Wenn die Wälder wie in Roman- und Filmtiteln singen könnten, würde ihnen zum VW-Partnernet ein fröhliches Lied einfallen. "Wir sparen Tonnen von Papier", sagt Artur Langer, Teamleiter Handelskommunikation in der Abteilung Handelsmarketing. John Grieve vom Community-Software- Anbieter Webfair, dem Lieferanten des Partnernet, hat die Ersparnisse - nicht nur an Papier - berechnet: Neben den Hochglanzprospekten für die Autokunden habe der Hersteller früher ungefähr 300 Broschüren pro Jahr an die 2600 Händler verschickt: macht 780000 Stück zum Preis von je 2,50 Euro. Hinzu kamen unzählige Folder, Faxe und Ähnliches. Dieses Material werde den Empfängern jetzt komplett papierlos über das Partnernet zur Verfügung gestellt, so Grieve.
Da erstaunt es, dass VW-Mann Langer erklärt, den Spareffekt nehme man zwar wohlwollend zur Kenntnis; er sei jedoch "gar nicht die treibende Kraft bei der ganzen Sache" gewesen. Vielmehr sei es von Anfang an um einen schnellen und effizienten Informationsfluss gegangen.
Das Ende des papiergestützten Info-Overkills
Vor der Einführung des Händlernetzwerks vergingen oft mehr als 14 Tage, bis Produkt-, Preis- oder Vertriebsinformationen aus der Zentrale bei den Händlern ankamen. Eine Koordination des Versands war wegen der vielen beteiligten Abteilungen nicht möglich; manche Autohäuser bekamen sieben Sendungen an einem Tag. Die Folge: Fast 80 Prozent aller Ein-Marken-Händler klagten über den Informations-Overkill. Das ergab eine Umfrage, die Webfair zusammen mit der Bundeswehruniversität Hamburg durchgeführt hat.
Für VW war das Grund genug, die Kommunikationsstrukturen zu vereinfachen und zu personalisieren. Bei der Partnerwahl war zu berücksichtigen, dass nicht nur 150 Konzernmitarbeiter, sondern auch externe Partner die Händler netzgestützt informieren sollten. Ein hoher Automationsgrad war deshalb ebenso wichtig wie die Möglichkeit, Informationen zu kanalisieren: Schulungen zu neuen Modellen an den Verkaufsleiter, Ersatzteilinfos an den Werkstattchef. Und der Gegenkanal musste so beschaffen sein, dass jede Rückfrage der Händler direkt beim zuständigen Ansprechpartner landen würde.
Ein Projektteam verglich fünf Monate lang Produkte von Broadvision, Hyperwave, Info-Office, Oracle, Vignette und Webfair. Für das Webfair-Angebot habe man sich entschieden, weil die Lösung sämtliche für die Händlerkommunikation notwendigen Funktionen biete und sich dabei nicht auf das Content-Management beschränke, so Projektmanager Wolfgang Petersen.
Keine Verbindung zur Warenwirtschaft
Das Partnernet ist eine von mehreren Plattformen innerhalb des VW-Händler-Portals. Es bildet deshalb zum Beispiel nicht alle Kontakte zwischen Händlern und Herstellern elektronisch ab, obwohl die Verwendung der Technikstandards Java und XML die Integration in vorhandene Content-Management-Systeme erlauben würde. Eine Verbindung mit der Warenwirtschaft existiert nicht. Den Grund nennt Teamleiter Hisham Swaid: Bei einer Verknüpfung aller Funktionen bestünde die Gefahr, dass Bestellinformationen nicht immer sicher an die richtigen Adressaten in der riesigen VW-Organisation gelangen. Eine vollständige Integration sei niemals der Anspruch des Projekts gewesen, betont Swaid.
Wer sich beim Partnernet anmeldet, bekommt eine persönliche Startseite präsentiert, die sich an Funktionen beziehungsweise Zuständigkeiten orientiert. Die Inhalte sind rubriziert; unter "Verkaufs-/Marketingthemen", Unterkapitel "Gebrauchtwagen", erfährt zum Beispiel das technische Personal, wie sich Fahrzeuge für die zweite Hand verkaufsfördernd herausputzen lassen.
Wer was lesen darf, legt zunächst der Konzern fest. Die Zuweisung der Rechte für einzelne Autohausmitarbeiter übernimmt dann der dortige Systemadministrator. Zudem sind Filterungen möglich. So kann VW zum Beispiel eine regionale Seminarreihe zum Neuwagenverkauf allein den Vertriebsleitern im Raum Stuttgart anbieten.
Zusätzliche Hardware für die Nutzung des Systems musste kein Händler anschaffen: Die gesamte Kommunikation ist Browser-basiert; für eine vor unbefugten Mitlesern geschützte Verbindung zu VW sorgt ein Virtual Private Network (VPN), das zwar Internet-Technik verwendet, von den Risiken aber abgeschirmt ist. Um die Nutzungsschwelle so weit wie möglich zu senken, hat VW nach der Einführung des Netzes im Mai 2000 in jedes Autohaus einen Trainer geschickt, um die Belegschaft ausführlich mit dem System vertraut zu machen. Aufwand: vier bis sechs Stunden pro Niederlassung.
Die Erfahrungen der Händler mit dem Partnernet sind offenbar positiv. Wie eine 2001 vom Marktforschungsunternehmen Emnid durchgeführte Umfrage ergab, bewerteten 98,8 Prozent das Infoportal gut bis sehr gut, 67 Prozent halten es gar für unverzichtbar.
Auch Julius Franken vom Autohaus Franken & Co. im westfälischen Hamm schätzt das Angebot. Um sich auf dem Laufenden zu halten, sei deutlich weniger Zeit nötig als früher. Dass seine Leute überfordert werden könnten, fürchtet Franken nicht; er hält die von VW vorgegebene Verteilung auf Nutzerrollen und -rechte für passend.
Information ja, Diskussion nein
Im Bilde, so Franken einschränkend, sei indes nur, wer das System auch nutze. Und daran hapert es nach seiner Erfahrung. Ältere Mitarbeiter etwa nutzten das Angebot nach seiner Beobachtung oft nicht strukturiert genug, weil sie mit der Logik von Websites zu wenig vertraut seien. Er selbst logge sich zwar auch nur einmal in der Woche ein und nicht jeden Tag, wie von VW vorgesehen. Doch das wäre aus seiner Sicht ohnehin übertrieben: "Wenn es für den Golf eine Extra-Verkaufsprämie von 500 Euro gibt, dann müssen nur die Verkäufer das sofort wissen." Auch die Möglichkeit, Diskussionen zu führen, findet Franken nicht so wichtig; für ihn sei das Partnernet eher ein "One-Way-Medium", das der Information diene.
Für die Konzernmutter in Wolfsburg hat das Partnernet die Erwartungen ebenfalls erfüllt - zumindest nach offizieller Lesart. Die Erwartungen an die Bereitschaft der Händler zur aktiven Kommunikation seien jedoch "möglicherweise nicht realistisch" gewesen, wie ein Insider zugibt. Teamleiter Langer von der VW-Handelskommunikation bestätigt, man habe "mit einer deutlich stärkeren Nutzung" gerechnet, anfangs sogar befürchtet, die vielen Rückmeldungen könnten die inneren Abläufe stören. Stand der Dinge: Zwischen 60- und 100-mal pro Woche melden sich Händler beziehungsweise Mitarbeiter zu Wort; von etwa dem Dreifachen sei man ausgegangen, so Langer. Für mehr Leben im Netz könnte die nächste Version des Systems ab dem ersten Quartal 2003 sorgen. Sie wird Nutzerumfragen, eine Bewertungsfunktion für Artikel und ein Forum enthalten, das auch Mitarbeiter aus der Zentrale nutzen sollen.
Die Ruhe an der Online-Diskussionsfront, vermutet Langer augenzwinkernd, könne auch darauf zurückzuführen sein, "dass wir so intelligente Texte schreiben".