Virtuelle Realität
Gelingt der Sprung vom Hype zum Massenprodukt?
Konzerte oder Sportereignisse vom Sofa verfolgen, als wäre man live dabei. Den geplanten Urlaubsort oder die künftige Wohnung mit einem virtuellen Rundgang aus verschiedenen Winkeln begutachten. Oder per Computerspiel in digitale Welten abtauchen. Virtuelle Realität (VR) ist der Trend der Stunde. 2016 war das Jahr, in dem Virtuelle Realität für viele erstmals erlebbar wurde. Dank der neuen Brillen konnten Konsumenten einen Eindruck bekommen, wohin die Reise gehen kann. Wird sich neue Technologie 2017 endgültig durchsetzen?
"Der weitere Erfolg von Virtual Reality steht und fällt mit den verfügbaren Inhalten", sagt Timm Lutter vom Branchenverband Bitkom. "Das ist ganz entscheidend." 2016 sei aber schon ein Durchbruch erfolgt, "weil breite Bevölkerungsschichten erste Erfahrungen damit gemacht haben".
Der Markt für VR-Brillen
Konzerne wie Sony, Samsung, HTC und die Facebook-Firma Oculus brachten VR-Brillen oder Headsets auf dem Markt. Bis September setzte Samsung weltweit 1,8 Millionen Stück seiner Gear VR ab, allein 200 000 in Deutschland.
Neben den recht teuren Angeboten gibt es aber auch günstige Varianten, etwa Cardboards aus Pappe, mit deren Hilfe man - in Kombination mit dem Smartphone - in die digitalen Welten abtauchen kann. Nach Berechnungen der US-Analysten von IDC steigt die Zahl der an den Handel ausgelieferten VR-Headsets von 10 Millionen im Jahr 2016 bis 2020 um mehr als das Sechsfache.
Das Gefühl "mitten dabei zu sein" bietet vielen neue Chancen: Es eröffnet etwa der Reise-, und der Immobilienbranche, aber auch der Porno- oder der Gamingindustrie ungeahnte Möglichkeiten. Großes Potenzial sehen auch die Investmentbanker von Goldmann und Sachs: Ihren Prognosen zufolge soll der Markt für Virtual Reality und Augmented Reality (AR) - bei der digitale Inhalte in die Umgebung eingeblendet werden - bis 2025 etwa 80 Milliarden Dollar umfassen.
Während AR in diesem Jahr durch das Smartphone-Spiel "Pokémon Go" vielen Millionen Monster-Jägern bekannt wurde, ist der Nutzen von VR vielen noch unbekannt - zumindest was die Praxis betrifft.
Laut einer Bitkom-Umfrage interessieren sich 41 Prozent der potenziellen User vor allem für die Möglichkeit, Computer- und Videospiele in der virtuellen Realität zu erleben. Mehr als ein Drittel (35 Prozent) kann sich vorstellen, Orte zu bereisen. Dahinter folgen Musikkonzerte (23 Prozent), Filme (20 Prozent) und Sportereignisse (19 Prozent).
- Oculus-Rift
Die spezielle VR-Brille in Kombination mit Sound über Kopfhörer schirmt den Betrachter der virtuellen Welt komplett von der realen Umgebung ab. Die virtuelle Welt lässt sich rundum im 360-Grad-Blickwinkel erkunden und der Anwender kann mit ihr interagieren. - HTC Vive
Gemeinsam mit dem Software-Unternehmen Valve entwickelte HTC die VR-Brille HTC Vive. Obwohl Valve ein Unternehmen für Spiele-Software ist, strebt HTC den Einsatz der Brille auch im geschäftlichen Bereich an, etwa im medizinischen Umfeld und in der Automobilbranche. - Oculus-Rift
Die VR-Brille Oculus Rift entwickelte die Firma Oculus VR. Sie gilt allgemein als der Pionier unter den Herstellern von VR-Brillen. Nachdem das erste Entwickler-Modell im Jahr 2013 vorgestellt wurde, ist die endgültige Version seit März dieses Jahr für den Endverbraucher verfügbar. Die Brille gibt es unter den Bezeichnungen Oculus Rift für den Anschluss an einen PC und Oculus Gear zur Verwendung mit einem Samsung-Smartphone. - Samsung Gear-VR
Diese Samsung VR-Brille entstand in Zusammenarbeit mit Oculus VR. Bis heute wurden mehrere Versionen vorgestellt. Sie ist ausschließlich für Smartphones der Modelle Samsung Galaxy Note 4, Galaxy S6, Galaxy S6 Edge (+) und Note 5 zu verwenden. Auch die Software der Brille stammt von der Firma Oculus VR. - Microsoft HoloLens
Die Brille von Microsoft wird für Augmented Reality im privaten und industriellen Einsatz entwickelt. Die bisher gezeigten Anwendungen sind spektakulär. - Google Cardboard
Eine der einfachsten VR-Brillen, aber eine geniale Idee, um preiswert und schnell in die VR-Welt einzutauchen. Für rund 20 Euro erhält man ein Stück Pappe, aus dem nach Faltanleitung eine VR-Brille entsteht, und ein optisches Linsensystem aus Plastik. Die Cardboardbrille ist ausschließlich für Smartphones als Display geeignet. Dazu wird das Smartphone in die Pappbrille eingeschoben und die gewünschte VR-App gestartet.
Integration von Virtual Reality in den Alltag
Besuch im Berliner Computerpielemuseum, wo gerade ein Bereich für virtuelle Realität eröffnet wurde. "Wir sehen gerade den zweiten Anlauf - VR im Bereich der Unterhaltung zu verwerten. Mitte der 1990er gab es bereits Automaten, das hat sich damals aufgrund mangelhafter Technik noch nicht durchgesetzt", erklärt Museumschef Andreas Lange. Die jetzige Entwicklung sei ein "absoluter Meilenstein", meint er. "Das weiß jeder, der schonmal erfahren hat, wie sich so eine Spielwelt anfühlt."
Erste Eindrücke was alles bei Konzerten möglich ist, lieferten die Red Hot Chili Peppers vor einigen Monaten bei einem Konzert in Berlin. Mit Hilfe von 360-Grad-Kameras, die etwa auf der Bühne installiert wurden, wurde das Spektakel live im Internet gestreamt. In 40 Ländern konnten Fans von zu Hause oder unterwegs das Konzert über ihr Smartphone mit Hilfe von Virtual-Reality-Brillen aus besonderer Nähe und mit einem Rundum-Blick anschauen.
In den USA überträgt die Basketball-Profiliga NBA bereits 25 Spiele der laufenden Saison mit entsprechender Technik. In Deutschland experimentieren Fernsehsender wie ZDF, RTL oder Sky mit 360-Grad-Videos. Die Frage sei jetzt, ob es für virtuelle Realität ein nachhaltiges Interesse gebe oder ob es sich um einen kurzen Hype handele, sagte Stephan Heimbecher von der Deutschen TV-Plattform kürzlich. "Und: wird sich überzeugender VR-Inhalt zu vernünftigen Preisen realisieren lassen?" (Jenny Tobien, dpa/ib)