Wolfgang Schwab, Geschäftsführer CSF: "Um Atlas einsetzen zu können, muss für ein Netzwerk mit vier Arbeitsplätzen mit zirka 14000 Euro gerechnet werden."
Überschwemmte Grenzübergänge, unterspülte Straßen - die Flut im August stoppte auch vor den Zollstellen des sächsischen Grenzraums nicht. Die Zeitvorteile, mit denen die Zollverwaltung das IT-Verfahren Atlas anpreist, waren hinfällig. Im Hauruckverfahren mussten provisorische Grenzzollstellen eingerichtet werden, in denen das elektronische Abwicklungssystem läuft.
Denn ein Jahr nach seiner Einführung wird Atlas, das "Automatisierte Tarif- und Lokale Zoll-Abwicklungssystem", von den meisten größeren Speditionen in Deutschland intensiv genutzt. Kein Wunder: Die Kommunikation zwischen Wirtschaft und Zollverwaltung - traditionell ein nervenzerfetzender Papierkrieg - wird damit vollständig elektronisch abgewickelt. Speditionsmitarbeiter können im Büro die Einfuhrzollanmeldung erstellen, an die jeweilige Zollstelle mailen und auf die Antwort warten. Der Lkw-Fahrer, der später mit dem Gut am Schalter ankommt, fährt auf eine Sonderspur und holt sich die bereits bearbeiteten Anträge ab. "Manchmal sind unsere Fahrer nach zehn Minuten durch, während andere bis zu vier Stunden warten", sagt Ute Klaus von der internationalen Spedition Klaus aus Schulendorff.
Auch Jutta Krell zieht ein positives Fazit: "Unsere Branche ist mit Atlas mittlerweile sehr zufrieden", lobt die Atlas-Verantwortliche des Bundesverbandes Spedition und Logistik (BSL), Bonn, das Projekt. Die Umsetzung hat lange genug gedauert: Bereits 1997 fanden im Bundes-finanzministerium die ersten Atlas-Besprechungen statt; jahrelang dümpelte die Sache dort - ohne Beteiligung der Speditionen und absolut praxisfern - vor sich hin. Nachdem es 1999 "behördenmäßig chaotisch fast an die Wand gefahren wurde", wie ein Kritiker bemängelt, trat als Retter des Projekts der neue Leiter, Ditmer Sturies, auf. Der 57-Jährige richtete zuerst ein Kompetenzteam ein, in dem auch Unternehmensvertreter ihre Interessen einbringen konnten. Nach mehreren Terminverschiebungen ging Atlas dann im Sommer 2001 endlich bundesweit an den Start.
Kosten- und Zeitersparnis
Bisher scheint das IT-System die Erwartungen zu erfüllen: "Atlas führt tatsächlich zu einer enormen Zeit- und damit Kostenersparnis", sagt Hans-Peter Grage, Qualitätsbeauftragter und Atlas-Verantwortlicher der Osnabrücker Spedition Hellmann Worldwide Logistic. "Die Wartezeiten beim Zoll sind kürzer geworden, und die Einfuhrsteuerbescheide kommen sofort zurück. Früher dauerte das zwei Tage, bis sie per Post eintrafen." Bei einem monatlichen Einfuhrsteuervolumen von zehn Millionen Euro werden bei Hellmann durch den schnelleren Rechnungsversand erhebliche Zinsen gespart. Auch Fehler in der Anmeldung werden nun vom Zöllner schon kurz nach Eingang der E-Mail entdeckt und nicht erst, wenn der Container zur Abholung bereitsteht.
Auch etliche kleine und mittelständische Speditionen beteiligen sich nicht. "Für uns rechnet sich Atlas nicht", meint etwa Christian Göllner, Speditionsleiter bei der Internationalen Spedition W. Göllner in Hamburg. Für die zehn Zollanträge, die seine Firma wöchentlich zu bearbeiten habe, seien die Investitionen einfach zu hoch.
Das kann Wolfgang Schwab, Geschäftsführer des Wiesbadener Software-Hauses CSF und Atlas-Anbieter, sogar verstehen: "Für ein Netzwerk mit vier Arbeitsplätzen muss mit zirka 14000 Euro gerechnet werden." Bei größeren Unternehmen könne auch ein sechsstelliger Betrag anfallen. Pro Zollanmeldung seien das - je nach Gesamtzahl der Anmeldungen - zwischen einem und vier Euro.
Für kleinere Speditionen und Industrieunternehmen, die bis zu 100 Zollvorgänge monatlich bearbeiten, bietet sich deshalb eine andere Lösung an: Sowohl das Bundesfinanzministerium als auch der BSL haben im Sommer jeweils eine Internet-Zollanmeldung entwickelt, die sich an Atlas anlehnt. Hierfür ist dann zwar keine teure Software-Implementierung nötig - dafür müssen die bereits elektronisch versandten Daten aber noch in Papierform zum Zoll gebracht werden.