Fahrverbote treffen Frankfurt
Wohin mit den Diesel-Pendlern?
Deutschlands Pendlerhochburg Frankfurt steht vor einem Kraftakt. In die Finanzstadt mit 750.000 Einwohnern fahren täglich über 360.000 Menschen zur Arbeit und abends wieder hinaus. Fast zwei Drittel aller in Frankfurt sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wohnen laut der örtlichen Industrie- und Handelskammer nicht dort - ein Spitzenwert. Nun werden wohl tausende Pendler umsteigen müssen: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden entschied am Mittwoch, dass Frankfurt ein Diesel-Fahrverbot umsetzen muss.
Betroffen sind 73.000 ältere Diesel, die dem Kraftfahrtbundesamt zufolge alleine in der Stadt zugelassen sind. Dazu kommen Pendler. Wer ein Auto mit Euro-4-Norm oder älter hat, muss Frankfurt ab Februar 2019 meiden, neuere Diesel-5er bleiben bis September verschont. Die Verbote sollen die Schadstoffbelastung in der Luft senken, wie es der Kläger, die Deutsche Umwelthilfe, gefordert hatte.
Frankfurt muss Fahrverbote umsetzen
Die Umsetzung wäre "ein riesiger bürokratischer Aufwand" hatte Frankfurts Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) kurz vor dem Urteil gewarnt. Denn das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat im Grundsatz den Weg geebnet für etliche Ausnahmen - für Taxis, Gewerbetreibende oder Schichtarbeiter, die vor dem öffentlichen Nahverkehr losfahren. Zugleich muss Frankfurt seine Busse mit Filtern umrüsten. Weitere Entlastung sollen Park&Ride-Plätze bringen, auf denen Pendler ihr Auto stehen lassen und auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen können. Nur wo sollen sie hin in einer Stadt, in der die Wohnungsnot wächst und es kaum freie Flächen gibt?
Frankfurt ist nur ein Beispiel für die Probleme der Großstädte in Deutschland. Weil viele Menschen nicht mehr vom Häuschen im Grünen träumen, sondern in der Innenstadt leben wollen, wachsen viele Metropolen rasant. In Berlin etwa soll die Zahl der Einwohner laut Bevölkerungsprognose bis 2030 um gut 180.000 Einwohner wachsen - das entspricht etwa der Größe von Saarbrücken. Und die Region München soll bis 2036 um bis zu 350.000 Menschen anschwellen.
Zugleich entstehen in der Stadt die meisten Jobs. Daher pendeln viele Menschen immer weiter in die Ballungsräume, der Verkehr wächst - und mit ihm die Schadstoffbelastung. Der öffentliche Nahverkehr kann kaum mithalten. München etwa baut eine zweite Stammstrecke, die U- und S-Bahnen schnell von West nach Ost bringt. Doch das Milliardenprojekt wird erst 2026 fertig. Die Debatte um einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr stößt schnell an die Grenzen der Realität.
Frankfurts Pendlerströme seit Generationen
In Frankfurt bringen die Pendlerströme den Hauptbahnhof an den Rand der Leistungsfähigkeit, die Sanierung des S-Bahn-Tunnels unter der Einkaufsmeile Zeil geht nur mühsam voran. Und vom Riederwald-Tunnel, der eine stark befahrene Straße im Osten entlasten soll, können schon Generationen erzählen. Die Bauarbeiten sollten 1974 beginnen, doch noch heute staut sich der Verkehr überirdisch. Beschwerden von Anwohnern und Umweltverbänden verzögern das Projekt.
Nun soll Frankfurt die Diesel-Fahrverbote nicht nur auf einzelnen Straßen durchsetzen, wie es sie in Hamburg gibt, sondern großflächig bis an angrenzende Autobahnen. Die Wirtschaft ist empört. Logistikern und Handwerkern sei ein Auto-Neukauf kurzfristig nicht zuzumuten, monierte die Vereinigung hessischer Unternehmerverbände. Hessen solle gegen das Urteil in Berufung gehen. Dann könnten Richter feststellen, dass die Grenzwerte sinken. "Es ist realistisch, dass in wenigen Jahren der Stickoxid-Grenzwert nicht mehr überschritten wird."
Frankfurt in der Zwickmühle
Der erlaubte Wert liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, in Frankfurt waren es 2017 im Jahresmittel 47 - eine "relativ geringe Überschreitung, meint der Zentralverband des Deutschen Handwerks. Deshalb Fahrverbote für den ganzen Innenstadtbereich zu erlassen, sei "ein unangemessener Eingriff in die Eigentumsrechte und die Mobilität von Bewohnern, Pendlern und Gewerbetreibenden". Hilfe von der Bundesregierung ist weiter nicht in Sicht: Hardware-Nachrüstungen der Autohersteller lehnt Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ab.
Bleibt die Frage, wer Verstöße gegen das Diesel-Fahrverbot überhaupt kontrollieren soll. Für eine blaue Plakette gibt es keine Rechtsgrundlage. "Wir können ja nicht jeden rauswinken und uns die Kraftfahrzeug-Papiere zeigen lassen", sagt Verkehrsdezernent Oesterling. In Hamburg wird es so ähnlich gemacht: Die Polizei schaut sich Papiere von Autofahrern bei Großkontrollen, aber auch während normaler Streifen an. Wer unerlaubt Diesel fährt, zahlt 20 Euro.
Auch Stuttgart, wo ab Januar 2019 Fahrverbote für ältere Diesel gelten, rüstet sich für Kontrollen. Dort sollen Verstöße 80 Euro kosten, kündigte das Regierungspräsidium Stuttgart an. Manche Autofahrer, die ihren Diesel nicht zum Spottpreis verkaufen wollen, dürften das riskieren. Auch Frankfurt droht ein Katz-und-Maus-Spiel. Es dürfte nicht die letzte Stadt mit Fahrverboten bleiben. Auch in Berlin, Düsseldorf, Köln und Mainz laufen Klagen der Umwelthilfe.