BI und RPA in Kombination
Wie Process Mining künftig geht
Benjamin Aunkofer ist Gründer von DATANOMIQ, einem Dienstleister für Data Science und Business Analytics, sowie Mitbegründer des Vereins für datengestützte Produktion und Logistik, Connected Industry e.V. Er ist Software-Entwickler (IHK) und Wirtschaftsingenieur (M. Sc.), steuert als Chief Data Scientist aktiv Data Science Teams und gilt als Spezialist für Big Data Analytics und Industrie 4.0.
The Next Big Thing: Task Mining
Einer der größten Kritikpunkte an Process Mining war häufig, dass die Analyse nicht tief genug in Prozesse blicke und Optimierungspotenziale deswegen nicht richtig gehoben werden könnten. Dabei kann Process Mining beliebig granular werden, solange die Daten dafür existieren oder generiert werden können. Ein neuer Trend ist die Analyse auf Mikro-Ebene: Die Auswertung von einzelnen Klick-Daten schließt die Lücke zwischen Prozessanalyse und -automatisierung.
Noch sind die Anwendungsfälle für Task Mining gerade in Deutschland auch wegen des Datenschutzes recht dünn gesät. Dennoch lassen sich zum Beispiel im Produkt- beziehungsweise Software-Testing Ansatzpunkte finden, denn hier kann jeder Aspekt der Nutzung, jeder einzelne Klick in einer Masse an Eingabedaten durch eine Vielzahl an Nutzern wertvolle Informationen liefern. Die analytische Verwandtschaft mit dem Web-/App-Tracking wie etwa mit Google Analytics ist unverkennbar.
Process Mining und Business Intelligence werden also weiter zusammenwachsen und auch die Gegenseite, nämlich ERP- und andere IT-Systeme versuchen teilweise bereits auf diese Analysemethodik zu setzen und zumindest die Datenbereitstellung für Process Mining zu erleichtern. Ferner wird auch die Robotic Process Automation (RPA) mit Process Mining enger verzahnt werden. Task Mining ermöglicht die Analyse viel granularer Prozessschritte und liefert Automatisierungsvorhaben die nötige Datengrundlage für dynamische RPA-Lösungen, beispielsweise für die Automatisierung von Produkt-/Software-Tests.
Manche Anbieter kommen aus genau dieser Richtung. Sie setzen vor allem auf RPA-Lösungen und erweitern ihr Angebot mit Process Mining als Analyseplattform. So kaufte das RPA-Unternehmen UiPath 2019 das zuvor für Process Mining etablierte Unternehmen ProcessGold und ergänzt sein Angebot der Prozessautomatisierung somit mit einer Prozessanalyse.
Process Mining: Was Sie zum Einstieg brauchen
Process Mining Tools
Für den Einstieg in Process Mining gibt es mittlerweile eine ordentliche Auswahl an Tool-Anbietern, mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Welches Tool das richtige für ein Unternehmen ist, hängt stark von den erwarteten Anwendungsfällen, der Integration in das Unternehmen und in die bestehende IT- und BI-Infrastruktur sowie von dem Anspruch an die Art der Analyse ab, zum Beispiel von kurzfristigen Projekten bis hin zum Langzeit-Monitoring von Prozessen mit Analyse in nahezu Echtzeit.
Auch strategische Ziele wie etwa die Organisation von Process Mining und Business Intelligence, Data Science, Prozessmanagement und RPA spielen bei der Tool-Auswahl eine entscheidende Rolle. Während einige Unternehmen zentralisieren und bündeln wollen, verteilen andere diese Aufgaben auf ganz unterschiedliche Abteilungen.
In jedem Fall handelt es sich hierbei um eine Analysemethodik, die für die nächsten Jahre immer wichtiger werden wird und in vielen Unternehmen bereits heute eine entscheidende Rolle in der Prozessoptimierung und im -audit spielt.
Die meisten Anbieter von Software für Process Mining versuchen die gängigsten Standardprozesse in den bekannteren ERP- und CRM-Systemen, wie etwa von SAP, Microsoft oder Salesforce, hinsichtlich der Event-Log-Generierung und der Datenbereitstellung als eigenen Standard-Connector zu implementieren. Diese Anbindung soll zum einen den Einstieg in Process Mining erleichtern, möglichst bis zur Plug&Play-Lösung. Zum anderen versuchen diese Anbieter ihre Kunden auch an die Lösung zu binden und die Hürden für einen möglichen Anbieterwechsel möglichst hoch zu setzen.
Tatsächlich erleichtern Standardanbindungen den Einstieg für ein Unternehmen, insbesondere, wenn weitere Vorteile damit verbunden sind. So bringt Celonis mindestens für aktuelle Versionen von SAP und Salesforce bereits Echtzeit-Datenkonnektivität mit. Damit können Daten in Echtzeit, das heißt unter einer Minute, extrahiert und analysiert werden. So sollen sich Reibungsverluste besser erkennen und prozessbegleitende, kontextbezogene Aktionen ebenfalls in Echtzeit für Anwender bereitstellen lassen.
Um eventuelle Einstiegshürden für Anwender zu senken, versuchen einige Tool-Anbieter, die Erstellung von einfachen Event Logs durch eigene ETL-Tools möglich zu machen oder zumindest zu erleichtern. ETL-Lösungen von Celonis, UiPath oder Lana Connect des Anbieters Lana Labs bieten neben einigen Standard-Anbindungen auch ein ETL-Tool speziell für den Process-Mining-Anwendungsfall. Lana verspricht dabei eine einfache Nutzung der Datenaufbereitung, so dass auch weniger technisch erfahrene Nutzer eigene einfache Datentransformationen ohne Programmierkenntnisse durchführen könnten. Das funktioniert meist nur bei einfachen Fällen, doch könnten von Data Engineers vorbereitete komplexere Datentransformationen selbst einfach angepasst oder erweitert werden.
Data Engineers
Data Engineers entwickeln Data Warehouses und stellen Daten über bestimmte Kanäle in gewünschten Formaten bereit. Dies unterscheidet sie von Data Analysten, die Daten statistisch analysieren, und von Data Scientists, die Statistik noch umfassender anwenden und auch Modelle des maschinellen Lernens entwickeln, um Muster in Daten aufzuspüren.
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Die Data Engineers spielen gerade zu Beginn der Process-Mining-Einführung die wichtigste Rolle, denn sie identifizieren die relevanten Daten in den Datenbanken - das Daten-Backend der ERP-, CRM- und aller anderen IT-Systeme - und sie fusionieren und transformieren sie zu der zuvor erwähnten protokollartigen Struktur eines Event-Logs, das die Datengrundlage für die Process-Mining-Tools darstellt. Dies erfolgt über Datenfluss-Ketten, die den Fluss von den Quellsystemen über die Fusion und Transformation bis hin in das Process-Mining-Werkzeug automatisieren.
Unternehmen, die den Einstieg in die datengetriebene Prozessanalyse finden möchten, sollten über Data Engineers die Datenbereitstellung direkt selbst in die Hand nehmen. Dieser Weg sichert den Erhalt der Hoheit über die eigenen Daten. Insbesondere Unternehmen, die recht individuelle Prozesse haben oder ein weniger verbreitetes ERP-System verwenden, bleibt ohnehin nichts anderes übrig, als auf Data Engineering zu setzen. Werden bei der Erstellung des Event-Logs einige Aspekte der Datenformate sowie der Bereitstellung dieser Daten beachtet, lässt es sich universell verwenden. Die technische Organisation bleibt somit offen für nahezu jedes Process-Mining-Tool und muss sich nicht abhängig von einzelnen Anbietern machen.
Hinsichtlich der Datenhoheit ist ferner zu berücksichtigen, dass einige Anbieter auf eine Cloud-Strategie setzen und zukünftig keine On-Premises-Lösungen mehr anbieten. So stellt Celonis seine Process-Mining-Technologie in der Celonis-eigenen Intelligent Business Cloud (IBC) bereit.
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Die Möglichkeiten zum Einstieg in Process Mining sind vielfältig. Am einfachsten ist sicherlich der Gang zu den jeweiligen Tool-Anbietern, die oft Trainings oder sogenannte Boot-Camp-Events anbieten. Eine neutralere Veranstaltung, die Process Mining als Analyse-Methode jährlich in den Mittelpunkt stellt, ist die ICPM Conference. Die Neutralität einer solchen Veranstaltung bietet die besten Chancen auf einen objektiven Eindruck von der Analysemethodik und den Tool-Anbietern.
Für die Einführung oder den Ausbau von Process Mining im Unternehmen sollte ferner auch das Hinzuziehen von unabhängigen Datenexperten, die bereits Erfahrung mit Process Mining haben und die Mitarbeiter parallel zur Einführung begleiten, in Erwägung gezogen werden. Bestenfalls verfügen diese Experten über Erfahrung mit mehr als nur einem Tool-Anbieter.
Das Know-how ist entscheidend, denn zum einen sind Process-Mining-Projekte immer interdisziplinär zwischen Fach-, Daten- und Tool-Wissen aufgehängt. Zum anderen ist darauf zu achten, später zwischen den Tools möglichst einfach wechseln zu können. Denn wie sich gerade aktuell zeigt, ist der Markt im schnellen Wandel.