Erst der Patient, dann der Profit
Ärzte warnen vor Kommerzialisierung im Gesundheitswesen
Die Ärzte warnen auch als Lehre aus der Corona-Krise vor Kostendruck und einer weiteren Kommerzialisierung im deutschen GesundheitswesenGesundheitswesen. "Erst kommt der Patient und dann der Profit. Das muss sich endlich in das kollektive Gedächtnis einbrennen", sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, am Dienstag beim Deutschen Ärztetag. Bei neuen digitalen Angeboten wie der elektronischen Patientenakte komme es auch auf Praxistauglichkeit an. Wichtig seien außerdem "klare gesetzliche Vorgaben" zur Sterbehilfe in Deutschland nach einem wegweisenden Verfassungsgerichtsurteil. Top-Firmen der Branche Gesundheit
Reinhardt betonte, ökonomisches Handeln sei auch im Gesundheitswesen eine Selbstverständlichkeit. Dies müsse aber den Zielen der Medizin dienen und nicht umgekehrt. "Wir sehen Kliniken und Praxen als Einrichtungen der Daseinsvorsorge und nicht als Industriebetriebe oder lukrative Rendite-Objekte finanzstarker Fremdinvestoren." Bei Kliniken seien Fehlanreize bei der Finanzierung über Fallpauschalen zu beheben. Die ersten großen Beratungen der Ärzteschaft seit Beginn der Pandemie liefen als Online-Veranstaltung, nachdem der Ärztetag 2020 ganz ausgefallen war. Geplant war nun ein Kongress in Rostock.
Spahn sieht Überversorgung in den Großstädten
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte mit Blick auf die Debatte um Klinik-Standorte, Hauptargument müsse die Qualität sein, etwa mit viel Erfahrung bei Eingriffen. Es gehe nicht ums Sparen zuerst. Die Grund- und Notfallversorgung müsse überall stehen, es gebe auch Spezialisten in der Fläche. Es müsse "aber nicht jeder alles" machen. In den Großstädten gebe es eine Überversorgung.
Reinhardt unterstützte mehr Tempo bei digitalen Anwendungen. "Ich warne aber vor einer zu engen Taktung bei der DigitalisierungDigitalisierung, die keine Zeit mehr dafür lässt, neue Anwendungen mit der dafür notwendigen Gründlichkeit auf ihre Praxistauglichkeit hin zu erproben." Etwa bei der E-Patientenakte seien Fristen kaum zu halten - wegen verspäteter Verfügbarkeit elektronischer Heilberufsausweise und bei Geräten zur Anbindung an die Datenautobahn des Gesundheitswesens. Daher sollten auch drohende Sanktionen für Praxen gestrichen werden. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
Spahn sagte, mehr Tempo sei gerade im sensiblen Gesundheitsbereich wichtig, um Angebote aus Deutschland mit deutschem und europäischem DatenschutzDatenschutz zu schaffen. Nach jahrelangem Stillstand könne von einer "überhasteten" Digitalisierung keine Rede sein. Der Minister verwies darauf, dass es beim E-Heilberufsausweis als Voraussetzung fürs Einstellen von Dokumenten in die E-Patientenakte aktuell weniger Bestellungen von Ärzten gebe als produziert werde. Er machte zugleich deutlich, dass auf Sanktionen für Praxen verzichtet werden könne, wo Fristerfüllungen objektiv nicht möglich seien. Alles zu Datenschutz auf CIO.de
E-Akte soll schrittweise mehr Funktionen bekommen
Die E-Akte als freiwilliges Angebot für die 73 Millionen gesetzlich Versicherten war am 1. Januar mit einer Testphase gestartet und soll schrittweise mehr Funktionen bekommen. Spahn sagte, die Krankenkassen hätten pünktlich geliefert und böten Apps dafür an. DigitalDigital abgelegt werden können zuerst etwa Arztbefunde und Röntgenbilder. Patienten können dies zunächst für sich selbst nutzen, die Vernetzung mit Praxen soll erst regional getestet werden. Bis 1. Juli müssen aber alle Praxen angeschlossen sein, sonst drohen Honorar-Abzüge. Alles zu Healthcare IT auf CIO.de
Thema des zweitägigen Ärztetages sollten auch mögliche Neuregelungen bei der Sterbehilfe sein, dazu war eine offene Debatte geplant. In der Musterberufsordnung heißt es bisher für Ärzte: "Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten." Das Bundesverfassungsgericht hatte das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe 2020 gekippt. Reinhardt begrüßte, dass der Bundestag in die Debatte eingestiegen sei. Nötig seien klare gesetzliche Vorgaben. "Solange wir diese nicht haben, können selbst ernannte Sterbehelfer machen, was sie wollen. Das kann und das darf so nicht bleiben." Reinhardt sagte zudem: "Für mich persönlich ist die Hilfe zur Selbsttötung keine ärztliche Aufgabe." (dpa/rs)