Inteview mit Parker Harris
Wie Salesforce.com high bleiben will
Salesforce.com als "Level 1"-Cloud-Firma
Vor etwa drei Monaten habe ich mich mit Charles Phillips, CEO von Infor, unterhalten, und er bezeichnete Salesforce.com als "Level 1"-Cloud-Firma. Da Sie nach wie vor auf eine eigene Infrastruktur setzten, seien Sie quasi von gestern. Was halten Sie davon? Können Sie sich vorstellen, irgendwann einmal auf eine eigene Infrastruktur zu verzichten?
Parker Harris: Das mag sein.
Anders gefragt: Ist es für Sie von Nachteil, noch über eine eigene Infrastruktur zu verfügen?
Parker Harris: Ich glaube nicht, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit davon abhängt, ob wir eine eigene Infrastruktur besitzen oder nicht. Bis heute wollen unsere Kunden Ihre Services von uns gehostet haben. Wir legen größten Wert auf Sicherheit - und so mancher Kunde will die Rechenzentren mit all diesen Sicherheitsfunktionen besichtigen. Als Kunde einer Public Cloud können Sie das nicht, Sie können nicht einfach in ein Rechenzentrum von Amazon reinmarschieren. Auch nicht bei Microsoft mit Azure.
Wieder einmal folgen wir damit den Wünschen unserer Kunden, die uns total vertrauen können wollen. Wir haben diese Firma gegründet, noch bevor Amazon und all die anderen in dieses Business eingestiegen sind. Insofern kann ich Chuck Phillips ein wenig Recht geben: Wir waren am Start bevor es öffentliche Infrastrukturen gab. Also haben wir zwangsweise unsere eigene gebaut - die ganz hervorragend ist. Sie funktioniert, sie skaliert. Aber natürlich halten wir uns alle Möglichkeiten offen. So gibt es Services, die wir in einer Public Cloud betreiben. Besagtes Heroku ist in der Public Cloud, RelateIQ ist es, auch Desk.com.
Wir haben da einen hybriden Blick auf die Welt: Der Mann, der unsere Rechenzentren und unsere Strategie verantwortet, hat vorher für Microsoft und Azure gearbeitet. Für mich dreht sich dabei alles um Automatisierung. Einige Services eignen sich für die Public Cloud - da sind wir ganz flexibel und sehen uns an, wohin sich die Industrie entwickelt. Um ehrlich zu sein beobachten wir vor allem die Kosten für die Nutzung der Public Cloud.
Das genau war sein Punkt: Phillips rechnet mit einem solchen Wettbewerb rund um die Plattformen, dass es zu einem starken Preisverfall kommen wird. Eine eigene Infrastruktur rechne sich daher künftig nicht mehr.
Parker Harris: Das könnte so kommen, aber Dropbox oder Box, ich weiß nicht wer von den beiden, hat gerade mitgeteilt, dass die Preise steil nach oben gehen werden. In dem Fall müssten Sie sich schnell überlegen, wie sie wieder von der Public Cloud abspringen könnten. Manch einer führt hier Diskussionen mit geradezu religiösem Eifer. Ich bin da ganz agnostisch eingestellt. Wir werden es ja sehen. Und wir werden sehen, was die Kunden künftig von uns haben wollen. Das geben wir ihnen, egal was es ist.
Was gibt es beim Betreiben von großen Infrastrukturen zu beachten? Was ist das wichtigste?
Parker Harris: Schwierige Frage, da gibt es einiges zu beachten. Meiner Meinung nach ist der Übergang zum softwarezentrierten Rechenzentrum am wichtigsten. Charlie Bell von Amazon, ein guter Freund von mir, hat bereits vor Jahren berichtet, dass sie viele Softwareentwickler angeheuert haben, um ihre Rechenzentren zu verwalten. Hardwarespezialisten, die wissen wohin die verschiedenen Kabel gehören, hätten nicht die entsprechende Denke. Und damit hat er absolut Recht. Das Geheimnis des Betriebs eines großen Rechenzentrums heißt Automatisierung.
Randy Kern, den wir angeheuert haben, hat für Azure Autopilot gebaut, Microsofts Automatisierungs-Layer. Sowas muss skalieren und mit Fehlern umgehen können. Menschen sind für so etwas zu langsam - nur Software ist schnell genug, um auf Fehler reagieren zu können. Auch in Bezug auf Security geht ohne Software gar nichts mehr.
Da reicht es nicht, ein oder mehrere Personen vor den Bildschirm zu setzen. Es braucht Rechner und Informatik - es geht tatsächlich darum, dass Software die Welt auffrisst, wie Marc Andreessen es mal formuliert hat. Software frisst auch das Rechenzentrum. Das ist das Geheimnis großer Rechenzentren.
Wir haben diesen mehrmandantenfähigen Dienst aufgebaut, der mit wenig Hardware auskommt. Das war ziemlich cool, sehr cool sogar. Nun, da wir uns in Bereiche wie Analytics hinein bewegen, benötigen wir aber noch mehr davon. Aber umso höher so etwas skaliert, umso mehr Automatisierung wollen Sie. Und natürlich noch mehr Rechenzentren. Und möglicherweise wollen Sie auch Ressourcen aus der öffentlichen Cloud nutzen. Der Schlüssel zu alldem ist Software.
Sie befinden sich also gerade mitten drin in den Erweiterungsarbeiten. Was ist aktuell ihr größtes Problem, das es zu lösen gilt?
Parker Harris: Effizienz und all das, worüber ich gerade gesprochen habe. Aktuell schaffen wir massiv Rechencluster und Speichercontainer an, alles fertig zusammengesetzt. Darauf bewegen wir uns zu: Vorgefertigte Komponenten.
Die Frage ist aber immer, welche Software darauf gespielt worden ist. Mittlerweile haben wir so viel verschiedene Software am Start, etwa durch unsere verschiedenen Akquisitionen wie etwa ExactTarget. Wie können wir das alles zusammenbringen und einen Service aufbauen, der wie aus einem Guss wirkt? Ein gemeinsamer Layer macht es möglich, der auch für Sicherheit sorgt und mit Failovers umgehen kann.
Außerdem bauen wir immer mehr Rechenzentren außerhalb der USA. In Großbritannien haben wir eines eingeweiht, eines in Tokio. Noch in diesem Jahr wird eines in Deutschland folgen. Dazu kommt Frankreich, Kanada, Australien. Nur mittels Automatisierungsmechanismen können wir das schnell durchführen. Möglicherweise holen wir uns auch Rechenzentren im Container und verfrachten sie dorthin, wo sie benötigt werden. Oder wir nutzen öffentliche Clouds.
Sie haben vor wenigen Jahren riesen Fortschritte in Sachen agiler Entwicklung gemacht.
Parker Harris: Oh ja, das haben wir. Vor acht oder neun Jahren. Da hatten wir eine kleine Krise: Ursprünglich waren wir sehr agil und veröffentlichten neue Releases unserer Software alle drei Wochen, dann alle vier Wochen, dann nur noch alle zwei Monate, schließlich vierteljährlich. Und dann wurde es sehr viel langsamer: Releases kamen nur noch zweimal im Jahr, jetzt einmal. Deswegen gab es intern jede Menge Heckmeck, wir mussten uns was einfallen lassen.
Und dann haben Sie das Ruder herumgerissen und sich ganz auf die agile Anwendungsentwicklung konzentriert.
Parker Harris: Das hab ich getan.
Damit haben Sie jede Menge Erfahrung - verraten Sie uns: Wie sieht die Zukunft der Entwicklung aus?
Parker Harris: Wir haben gerade die Verbesserung der Produktivität unserer Entwickler in Angriff genommen. Unsere Angestellten sollen die besten Tools und Services zur Verfügung haben. Ein Teil der Lösung besteht in Microservices, wie man heutzutage sagt. Damit lässt sich das Problem lösen, einen großen Service zu betreiben und gleichzeitig an kleinen Teilen daran weiterzuarbeiten. Zudem liefern sie Einblicke in die Nutzung dieses Teilbereiches. Wird er überhaupt genutzt?
Das ist eine echte Herausforderung, und einige Wettbewerber sind uns da bereits etwas voraus. Wir nehmen uns unsere Code Base vor und brechen sie in kleine Teile, es entstehen mehr Services und mehr APIs, Layer bilden sich aus, der UI-Layer löst sich vom Kern-Backend, wodurch ein Wechsel des UI kein Problem mehr ist, nicht für die Datenbank, nicht für Storage, auch nicht für die Data Models. Das Backend bleibt unberührt, keine Daten können korrumpiert werden.
Die Zukunft des Programmierens ist designorientiert. Um designorientiert sein zu können, müssen Sie neue UIs schnell erstellen können. Das wollen wir. Für uns ist das eine größere Herausforderung als für andere Unternehmen, weil wir uns ansonsten durch einen integrierten, multitenant-fähigen Service auszeichnen. Das alles muss also auch sehr schnell integriert werden, auch die Metadaten. Im Backend wird alles zerlegt, damit die Entwickler an den verschiedenen Teilen arbeiten können, aber als Service muss es wie aus einem Guss rüberkommen. Das ist gar nicht so einfach. (cio.com)