Reinigungsfirmen in der Krise
Wenig Aufträge, aber viel Zustimmung
Wo gehobelt wird, fallen Späne, sagt der Volksmund: Wenn aber wie zurzeit in der Corona-Krise keine Arbeit anfällt und viele Büros verwaist sind, merken das auch die deutschen Reinigungsfirmen. Laut dem Bundesverband des Gebäudereiniger-Handwerks ist etwa ein Drittel der Aufträge verloren gegangen. "Wo nicht gearbeitet wird, wird auch nicht gereinigt - so einfach ist es", sagt Thomas Dietrich, Innungsmeister des Verbands.
Das Handwerk der Gebäudereiniger zählt mit etwa 700 000 Beschäftigten zu den größten in Deutschland. In der Corona-Krise müssen viele Reinigungsfirmen neue Arbeiten und Auftragspartner finden. Viele warten ab - oder sie werden kreativ wie eine Firma aus Heilbronn: Mit einem mobilen Sprühtank ausgerüstet, gehen Mitarbeiter der Firma MYQS durch die Innenstadt und sprühen Desinfektionsmittel auf die orange-gelben Ampeldrücker, die in Zeiten von Coronaviren eine noch unangenehmere Kontaktfläche sind als ohnehin schon. Den Viren darauf soll der Garaus gemacht werden.
Viele Heilbronner freuen sich im Internet über die Aktion, die im Büro von MYQS aus der Not heraus entstand. Doch einige Nutzer beanstanden, dass das Reinigen der Ampelarmatur spätestens nach dem ersten ungewaschenen Patscher umsonst war. Das Robert Koch-Institut kann nicht ausschließen, dass man sich infiziert, wenn man eine kontaminierte Oberfläche berührt und sich dann ins Gesicht fasst. Wie häufig das Virus auf diesem Weg übertragen wird, sei aber nicht bekannt. Inhaber Daniel Mamsch kennt den Vorwurf. Daher bringen seine Mitarbeiter nach dem Reinigen einen Aufkleber auf dem Schalter an, der darauf hinweist, beim Drücken Handschuhe oder den Ellbogen zu nutzen.
Aufträge aus der Autoindustrie fallen weg
Ein großer Anker in Mamschs Firma sind üblicherweise Arbeiten in der Autoindustrie - das fällt derzeit komplett weg. Mamsch muss jetzt etwa 60 Mitarbeiter durch die Krise lotsen. Zusätzlich zu den Ampelanlagen bekommt er vereinzelt Anfragen von Firmen, die ihre Büros wegen eines an Covid-19 infizierten Mitarbeiters desinfizieren lassen wollen. Zusätzlich zu den Ampeln sind das aber nur kleine Lichtblicke: "Wir profitieren nicht wirklich", sagt er.
Das von der Bundesregierung eingeführte Kurzarbeitergeld und die Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen helfen laut Branchenkennern nur vereinzelt. Das musste auch Jürgen Gödecker erfahren, er betreibt eine Gebäude- und Büroreinigungsfirma in Karlsruhe und für seine Mitarbeiter hat er vor etwa vier Wochen Kurzarbeitergeld beantragt. Bislang hat sich noch niemand bei ihm gemeldet. "Von wegen schnelle Hilfe", sagt Gödecker. Sein Betrieb bekomme zwar noch Anfragen, hat aber durch die Krise etwa 80 Prozent seiner Aufträge verloren.
Hilfe kommt bei Arbeitnehmern nicht an
Dass Gebäudereiniger oft das Nachsehen haben, weil sie im Niedriglohnsektor arbeiten, kritisiert die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Die Hilfen kämen bei den Arbeitnehmern häufig nicht an. In einer Pressemitteilung fordert die Gewerkschaft daher ein höheres Kurzarbeitergeld, wie es auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) anpeilt.
Beim Branchenriesen Piepenbrock aus Osnabrück ruhen ebenfalls viele Aufträge. Sowohl in Teilen der Niederlassungen als auch in der Zentrale in Osnabrück meldete das Unternehmen Kurzarbeit an. Arbeiten im Gesundheitsbereich sind bei Piepenbrock derzeit von "erheblicher Bedeutung" und erfahren eine hohe Wertschätzung, wie Sprecher Steffen Menkhaus sagt.
Auch bei Wisag, eine der größeren Reinigungsfirmen in Deutschland, entstehen nach Unternehmensangaben im Gesundheitsbereich neue Aufträge. Die fehlende Arbeit in Schulen und Kitas mache sich dennoch bemerkbar: Um Reinigungskräfte aus der Kurzarbeit herauszuhalten, werden diese teils bei Arbeiten in der Logistik, im Einzelhandel oder als Erntehelfer eingesetzt, wie eine Sprecherin sagt.
60 Prozent weniger Aufträge durch Corona
Eric Makiesse Eduardo von der EME Gebäudereinigung aus Stuttgart schätzt, dass etwa 60 Prozent seiner üblichen Reinigungsaufträge wegen der Corona-Krise wegfallen. Und Makiesse Eduardo ärgert sich über die hohen Preise, die zurzeit für Schutzmasken und Desinfektionsmittel verlangt werden: Kostete eine Maske vor der Krise vier Euro, sind es nun 15 bis 20. Jürgen Gödecker aus Karlsruhe wurde ein Liter Desinfektionsmittel für 40 Euro angeboten. Vor der Krise bezahlte er nach eigenen Angaben etwa acht Euro für 500 Milliliter.
Wie lange halten die Firmen das durch? Darüber entscheidet laut dem Branchenverband nur der Faktor Zeit. Viele Beschäftigte seien bereits in Kurzarbeit. "Über eine Kurzstrecke lässt sich ein Lockdown betriebswirtschaftlich verschmerzen, wird der wirtschaftliche Stillstand allerdings zum Marathon, dann wird es schwierig", sagt Thomas Dietrich vom Verband des Gebäudereinigerhandwerks.
Einen Lichtblick aber gibt es: Die Anerkennung steige, betont der Branchenverband und verweist auf eine selbst initiierte Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa. Demnach halten 96 Prozent der Bürger die Arbeit der Gebäudereiniger für sehr wichtig oder wichtig. Und jeder Vierte findet sie wichtiger als vor der Krise. (dpa/ad)