Obamas Pannen-Portal
Dicke Blamage für Internet-Supermacht
Der mächtigste Mann der Welt möchte etwas verkaufen: "Das Produkt ist gut, richtig gut", sagt er. "Die Leute können Geld sparen. Und es gibt eine massive Nachfrage." Wie ein fliegender Händler auf dem Wochenmarkt preist US-Präsident Barack Obama seine neue Krankenversicherung an. Die ließe sich sogar rund um die Uhr per Telefon bestellen: "Die Nummer ist 1-800-318-2596", diktiert er geduldig - gleich zwei Mal, damit sie jeder mitschreiben kann.
Für viele war es ein unwürdiges Schauspiel, das sich da Anfang der Woche im Garten des Weißen Hauses in Washington abspielte. Eine halbe Stunde lang, so schien es, musste der Führer der freien Welt in die Niederungen des Verkaufsfernsehens hinabsteigen, um eine riesige Blamage irgendwie noch abzumildern. Denn der Start des Kernstücks seiner Gesundheitsreform ist völlig schiefgegangen.
Die Website, über die sich die Millionen Amerikaner seit dem 1. Oktober einschreiben sollen, "funktioniert nicht, wie sie soll". So drückt Obama es aus. Andere bezeichnen sie als Fiasko, Desaster, als unglaubliche Peinlichkeit. Die große Mehrheit der Besucher auf der Seite erhält frustrierende Fehlermeldungen. Nur ein Bruchteil konnte sich registrieren, noch weniger letztlich einen Vertrag abschließen. Und am Ende lieferte die Seite falsche Daten an die VersicherungenVersicherungen. Top-Firmen der Branche Versicherungen
Deshalb rät Amerikas erster Internet-Präsident (38 Millionen Twitter-Follower, 37 Millionen Facebook-Freunde) seinem Volk, zum Telefon zu greifen oder Papierformulare auszufüllen. Die für gut eine halbe Milliarde Dollar (gut 350 Millionen Euro) von mehr als 50 privaten Firmen über Jahre entwickelte Site "HealthCare.gov" muss nach Obamas Worten erst noch repariert werden. "Wir tun alles, was wir irgendwie können, um die Website besser, schneller und früher zum Arbeiten bekommen."
Das Kopfschütteln ist groß. Wie kann der Regierungschef eines Landes, in dem AmazonAmazon, FacebookFacebook, GoogleGoogle und AppleApple gegründet wurden, sein Prestigeprojekt so daneben gehen lassen? "Im 21. Jahrhundert ist es nicht so kompliziert, eine Internetseite einzurichten, auf der die Leute etwas kaufen können", höhnt der republikanische Senator Marco Rubio. "Schicke die Air Force One nach Silicon Valley. Belade sie mit schlauen Leuten. Bringe sie nach Washington und löse das Problem", rät Obamas Gegner im Präsidentenwahlkampf 2008, Senator John McCain. Alles zu Amazon auf CIO.de Alles zu Apple auf CIO.de Alles zu Facebook auf CIO.de Alles zu Google auf CIO.de
Was von Deutschland aus vielleicht wie ein alttäglicher Fall von Behördenschlamperei anmuten mag, ist für Obama in Wirklichkeit ein Drama. Nicht nur ist die Gesundheitsreform sein Prestigeprojekt, für das er in seinen ersten Jahren erbittert kämpfte und viel politisches Kapital verheizte. Auch war sie jüngst der Auslöser für die 16-tägige Lahmlegung seiner Regierung und den Beinahe-Bankrott der USA.
Die oppositionellen Republikaner blockierten den Staatsetat und die Anhebung der Schuldengrenze allein deshalb, um Obama zu zwingen, die Einführung seiner Krankenversicherungspflicht zu verschieben. Sie verloren damit zwar auf ganzer Linie, weil der Präsident hart blieb. Doch nun muss er sie im schlimmsten Fall wegen der technischen Probleme doch noch verzögern. Eine kaum auszumalende Pleite.
So ist sein Triumph von vergangener Woche schon fast wieder Makulatur. Die Opposition kann nicht nur schon wieder Witze auf seine Kosten machen, sondern auch Morgenluft im Kampf gegen "Obamacare" wittern. Senator Rubio brachte bereits ein Gesetz ins Spiel, das die Versicherungspflicht aussetzt, bis die Internetseite sechs Monate fehlerfrei läuft.
Sein Argument: Man könne Bürger nicht zwingen, etwas abzuschließen, wenn das technisch unmöglich sei. Das Weiße Haus lehnt solche Forderungen nur noch als "verfrüht" ab, aber nicht mehr als undenkbar. Doch die Zeit wird knapp. Innerhalb eines Jahres sollen sieben Millionen Menschen durch "Obamacare" versichert sein. Wie viele es bislang sind, traut sich die Regierung nicht zu sagen. (dpa/rs)