Nicht nur im britischen Shop
In Luxemburg kündigt sich der Brexit an
Bei Mark Hollis geben sich die Briten die Klinke in die Hand. Sie kommen, um Dinge aus ihrer Heimat zu kaufen: englischen Tee, Cumberland-Würstchen, Bacon, Chips oder den Toastaufstrich Marmite. "Viele Dinge gibt es in Luxemburg nur hier", sagt Rebecca Birmingham, als sie mit zwei vollen Tüten den Laden "Home from Home" im luxemburgischen Strassen verlässt. Sie kommt regelmäßig. "Ich mag auch den irischen Käse."
Dass der Laden so gut einschlägt - das hätte Hollis nicht erwartet, als er vor rund zwei Monaten mit seinem irischen Kollegen John Heffernan an den Start ging. "Vor allem an den Wochenenden ist es hier supervoll", sagt Hollis (50), der seit rund 20 Jahren im Großherzogtum wohnt. Da liegen auch frische Bagels, kreisrunde Crumpet-Küchlein und typisches Gebäck (Scone) in den Regalen. "Es gibt einfach Dinge, die Briten vermissen und ohne die sie aus irgendwelchen Gründen nicht überleben können."
Bereits heute lebten rund 7000 Briten in Luxemburg, sagt Hollis. Mit dem Brexit könnten es deutlich mehr werden, schätzt der Ex-Broker. Denn etliche Firmen haben bereits angekündigt, dann von der Londoner City nach Luxemburg überzusiedeln beziehungsweise ihr Engagement im Großherzogtum auszuweiten. Klar freut sich Hollis über noch mehr Kunden. "Ich denke aber, der Brexit ist eine schlechte Entscheidung für Großbritannien", sagt er.
In der Tat - eine Reihe von Unternehmen hat erklärt, als Folge des Brexit in Luxemburg neu oder verstärkt Fuß zu fassen, sagt die Sprecherin der Agentur Luxembourg for Finance (LFF), Lynn Robbroeckx. Dazu gehörten große Namen wie der Versicherungskonzern American International Group, die US-amerikanische Investmentgesellschaft Blackstone, die Citibank oder JP Morgan. Rund 15 Firmen hat sie bereits auf der Liste stehen. LFF ist 2008 von der Luxemburger Regierung und der Luxemburger Finanzindustrie gegründet worden.
"Wie viele Menschen diese Unternehmen dann wirklich bewegen, wird von dem Ergebnis der Verhandlungen abhängen - ob es ein harter oder ein weicher Brexit wird", sagt Finanzexpertin Robbroeckx. Viele stammten aus der Versicherungsbranche und dem Fondssektor. Luxemburg gelte für sie als attraktiv: Das Land sei nach den USA der zweitgrößte Fondsmarkt, viele internationale Versicherer seien hier zu Hause. "Die Unternehmen müssen hier das Rad nicht neu erfinden."
Auch Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel rechnet künftig mit mehr Briten: "Wir gehen davon aus, dass weitere Firmen aus dem Vereinigten Königreich sich für Luxemburg als Einstieg für den europäischen Markt entscheiden", sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Luxemburg sei ein weltweit anerkannter Finanzplatz mit stabilem Wachstum. Er habe "seine Stärken und überzeugende Argumente", und zwar nicht erst seit der Entscheidung zum Brexit. "Wir haben bewusst darauf verzichtet, großangelegte Kampagnen in London zu organisieren und wie Aasgeier über der City zu kreisen."
Nach Angaben von LFF zählt das Großherzogtum derzeit mehr als 140 internationale Banken. Zudem hätten 97 der weltweit 100 Top-Fondsgesellschaften ihren Sitz in dem zweitkleinsten Land der EU sowie mehr als 300 Versicherer. Etliche Unternehmen wollten in Luxemburg ihre Europa-Niederlassung eröffnen, sagt Robbroeckx.
Hollis und Heffernan, der ebenfalls viele Jahre Broker war, haben bereits weitere Pläne. "In der Zukunft wollen wir einen Teeladen aufmachen", erzählt Hollis. Dort soll es dann auch britische Souvenirs geben. Das Duo fährt zwei Mal pro Woche mit einem Kühllaster ins englische Kent, um frisch einzukaufen.
Hollis, Vater von vier Kindern, lebt gerne in Luxemburg. Sein Zuhause ist in Biwer im Westen des Landes. "Es ist eine wunderschöne Gegend." Und privat fährt er auch zum Einkaufen - nach Deutschland. "Ich gehe oft in Konz (Kreis Trier-Saarburg) einkaufen. Vor allem Drogerieartikel und Milch sind dort viel billiger als in Luxemburg." (dpa/ad)