Hochhäuser der Zukunft

Obsternte im Wolkenkratzer

25.03.2014
Von Thomas Kuhn und Dieter Dürand

Dramatischer Zeitenwechsel

Dennoch ist klar, dass etwas passieren muss, sollen die Megacitys unter dem Ansturm der Menschen nicht kollabieren. Es ist ein dramatischer Zeitenwechsel. Jahrtausende lebte die Menschheit mehrheitlich auf dem Land. Doch schon im Jahr 2050 werden UN-Schätzungen zufolge knapp sechseinhalb Milliarden Menschen in Städten wohnen - rund zwei Drittel aller Männer, Frauen und Kinder. Besonders in Asien und Afrika ziehen sie in Scharen in die Städte.

Die Urbanisierung ist nicht aufzuhalten. Umso wichtiger wird es, sie in Bahnen zu lenken, die die Funktion der Städte als Wirtschaftsmotor und Wiege der Zivilisation nicht bedroht. Ihnen fällt, so sieht es Architekturlegende Speer, eine Schlüsselrolle beim schonenden Umgang mit Umwelt, Naturschätzen und Klima zu. Daher mahnt er: "Die Welt hat nur Bestand, wenn die Städte nachhaltig werden."

Niemand setzt das so kompromisslos um wie der Belgier Callebaut. Fischbecken, Gemüsebeete und Kuhwiesen sind in seinen Entwürfen nicht grünes Feigenblatt. Ebenso wenig wie die Windräder oder Solarpanele. Sie sind Kern seiner Philosophie, Energie und Lebensmittel wieder dort zu produzieren, wo sie verbraucht werden. "Ich will die Landwirtschaft in das Herz der Städte bringen", sagt er.

Callebaut verweist auf Schätzungen von Wissenschaftlern, wonach in 35 Jahren bereits doppelt so viel Reis, Mais und Weizen geerntet werden müsse, um die wachsenden Weltbevölkerung ernähren zu können. In New York will er mit seinem Projekt Dragonfly zeigen, welchen Beitrag die Städte dazu leisten können. Auf 132 Stockwerken sollen genügend Äpfel und Pilze angebaut und Hühner gezüchtet werden, um jährlich 150.000 New Yorker satt zu bekommen.

Auch in Deutschland sollen demnächst ähnliche ProjekteProjekte entstehen. Mit ihrem visionären 16-stöckigen Multifunktionshaus stehen der Frankfurter Architekt Bernd Schenk und die Rechenzentrenspezialisten von Prior1 in St. Augustin bei Bonn Callebaut in Sachen Kühnheit kaum nach. Alles zu Projekte auf CIO.de

Wärmequelle Rechenzentrum

Ihr Ausgangspunkt: Sie wollen die großen Wärmemengen, die beim Betrieb von Rechenzentren entstehen, künftig für die Energieversorgung von Städten nutzen. Dazu integrieren sie die Serverstationen in ihr neu konzipiertes Allzweck-Hochhaus. Das Wärmepotenzial, das sich anzapfen lässt, ist beträchtlich, erläutert Oliver Fronk, der für Prior1 das Projekt leitet. Von jeder Kilowattstunde, die die Geräte verbrauchen, erläutert er, werde nur ein Prozent in Rechenleistung umgesetzt - 99 Prozent verpufften bisher als Wärme.

Das wollen Fronk und Schenk ändern. Und dabei das Kunststück schaffen, dass ihr Hochhaus mehr Energie aus regenerativen Quellen gewinnt, als die Computer im RechenzentrumRechenzentrum verbrauchen. Die beiden haben das Gebäude als Stadt im Kleinen konzipiert: mit Platz für Läden, Wohnungen, Büros, Schwimmbad, kleinen Parks und landwirtschaftliche Flächen - drei Fußballfelder groß. Sogar ein Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr ist geplant, ebenso Stromtankstellen für E-Bikes und Elektroautos. Bis zu 600 Menschen könnten in dem Gebäude wohnen und arbeiten. Alles zu Rechenzentrum auf CIO.de

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