"Katwarn"
Das Handy als mobiler Schutzengel - App warnt vor Katastrophen
Die Sirene aus dem Handy-Lautsprecher dröhnt im Ohr, die Landkarte auf dem Display färbt sich dunkelrot. Wer in diesem Moment sein Handy griffbereit hat, der befindet sich womöglich unweit eines drohenden Chemieunfalls.
Das beschriebene Szenario ist zum Glück nur ein Beispiel, der durch die App ausgelöste Alarm nur eine Test. Im Ernstfall kann das smartphone-basierte Katastrophenwarnsystem "Katwarn" aber schon bald Menschen nicht nur in einzelnen Städten und Kommunen alarmieren, sondern landesweit. Und dann - wegfahren? Türen verschließen? Eine Nachricht mit konkreten Verhaltenstipps verschickt die App gleich mit.
"Als erstes Bundesland bietet Rheinland-Pfalz seinen Bürgern ein flächendeckendes und sekundenschnelles Warnsystem an, direkt auf das Handy", sagt Niklas Reinhardt, Sprecher des Fraunhofer-Instituts Fokus, der Deutschen Presse-Agentur. Informationen von größerer Dimension zu verbreiten, sei bislang nur in Stadtstaaten wie Berlin oder Hamburg sowie einzelnen Kommunen möglich gewesen.
Neu ist das System nicht. "Katwarn" - das steht als Abkürzung für Katastrophenwarnung - gibt es seit 2010 und wurde unter anderem vom Fraunhofer Institut Fokus und dem Verband Öffentlicher Versicherer entwickelt. Für SmartphonesSmartphones ging die App zwei Jahre später in den Dienst. Über die App oder auch via SMS und MailMail sendet das System ortsbezogene Warnungen kostenlos auf die Mobiltelefone, sofern die Nutzer angemeldet sind. Egal ob Ferienhaus, Kita oder die Wohnung der Oma: Die App kann bis zu sieben Regionen auf einmal überwachen. Gehörlose werden mittels Vibration informiert. Alles zu Mail auf CIO.de Alles zu Smartphones auf CIO.de
Gewarnt wird aber nicht nur bei Chemieunfällen: Auch Meldungen über Großbrände, Atomkatastrophen oder aufziehende Unwetter gelangen sekundenschnell auf die Handys. Bundesweit warnt der Deutsche Wetterdienst (DWD) bereits seit 2012. Wenn Orkanböen oder Hochwasser kommen, schlagen die Meteorologen Alarm. "Wer dann ein Smartphone zur Hand hat, kann noch schnell die Terrasse abräumen oder das Auto in die Garage fahren", sagt DWD-Sprecher Gerhard Lux.
Die Verantwortung für die Alarmierung liegt jeweils bei der zuständigen Behörde - wie beispielsweise der Feuerwehrleitstelle, der Stadt oder dem Landkreis. Im Fall Rheinland-Pfalz läuft die Datenübertragung über die Leitstelle des Innenministeriums, sagt Katwarn-Projektleiter Daniel Faust. Die Warnmeldungen werden dann über das Katwarn-System an die Handys geschickt.
Wer den Ortungsdienst im Smartphone aktiviert, den warnt zusätzlich die "Schutzengel-Funktion". Statt über das GPS-Signal wird der aktuelle Ort aber mittels Funkzellen auf den Endgeräten ermittelt, erklärt Faust. "So wissen wir nicht den exakten Aufenthaltsort, sondern nur den Radius von einem Kilometer." Das System speichere zudem lediglich die letzte aufgenommene Position ab.
Datenschützer sehen in der Funktion deshalb grundsätzlich kein Problem, solange der Nutzer vorher einwilligt. "Das muss gewährleistet werden beim Runterladen und Nutzen der App", sagt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Auch Hackern haben es die Entwickler schwer gemacht. "Einen absoluten Schutz gibt es zwar nicht, aber über Verschlüsslungsverfahren kann sich die App nur verifizierte Informationen von unserem System abholen", sagt der Projekt-Leiter.
Bundesweit rund 250.000 Handy-Besitzer nutzen die Anwendung nach Angaben des Fraunhofer-Instituts bereits auf ihrem Mobiltelefon, vor allem die Zahl der App-Downloads steigt stetig. Verfügbar ist die Anwendung für alle - derzeit sind bundesweit aber erst 30 Städte und Kommunen sowie nun Rheinland-Pfalz als ganzes Flächenland vernetzt.
Pech hat außerdem derjenige, der in einem Funkloch sitzt: Die App funktioniert nur bei ausreichendem Empfang und wenn der Lautsprecher eingeschaltet ist. Auch soll die App Faust zufolge bereits bestehende Warnsysteme nur ergänzen: "Mit Katwarn wollen wir Lücken schließen und noch mehr Leute erreichen." Im Ernstfall lohnt sich also nach wie vor, Radio zu hören und den Fernseher einzuschalten - oder auf das Warnsignal der örtlichen Sirenen zu achten. (dpa/tc)