Strategien


Praxis-Ratschläge

6 Gründe, warum Cross Channel Management scheitert

18.12.2013
Von Michael Müller

Das Beispiel Media Markt

Beispiel Cross-Channel-Management-Architektur
Beispiel Cross-Channel-Management-Architektur
Foto: ClientLink, Management & Value Chain Consulting

Die Auswirkungen eines unausgereiften Cross Channel-Konzeptes lässt sich trefflich am Beispiel Media Saturn festmachen: Das Unternehmen hatte beschlossen, eine Preishomogenität zwischen dem Onlinekanal und dem POS herzustellen, um so bei Kunden aufgrund unterschiedlicher kanalspezifischer Preise nicht das Vertrauen zu verlieren. Zudem wollte man so mit Internethändlern wettbewerbsfähig sein.

Media Saturn war mit seiner dezentralen Preispolitik in der Vergangenheit sehr erfolgreich gefahren, weil regionale Einflüsse wie Einzugsgebiete, Wettbewerb oder Bestpreisstrategien individuell auf jede Filiale angepasst werden konnten. Durch die Absenkung der Preise auf Internet-Niveau verzeichneten die Filialen allerdings einen empfindlichen Umsatzeinbruch, die Margen verringerten sich merklich. Ebenso hatte man im Rahmen dieser Strategie auf Aktionswerbung verzichtet. Weil sich Kunden aber an solche Preisaktionen gewöhnt hatten, führte das zu zusätzlichen Millioneneinbußen am POS - die Markenidentität mit Aktionen war nicht mehr gewährleistet.

Sechs Herausforderungen, die zwingend im Vorfeld einer Cross-Channel-Partie in die Implementierungstaktik mit einfließen müssen. Die Erfolgsformel: unkluge Züge anderen Spielern überlassen, aus deren Fehlern lernen und strategische Felder besetzen.

6 Erfolgsrezepte für Cross-Channel-Projekte

1. Saubere Projektierung und Einbindung des gesamten Unternehmens

Der Vorteil, den man bei einer intensiven Planung und Konzeption im Vorfeld verpasst, lässt sich im Projekt nicht mehr nachholen. Entsprechend müssen alle erfolgskritischen Faktoren schon in der Konzeptionsphase bedacht und berücksichtigt werden. Dazu gehören die Einbindung aller relevanten Stakeholder sowie das Commitment der Geschäftsleitung. Hinzu kommen Kundenmehrwerterlebnisse in Sortiment, Preis, Kommunikation, Services in den individuellen Kanälen: Jeder Verkaufskanal verfügt nicht nur über favorisierte Artikel und Services, sondern auch über individuelle Stärken.

So werden haptische Produkte wie Designartikel, Qualitätswaren wie Lebensmittel oder beratungsintensive Produkte wie technische Geräte eher am POS nachgefragt, weil ein direkter Kontakt mit dem Produkt existiert und der Verkäufer vor Ort beraten kann. Einfache Verbrauchs- und Markenprodukte, die dem Kunden bekannt sind, eignen sich wiederum sehr für den Online-Verkaufskanal, da der Kunde die Qualität der Ware kennt und sich die Bequemlichkeit der Lieferung zunutze macht.

Ferner gilt zu berücksichtigen, dass strukturelle oder IT-technische Aspekte die Möglichkeiten für Cross Channel stark einschränken können. Deshalb sollten im ersten Schritt die Cross-Channel-Dienste favorisiert werden, die tatsächlich auch machbar sind. Zu Beginn können beispielsweise Cross Channel Features wie "Click and Collect" oder digitale Instore-Medien (Connected Store) implementiert werden, die ohne aufwendige IT-Backend-Integrationen auskommen.

2. Kunde im Mittelpunkt

Der Kunde muss erleben, dass er auf allen Kommunikations-, Verkaufs- und Servicekanälen die gleichen oder vernetzten Cross-Channel-Dienste erhält und wird das kanalübergreifende Informations- und Kauferlebnis immer wieder gerne nutzen. Dies lässt sich erreichen, indem sich der Kunde besser informiert oder beraten fühlt oder den Komfort von zusätzlichen Dienstleistungen erlebt.

Darüber hinaus sollte der Kunde in seinem Kaufprozess auf unaufdringliche Art und Weise begleitet werden oder zumindest erkennen, dass er in diesem "geführten Prozess" einen echten Mehrwert erhält. Der Kunde muss von den Cross-Channel-Diensten innerhalb seines Kauferlebnisses begeistert und inspiriert werden. Umso wichtiger ist, das Interesse und den Bedarf für die Dienste zu wecken, anstatt ausschließlich Standardkaufprozesse anzubieten.

3. Durchgängige Integration und ganzheitliche Betrachtung bei Prozess- und IT-Architektur

Auch wenn man in den ersten Schritten ohne eine umfassende Integration der Frontend-, Backend- und Kernprozesse auskommt, ist eine Implementierung über kurz oder lang unvermeidbar. Um Kunden echte Mehrwerte bieten zu können spielen nicht nur die transaktionsorientierten Prozesse wie Einkauf im E-Commerce, Retournierung oder Umtausch am POS eine Rolle, sondern ebenso das Management von Kommunikation und Interaktion in der Such, Informations- und Kaufphase.

Um diese Prozesse an den unterschiedlichen Customer Touchpoints zur Anwendung zu bringen, müssen die Frontend- mit den Backoffice- und Backend-Prozessen integriert werden. Dazu gehört etwa das ERP- oder Kampagnenmanagementsystem. Kompliziert ist meist die Integration in der Beschaffung und Logistik, da das Kauf- und Informationsverhalten der Offline- und Online-Verkaufskanäle völlig unterschiedlich ist.

Das Online-Informations- und Kaufverhalten ist beispielsweise viel agiler und schneller. Entsprechend muss auch der Onlinekanal schneller reagieren, indem er zum Beispiel die Warenverfügbarkeit in Echtzeit anzeigt und eine Lieferung bereits am nächsten Tag erfolgt.

4. Parteien an einen Tisch bringen und das Commitment der Geschäftsleitung und der Inhaber einholen

Bisher herrscht bei vielen Vertriebskanälen in einem Unternehmen "Silodenken", sie stehen im Wettbewerb zueinander. Da der Kunde aber nicht in Kanälen denkt, sondern kanalübergreifend handelt, müssen Kanalverantwortliche erkennen, dass alle gemeinsam von der Cross-Channel-Strategie profitieren. Es ist also erforderlich, alle Beteiligten von der Notwendigkeit eines Wandels zu überzeugen und die Zielsetzung der unterschiedlichen Kanäle aufeinander abzustimmen.

Da die durchgängige Integration mit Backend-Prozessen wie im Handel etwa dem Produkt-, Category-Management oder Lager und der Logistik ebenso erforderlich ist, müssen diese Bereiche von vornherein in den Planungen berücksichtigt werden. Um die Angst vor Umsatzverschiebungseffekten zu entschärfen, ist eine Incentivierung für eine Cross-Channel-Aktion erforderlich.

Ein Verkäufer am POS sollte eine Provision für einen Instore-Online-Verkauf erhalten, sonst wird er dem Kunden diese Möglichkeit vorenthalten. Umgekehrt sollte der Onlineshop eine Provision für jeden Online-Gutschein erhalten, der im Store eingelöst wird. Neben umfassenden Schulungs- und Trainingsmaßnahmen hat sich der monetäre Anreiz über Incentives oder Provisionen am besten bewährt.

5. Steuerungsmodell und Kultur im Cross Channel Management

Cross Channel lässt sich erfahrungsgemäß nur erfolgsbringend zwischen reifen Kanälen etablieren. Das bedeutet, dass Kunden sowohl den E-Commerce-Kanal als auch den POS-Kanal eines Unternehmens akzeptiert haben und intensiv nutzen. Entsprechend muss in die Perfektion der einzelnen Kanäle investiert werden. Da die Umsätze in jeweiligen Kanälen durch Cross Channel verschwimmen, empfiehlt sich die Einführung von gemeinschaftlichen Cross-Channel-Zielen in Zielmetriken, die sich sogar als variable Gehaltskomponente der handelnden Akteure auswirken kann.

Für eine erfolgreiche Steuerungsgrundlage im Cross Channel sollte das Leitmotiv gelten, dass ein Wettbewerbsgedanke der unterschiedlichen Verkaufskanäle geschäftsschädigend ist und vielmehr eine "Cross Channel Kultur" etabliert werden muss. In der Folge müssen Vorteile für jeden Kanalverantwortlichen erkennbar sein, und ein Umdenken vom Ein-Kanal Denken hin zur Customer Journey über mehrere Kanäle stattfinden.

Um Cross Channel über alle Vertriebskanäle steuern zu können, muss eine Führungsinstanz etabliert werden, die eine Betrachtung über die Customer Journey erlaubt und eine Steuerung möglich macht. Der hybride Kunde löst das bisherige Kundenhoheitsdenken auf!

6. Szenarien aufbauen und in "Future Stores" testen

Die Erfahrungen aus den USA und UK lassen sich nur begrenzt auf den deutschen Markt und die heimischen Kunden übertragen (Datenschutzaspekte, Kaufverhalten). Um Fehler zu vermeiden und unnötige Kosten zu verursachen, empfehlt es sich mittels Szenariotechniken in Playbooks, die Hypothesen, Aufgaben, Probleme, Einflüsse und Trends zu ermitteln. Es ist von Vorteil, die Cross Channel Features sequenziell je nach Machbarkeit, Aufwand, Impact und Risiko umzusetzen.

Es empfiehlt sich darüber hinaus, Future Stores einzurichten, in denen die Cross-Channel-Dienste und Instrumente getestet werden können. Cross Channel Features lassen sich so nach und nach optimieren, bevor ein umfassender Roll Out erfolgen kann. In diesen Testphasen empfiehlt es sich, die Ergebnisse stetig zu verfolgen und einen "kontinuierlichen Verbesserungsprozess" einzurichten.

Sämtliche Spielzüge einer Cross-Channel-Partie bedürfen einer umfassenden strategischen Planung. Das Top Management muss die Figuren richtig in Stellung bringen und Mitstreiter für einen Change in Richtung Cross Channel überzeugen. Erfolgt dann das Spiel stets aus Kundensicht und werden einzelne Züge nach dem Regelbuch und doch im Rahmen individueller Stärken und Schwächen geplant wird, ist die Grundlage für einen erfolgreichen Spielverlauf gegeben.

Michael Müller ist Managementberater und Inhaber der Unternehmensberatung ClientLink.

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