IT mal schnell und zukunftssicher. Das geht, ist sich Stephanie Tank, Head of Media und Transformation Director bei Capgemini sicher. Leidenschaft für IT, Cloud und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit externen Partnern sind die Voraussetzung hierzu.
CIO.de: Frau Tank, als Transformation Director bei Capgemini beraten Sie Medienunternehmen bei der die Entwicklung und Umsetzung von IT-Strategien. Unterscheidet sich die Medienbranche von anderen Branchen mit Blick auf den Umgang mit den technologischen Herausforderungen der Digitalisierung?
Stephanie Tank: Ich kann keine grundlegenden Unterschiede erkennen. Im Gegenteil. Gerade im Medienbereich gibt es viele Beispiele für Organisationen, deren IT bereits heute die notwendige Reife erreicht hat, um digitale Prioritäten aktiv zu setzen. Die Medienbranche steht hier anderen Branchen in nichts nach, sondern ist im Gegenteil besonders experimentierfreudig. Etwas Nachholbedarf gibt es, was die Einbettung in eine übergeordnete Digitalstrategie entlang der Geschäftsziele betrifft.
Aber gerade in kleinen Medienhäusern und Fachverlagen wird IT noch primär als Kostenfaktor wahrgenommen. Eine Institutionalisierung der IT-Verantwortlichkeit in Person eines IT-Verantwortlichen sucht man hier oft vergebens. Ist die Präsenz eines CIO oder CTO Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Gestaltung einer Digitalstrategie?
Stephanie Tank: Die Rolle an sich erachte ich als sehr wichtig. Die Frage ob diese mit einer Vollzeitstelle verknüpft sein muss oder ob z. B. ein Geschäftsführer qua seiner IT-Erfahrung diese Rolle in Personalunion ausfüllen kann, lasse ich dahingestellt. Wesentlich ist das Interesse und die Begeisterung für IT. Diese muss in einem Unternehmen vorhanden sein. Wer IT als ein Werkzeug verstehen will, mit dem sich neue Geschäftsmodelle gestalten lassen, darf IT nicht aus der Perspektive des Gepeinigten begreifen, sondern muss ihr positiv gegenüber stehen. Hier, so meine Beobachtung, tun sich Geschäftsführer und Verlagsleiter tendenziell noch schwerer.
Können Sie Positivbeispiele benennen?
Stephanie Tank: Eine gute Blaupause für den konstruktiven und positiven Umgang mit der IT ist der Cornelsen Verlag, ein Verlagshaus mit schwieriger Historie mit Blick auf die eigene IT-Vergangenheit. Mit Berufung des neuen CIOs, Michael von Smolinski, jedoch ist es dem Verlag gelungen, sich technologisch vollkommen neu und vor allem zukunftssicher aufzustellen. Ein anderes Beispiel, allerdings nicht aus dem Verlagsbereich, ist die Gema. Auch hier hat die Neubesetzung der Position des Technologieverantwortlichen durch Dr. Markus Grimm dazu geführt, das sich Dinge rasant entwickelt haben. So weit, dass sich die IT der Gema nun sogar als Profit-Center aufgestellt hat. Dies sind für mich Paradebeispiele dafür, dass Leidenschaft für Technologie die Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Digitalisierung von Medienunternehmen ist. Und dies ist zwangsläufig mit Personen verbunden.
Wer IT als reinen Kostenfaktor versteht, wird es nie schaffen, wahre Kompetenz im Technologiebereich aufzubauen. Verlage, die IT nicht als Bestandteil ihrer eigenen DNA begreifen und negativ konnotieren, müssen ihre Einstellung wandeln, wenn sie dauerhaft erfolgreich sein wollen.
Wo liegt die Zukunft der Medien-IT und wie schaut sie aus?
Stephanie Tank: Die Zukunft der IT liegt im Cloud Computing. Auch für Verlage und Medienunternehmen. Schafft man es, die Cloud als universelles Designprinzip zu verstehen, aus dem heraus fachliche Services bezogen werden können, liegen die Vorteile für Agilität und Skalierbarkeit auf der Hand. Am Markt etablieren sich immer mehr Cloud-basierende Frameworks, mit deren Hilfe Kunden digitale Services verwalten können und die es erlauben, eine Cloud-basierte, fachliche Architektur flexibel durch den gesamten Life-Cycle hindurch zu betreiben.
Mit welchen Vorteilen?
Stephanie Tank: Medienhäuser ersparen sich mit dem Zugriff auf diese Baukästen das kontinuierliche Neuerfinden von Technologie-Komponenten, die mittlerweile Commodity sind. Wichtig dabei ist die klare Trennung von fachlicher Architektur und technischer Architektur. Auch wenn diese Sichtweise tradiert anmuten mag, ist das Designprinzip heute aktueller denn je. Diese Trennung führt in meinen Augen zu wahrer Agilität. Sie versetzt Organisationen in die Lage, fachliche Anforderungen zum Beispiel eines Medienunternehmens flexibel auf beliebige Technologien und Architekturen zu übertragen - eine Grundvoraussetzung für eine zukunftsfähige IT.
Medienunternehmen sind auch nur Unternehmen
Was bedeutet dies konkret für die Planung und Realisierung einer zukunftsfähigen IT-Infrastruktur?
Stephanie Tank: Nur wenige Medienhäuser genießen den Luxus, Greenfields zu bebauen, also ihre IT auf der grünen Wiese zu planen und zu gestalten. Aber selbst wenn sie es können, ist es wichtig, sich von der technischen Instanziierung fachlicher Anforderungen zu lösen. Dies ist ein wichtiger Aspekt für Agilität in der technologischen Grundhaltung. In diesem Punkt unterscheiden sich Medienunternehmen nicht von anderen Unternehmen. Das technologische Rahmenwerk jeder zukunftsorientierten IT sollte branchen- und anwendungsagnostisch sein. Egal ob Verlag oder Bank, Komponenten zum Identity und Access Management oder ein Enterprise Service Bus gehören zu den festen Bestandteilen jeder modernen IT-Landschaft und lassen sich mit dem richtigen Framework einfach als Pakete einbinden.
Sie machen IT in Medienhäusern: die Top-CIOs der Medien-Unternehmen
Sven Rathjen, Spiegel-Verlag Sven Rathjen ist seit Januar 2016 Leiter der IT des Spiegel-Verlags. Er übernahm die Aufgabe von Jesper Doub. Rathjen kommt von der Dumont Systems GmbH & Co. KG, wo er zuletzt als Geschäftsführer die IT der Dumont Mediengruppe verantwortete.
Patrick Sturm, Sky Patrick Sturm ist seit Juli 2018 CIO beim Pay-TV-Fernsehsender Sky in Unterföhring bei München. Sein genauer Titel lautet Senior Vice President Information Technology. Sturm kommt aus dem eigenen Haus, zuletzt war er seit Januar 2017 bei Sky Senior Vice President Product Development & Innovation. Vor seiner Zeit bei Sky führte Sturm als Gründungspartner ein technologie- und umsetzungsorientiertes Beratungsunternehmen.
Wolfgang Wagner, WDR Im April 2013 hat Wolfgang Wagner (53) den Posten des Direktors Produktion und Technik beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) übernommen. In dieser Position verantwortet er unter anderem auch den produktionsnahen IT-Bereich des WDR. Dazu gehören allein 200 Mitarbeiter. Insgesamt führt der neue Produktionsdirektor 1800 Mitarbeiter. Der Elektroingenieur mit Fachrichtung Nachrichtensysteme wechselte vom ZDF, wo er den Geschäftsbereichs Informations- und Systemtechnologie in der Produktionsdirektion des ZDF leitete. Zu seinen wichtigsten anstehenden Aufgaben beim WDR gehört das Projekt "tv 20:15", womit die die Vernetzung der digitalen Fernsehproduktion vorangetrieben werden soll. Außerdem will er ein neues Dispositionssystem einführen sowie das Rechenzentrum der Direktion neu strukturieren und konsolidieren.
Pietro Tomasino, Gruner + Jahr Pietro Tomasino ist seit Januar 2010 der Leiter der Informationstechnologie beim Druck- und Verlagshaus Gruner+Jahr. In dieser Funktion ist Tomasino verantwortlich für die IT-Landschaft des deutschen Geschäftsbereiches. Seine Position kommt damit dem eines klassischen CIOs am nächsten, auch wenn es diese Bezeichnung im Unternehmen Gruner+Jahr nicht gibt. Tomasino ist auch verantwortlich für die Entwicklung und den Betrieb der Redaktionssysteme Print und Online, der Vertriebs- und Anzeigensysteme sowie ERP-Systeme. Außerdem soll die Webentwicklung konsolidieren und neu ausrichten. Daneben steht die Einführung neuer Content Management Systeme zur Unterstützung der digitalen Transformation in den Redaktionen sowie die Modernisierung der Office- und Rechenzentrums-Infrastruktur. Gruner + Jahr hat in insgesamt mehr als 30 Ländern mehr als 11.800 Mitarbeiter.
Reinhard Görtner, RTL II Reinhard Görtner ist seit 2004 Leiter der Abteilung „IT & Services“ beim Münchener TV-Sender RTL II. Ab Januar 2018 trägt er den Titel CIO. Dazu kommen neue Kompetenzen über die Abteilungen „Application Development“, „Technology Operations“ sowie „Media Asset Support“. Seit 2015 ist Görtner als Leiter IT & Broadcast zusätzlich für die technische Ausstrahlung von RTL II verantwortlich.
Boris Radke, ProSiebenSat.1 Boris Radke ist neuer CIO bei der Sendergruppe ProSiebenSat.1. Radke kam im Juli 2017 vom Online-Modehändler Zalando zum Medienkonzern in Unterföhring (München) und übernahm eine Stabsstelle als Director CFO Projects beim neuen Finanzvorstand Jan Kemper. Davor war er unter anderem Leiter der Unternehmenskommunikation beim Online-Händler Zalando.
Frank Penning, RTL Group Frank Penning übernimmt als Bereichsleiter den neu geschaffenen CBC-Bereich Technik/IT und wird damit gleichzeitig CIO der Mediengruppe RTL. Vor seinem Wechsel zu CBC (Cologne Broadcasting Center GmbH) führte der Diplom-Informatiker für Burda den Technologiedienstleister Tomorrow Focus Technologies, gründete für Holtzbrinck mehrere Startups, betreute dort das Internet-Beteiligungsportfolio als CTO und war bei ProSiebenSat.1 Media AG für Software-Entwicklung verantwortlich. Als CTO war er in der von ihm mitgegründeten Exaring AG aktiv.
Dennis Gruschka, Zeit Verlagsgruppe Seit Oktober 2024 verantwortet Dennis Gruschka die IT der Zeit Verlagsgruppe. Er folgt auf Jonas Rohwer.
Marcus Dauck, Ringier Marcus Dauck ist seit Januar 2014 neuer Chief Information Officer des Züricher Medienkonzerns Ringier AG. Zuvor arbeitete er als CIO bei der Ringier Axel Springer Media AG, ein Joint Venture zwischen Ringier und der Axel Springer AG in Mittel- und Osteuropa mit Sitz in Zürich. Dauck war ab 1988 Mitarbeiter der Axel Springer IT in Hamburg, von 2000 bis 2003 als Management Consultant International Media bei Siemens und von 2003 bis 2011 wiederum bei der Axel Springer AG in mehreren Funktionen tätig: als Bereichsleiter IT Anzeigen- und Marketingsysteme sowie Bereichsleiter IT Zeitungssysteme, Redaktion und Online/Print-Produktion.
Sebastian Hentzschel, BMG Sebastian Hentzschel ist seit Oktober 2017 neuer CTO des Musikunternehmens BMG mit Sitz in Berlin. Die Stelle wurde neu geschaffen, einen CIO gibt es nicht. Er ist für Global Infrastructure, Application Development und Data Analytics zuständig. Hentzschel war zuvor SVP Group Technology bei BMG.
Johannes Claes, ZDF Seit November 2013 leitet Johannes Claes den Geschäftsbereich Informations- und Systemtechnologie in der Produktionsdirektion des ZDF. Der 49-jährige hat in den zurückliegenden Jahren den Geschäftsbereich Außenstudios im ZDF geleitet. Der Diplom-Ingenieur Claes arbeitet schon seit 1993 in verschiedenen Funktionen für das ZDF. Von 2007 bis 2009 war er Hauptabteilungsleiter Technik beim deutsch-französischen Sender ARTE G.E.I.E in Straßburg. Bei seiner Rückkehr zum ZDF übernahm er zunächst die Leitung des Geschäftsfeldes Berlin und 2011 zusätzlich die Leitung des Geschäftsbereichs Außenstudios. Auf der Agenda von Claes steht die Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur. MINT, die Medien-Integrierende-Netzwerk-Technologie, ist eines der Großprojekte.
Andreas Bossecker, NZZ Der Verwaltungsrat der NZZ-Mediengruppe hat im Juni 2014 Andreas Bossecker (52) zum Leiter Digital und IT berufen. Außerdem wurde er Mitglied der Unternehmensleitung. Er verfügt über langjährige IT- und digitale Produktentwicklungserfahrung im Verlagswesen – unter anderem als CIO und CTO bei der Verlagsgruppe Handelsblatt, wo er neben den Prozessen auch für alle Online-Aktivitäten zuständig war. Anschließend war er maßgeblich als Geschäftsführer am Aufbau und der Entwicklung der circ IT GmbH beteiligt, eine der großen IT-Serviceeinheiten für Verlage im deutschsprachigen Raum.
Markus Hüßmann, Bauer Media Group Im Hamburger Medienunternehmen Bauer Media Group ist seit Anfang Juli 2018 Markus Hüßmann Chief Technology and Information Officer (CTIO). Der neue CTIO trat dem Unternehmen 2013 zunächst als COO der Digitalsparte Bauer Xcel Media bei, er war dort für die Entwicklung einer internationalen Digitalstrategie verantwortlich. 2015 übernahm Hüßmann das digitale Publishing-Geschäft in Deutschland.
Annette Bittmann, rbb Annette Bittmann leitet ab Januar 2019 die neu geschaffene Hauptabteilung "Mediensysteme und IT" beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). In der rund 160 Mitarbeiter starken Einheit bündelt der Sender alle IT-basierten Betriebs- und Serviceaufgaben des Senders.
Norbert Schmidt-Banasch, dpa Norbert Schmidt-Banasch ist ab Dezember 2018 CIO der dpa-Gruppe. Die Stelle wurde neu geschaffen. Der studierte Informatiker ist und bleibt Geschäftsführer der Hamburger mecom Medien-Communikations-Gesellschaft mbH (Datenlogistik und technische Dienstleistungen), an der die dpa-Gruppe mit 60 Prozent beteiligt ist.
Matthias Moeller, Bertelsmann Matthias Moeller, CEO der Bertelsmann-Tochter Arvato Systems, ist ab Januar 2019 zusätzlich zu seinen bisherigen Aufgaben für die Corporate IT von Bertelsmann verantwortlich. Moeller arbeitet seit 1995 bei Bertelsmann. Nachdem er bereits als Geschäftsführer von Arvato Systems Perdata Mitglied der Geschäftsleitung von Arvato Systems gewesen war, hatte er im April 2016 das Amt des CEO von Arvato Systems übernommen.
Jens Kessler, SWMH Die Südwestdeutschen Medienholding (SWMH) hat Mitte Januar 2019 mit Jens Kessler (47) einen Chief Technology Officer (CTO) eingestellt. Die Position wurde neu geschaffen. Kessler ist von der Universal Music Group aus Santa Monica, USA, zur SWMH nach Stuttgart gewechselt. Dort hat er seit 2012 als Group CIO die digitale Transformation der Universal Music Group umgesetzt.
Sollten sich Medienunternehmen deshalb gänzlich von der Eigenentwicklung von Anwendungen verabschieden?
Stephanie Tank: Dies ist nur sekundär eine Frage nach der geeigneten Kompetenz für die Entwicklung von Anwendungen. Vielmehr ist es eine Frage des richtigen Technologiepartners und der Bereitschaft mit diesem zu kooperieren. Diese Fähigkeit ist bei vielen Unternehmen noch entwicklungsfähig. Ich kenne IT-Organisation, die in ihren eigenen Augen stets großartige Dinge umsetzen - aber stets in Eigenregie und mit begrenzter Skalierbarkeit. Meine Überzeugung ist, dass für die Umsetzung zukunftsfähiger IT-Lösungen insbesondere auch eine zukunftsorientierte Zusammenarbeit mit IT-Dienstleistern nötig ist.
Was sind Ihrer Erfahrung nach die Gründe für diese mangelnde Partnerfähigkeit?
Stephanie Tank: Die Zusammenarbeit mit Partnern verlangt beiden Seiten die Fähigkeit zu vertrauen ab. Vertrauen ist stets mit Risiko verbunden, insbesondere dem Risiko, die Kontrolle über die eigene Infrastruktur oder die eigenen Daten zu verlieren. Manche Unternehmen meistern diesen vermeintlichen Kontrollverlust besser, andere wenig gut. Einheitliche Motive für die letztgenannte Gruppe kann ich aus meiner Erfahrung mit Medienunternehmen nicht erkennen.
Frau Tank, auf der 3. IT-Fachtagung der Akademie der Medien interviewen Sie Christian Gerlich, CTO der Holtzbrinck Digital, zum Thema "IT-Trends im Medienfokus: schnell und zukunftssicher zugleich - wie geht das?". Was können wir uns darunter vorstellen?
Stephanie Tank: Die Holtzbrinck Digital gehört zu den Vorreitern bei den deutschen Medienunternehmen, was den geschickten Umgang z. B. mit der Cloud betrifft. Im Dialog mit dem Christian Gerlich werden wir vor dem Hintergrund der Capgemini IT-Trends-Studie 2015 Einblicke in die IT-Strategie des Hauses Holtzbrinck geben und dabei inbesondere die Migration der Enterprise Collaboration Tools des Verlages in die Cloud beleuchten.