Tatsächlich werden digitale Angebote abseits der Nachrichten für die "New York Times" immer wichtiger. Bereits 1,4 Millionen Nutzer haben ein Abo mit Zusatzdiensten wie Kochtipps und Kreuzworträtseln abgeschlossen. Beides Dinge, die gerade während einer weltweiten Pandemie und viel Zeit Zuhause an Bedeutung gewonnen haben. Doch Corona dürfte mit funktionierenden Impfstoffen bald ein kleineres Thema werden, auch das Ende von Donald Trumps Ära zeichnet sich ab.
Die Zahl der Print-Abonnenten geht weiter zurück
Es bleibt abzuwarten, ob die "New York Times" ihr ehrgeiziges Ziel von zehn Millionen Abonnenten bis 2025 auch ohne treibende Kernthemen erreichen kann. Doch eins ist sicher: Der Erfolg der Zeitung läuft nur über die Digitalsparte, denn sie ist der einzige Bereich, der wächst. Die teureren insgesamt rund 800.000 Print-Abos - in verschiedenen Ausführungen - und mit ihnen die Werbeeinnahmen der Papier-Zeitung gehen unterdessen stetig zurück.
Der Einfluss der Digitalisierung zeigt sich deutlich, wenn man auf den Gesamtumsatz des Konzerns schaut. Dieser hatte im Jahr 2006 noch bei deutlich mehr als drei Milliarden US-Dollar gelegen und sank bis 2012 um die Hälfte auf 1,59 Milliarden. Seitdem konnte die "New York Times" das Geschäftsvolumen zunächst stabilisieren und dann wieder Stück für Stück steigern. 2019 lag der Umsatz bei 1,81 Milliarden.
Bei den Erlösen fand in den vergangenen Monaten erstmals ein wichtiger Wechsel statt: Die gedruckte Zeitung der "New York Times" machte im dritten Quartal diesen Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit 145,7 Millionen Dollar 3,8 Prozent weniger Umsatz - der Erlös stieg durch die digitalen Produkte aber um 34 Prozent auf 155,3 Millionen. Die Inhalte hinter der Paywall erwirtschafteten im direkten Vergleich also mehr als die im Print.
Wachstum bei Obline-Abos bleibt wichtig
Das kräftige Online-Wachstum mit geringeren Margen und Werbeeinnahmen muss den langsamen Niedergang des einträglichen Print-Geschäfts auffangen. Dafür muss die Leserschaft weiter stark zunehmen.
Für Wachstum soll auch der boomende Podcast-Bereich sorgen. Im Jahr 2017 startete die "New York Times" ihren kostenlosen täglichen Podcast "The Daily", in dem ein Thema des Tages in 20 bis 30 Minuten erklärt wird und der mit mehr als zwei Millionen Hörern täglich ein riesiger Erfolg ist. Daran will die Zeitung mit ihren jüngsten Investition anknüpfen: Neben Start-ups kaufte sie die Avantgarde-Audioschmiede "Serial Productions" für 25 Millionen Dollar.
Das Schicksal der klassischen "New York Times" auf Papier, die morgens zusammengerollt vor den Eingängen der New Yorker Sandsteinhäuser liegt, scheint festzustehen. Im August sagte der ehemalige Geschäftsführer Mark Thompson im Interview mit der Unternehmensberatung McKinsey: "Das Print-Produkt der Times wird wahrscheinlich bis in die 2030er-Jahre überleben." (dpa/rs)