Alle CIOs wollen die Leistung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigern. Aber wie oft treten sie einen Schritt zurück und prüfen, wie gut sie ihre Teams führen? Vielleicht sind sie zu sehr damit beschäftigt, ihre Vision von Erfolg zu verkaufen, und übersehen dabei die Anzeichen, dass das eigene Fundament bröckelt.
Es gibt Warnsignale dafür, wenn IT-Chefs ihren Ansatz überdenken sollten. Die Art und Weise, wie IT-Manager ihre Autorität einsetzen, ihren Führungsstil beschreiben und ihre Kollegen einbeziehen, können Hinweise darauf liefern, dass etwas nicht stimmt.
Mitarbeiter verlassen das Unternehmen
Laut Nabila Salem, Präsidentin der Personalvermittlung Revolent Group, ist Mitarbeiterfluktuation das sicherste Anzeichen für schwache Führung. Das Problem sei häufig zu wenig Empathie aus der Führungsebene.
"Wenn Ihre Mitarbeiter nicht das Gefühl haben, dass Sie sich um sie kümmern, warum sollten sie sich dann für Sie und Ihre Ziele interessieren," fragt Salem. Es ließe sich viel erreichen, wenn Führungskräfte ihren Teams einfach nur zuhören. Mitarbeiter erbringen selten überdurchschnittliche Leistungen, wenn sie das Gefühl haben, der Chef stelle ihr Wohlergehen nicht in den Vordergrund. Wenn sie sich nicht inspiriert, unterstützt und motiviert fühlen, werden sie das Unternehmen verlassen.
Wenn es sich bei den Abgängern vor allem um unterrepräsentierte Gruppen in der Branche handelt, sei die Fluktuation laut Salem besonders besorgniserregend. "Als jemand, der seit über 15 Jahren Führungserfahrung hat und selbst eine Frau ist, habe ich oft erlebt, dass Frauen und Minderheiten es in der Tech-Branche schwer hatten, sich durchzusetzen."
Zu viel Eigenlob
Für Noa Matz, Operating Partner und Startup-Psychologe bei Investor F2 Venture Capital, ist es ein Alarmsignal, wenn IT-Manager ständig davon sprechen, was für eine starke Führungspersönlichkeit sie sind: "Gute Chefs reflektieren über ihre Führungsqualitäten, stellen ihre Fähigkeiten manchmal in Frage und suchen aktiv nach Feedback zu ihrem Stil."
Gute Führungskräfte fragen die Mitarbeiter, wie zufrieden sie beruflich sind. Sie stellen sicher, dass ihr Team sich für die eigene Arbeit verantwortlich fühlt, und sorgt für genügend Raum, um kreativ zu sein.
Frauen werden nicht wertgeschätzt
Nancy Wang, General Manager von AWS Data Protection and Governance sowie Gründerin und CEO von Advancing Women in Tech, sagt, dass im Technologiesektor stillschweigende Karriereschranken ("glass ceiling") zwar oft erkannt, aber nur selten angesprochen werden. Zudem führt es zu ungünstigen Resultaten, wenn Frauen und People of Color während einer Krise befördert werden.
"Die harte Wahrheit ist, dass das Unternehmen oft schon gescheitert ist und die Frauen, die es umkrempeln sollten, keine Chance hatten, aber trotzdem den Kopf hinhalten müssen, wenn sich die Rentabilität nicht verbessert", sagt Wang. Das schade dem beruflichen Aufstieg von Frauen wahrscheinlich mehr, als dass es ihm hilft.
Weil es so wenige Beispiele gibt, würden zudem viele Frau sehr einseitig wahrgenommen. Entweder ist alles, was sie tun, gut, oder schlecht. Laut Wang gilt es, einen ausbalancierteren Ansatz zu finden.
Projekte sind zu vollgestopft
Um technische Teams motiviert zu halten, sollten Führungskräfte die Bedürfnisse der Kunden mit den Anforderungen eines Teams in Einklang zu bringen. Die Kollegen wollen an neuer Technologie arbeiten, die möglicherweise nicht den Bedürfnissen des Kunden entspricht. Das Risiko: am Ende ist das Produkt mit unnützen Funktionen überfrachtet.
Für F2-Manager Matz ermutigen und begeistern gute Führungskräfte zwar ihr Team und geben ihm das Gefühl, die Welt verändern. Gleichzeitig stellen sie aber auch sicher, dass die Produkt- und Kundenanforderungen berücksichtigt werden
Die Ergebnisse sind nicht optimal
Für Susanne Tedrick, leitende Infrastrukturspezialistin bei Microsoft und Autorin des Buches "Women of Color in Tech", haben schwache Führungskräfte oft unrealistische Erwartungen an den Umfang und den Zeitplan von Projekten. Diese Chefs berücksichtigen weder, welche Ressourcen verfügbar sind, noch die Fähigkeiten ihrer Teams und bestehende Verpflichtungen.
"Wenn das Team nicht gefragt wird, was realistisch erreicht werden kann, riskieren Teammitglieder Burnout, weil sie versuchen, vielen Anforderungen gleichzeitig gerecht zu werden", sagt Tedrick. Das führe dazu, dass Talente das Unternehmen ganz verlassen und die Ergebnisse nach Abschluss des Projekts zu wünschen übriglassen.
Führungskräfte im technischen Bereich müssten verstehen, dass Ressourcen begrenzt sind und überforderte Teams schlechte Resultate liefern. "Konzentrieren Sie sich auf die Projekte und Aufgaben, die wirklich Priorität haben, lassen Sie sich von Ihren Teams beraten, und seien Sie bereit, in externe Ressourcen zu investieren, um den Projekterfolg zu sichern", rät die Managerin.
Personalkennzahlen hinken hinterher
Für Wang von AWS ist es ein sicheres Zeichen schwacher Führung, wenn die Weiterentwicklung von Mitarbeitern nicht unterstützt werden kann. Hier geben Kennzahlen zu Einstellung, Beförderung und Mitarbeiterbindung gute Hinweise. "Im Zeitalter der großen Resignation stimmen die Leute mit den Füßen ab," sagt sie.
In der Erfahrung von Wang haben viele Kollegen, vor allem Frauen, Schwierigkeiten, Mentoren zu finden. Diese Mitarbeiter verlassen wahrscheinlich das Unternehmen für ein anderes, das ihre berufliche Entwicklung besser unterstützt. Das gelte insbesondere für Positionen im mittleren Management und in der Geschäftsführung.
"Es fällt ihnen schwer in Führungspositionen aufzusteigen, weil es an kompetenzbasierten Schulungen, Mentoren und Bildungsinhalten mangelt", sagt sie. Dagegen sollte Unternehmen in Mentorenprogramme investieren, die die nächste Generation von Führungskräften fördert und entwickelt. Das mach die Organisation vielfältiger und stärke ihr Wachstum. "Ohne Möglichkeiten, die Karriere über das mittlere Management hinaus zu beschleunigen, wird die Lücke, die es bei den oberen Führungspositionen gibt, weiter bestehen," resümiert sie.
Sie sind aus dem Gleichgewicht geraten
Für Jamie Peers, Vice President of Business Development bei Softwareanbieter Synatic, lassen sich Führungsqualitäten grob in drei Bereiche unterteilen: Einfühlungsvermögen, Entschlossenheit und Teamzugehörigkeit. Sie funktionieren am besten im Gleichgewicht. Schwache Chefs konzentrieren sich zu sehr auf eine davon und vernachlässigen die anderen.
"Manager, die einen dieser drei Bereiche entweder über- oder unterbewerten, schaffen ein negatives Umfeld," sagt er. Wenn eine Führungskraft beispielsweise übermäßig entschlossen sei, neige sie dazu, Teammitglieder zurückzulassen. Wenn sie nicht entschlossen genug ist, bleiben wichtige Dinge auf der Strecke.
Peers räumt ein, selbst zu übermäßiger Entschlossenheit zu neigen. Das müsse ausgeglichen werden, indem er Input von Kollegen einholt, sonst fühlen sich diese zurückgelassen. "Ich musste sehr hart an meinem Einfühlungsvermögen arbeiten, damit ich die Standpunkte anderer verstehe", sagt er.
Er habe gelernt, Teammitglieder anzuleiten, anstatt sie zu zwingen, seine Entscheidungen mitzutragen. So schränke er ihre Kreativität und Innovationskraft nicht ein. Zudem spüren die Kollegen ein gewisses Maß an Autonomie. Ohne Selbstbestimmung würde der Buy-in von ihrer Seite sofort sinken.
Die Leistungen des Teams schwächelt
Wenn Manager ständig frustriert und wütend auf Ihr Team sind, liegt das Problem vielleicht eher bei ihnen als bei ihre Kollegen, sagt Denise Brinkmeyer, Präsidentin und CEO des IT-Dienstleisters Jump Technology Services. "Letzten Endes lässt sich das auf die Fähigkeit des Managers zurückführen, das Team zu motivieren, die Vision zu formulieren, effektives Feedback zu geben oder den Mut zu haben, die Richtung zu ändern, wenn es nötig ist", sagt sie.
Oft deuten die Gründe für schlechte Performance auf mangelnde Kommunikation seitens der Führungskraft hin, sagt sie. Viele fühlen sich zu beschäftigt, um klare Anweisungen zu geben oder sie kommunizieren gar nicht. Manchmal glauben Manager auch, sie hätten Informationen geliefert, obwohl das nicht der Fall ist.
Laut Brinkmeyer verschlimmert sich das Problem immer weiter, weil die Führungskraft möglicherweise mehr Aufgaben übernimmt, wodurch weniger Zeit für Coaching und Feedback an das Team bleibt. Das führe in einen Teufelskreis, in dem die Führungskraft überlastet und das Team unzufrieden ist.
"Eine Führungskraft muss sich vielleicht eingestehen, dass sie ihre eigene Führung als mangelhaft empfindet", sagt sie. Die Lösung: Wenn sie sich zu Veränderungen verpflichtet und diese auch durchführt, kann das Team sie wieder respektieren. Das führe zu besserer Arbeitseinstellung und Leistung.
Sie versprechen zu viel
Manche Führungskräfte versprechen zu viel und halten es nicht. Brinkmeyer erinnert sich an einen Chef in einer früheren Firma, die den Softwareingenieuren ein Projekt mit unklaren Anforderungen und einem unmöglichen Zeitplan auferlegte. Trotzdem ließ sich der Manager nicht beirren.
"Die zugrundeliegende Technologie war gerade erst aus der Betaphase heraus und die Dokumentation war spärlich", sagt sie. Am Ende konnte die Lösung die Erwartungen nicht erfüllen. Den Teams wurde aber gesagt, sie würden alles Nötige tun, um das Projekt zu realisieren.
"Ich werde nie vergessen, wie ich am Büro von zwei meiner Teammitglieder vorbeiging, nachdem ich selbst gerade eine 12-Stunden-Schicht beendet hatte. Als ich mich verabschieden wollte, sah ich sie vor dem Bürofenster stehen und auf den Parkplatz starren," erinnert sie Brinkmeyer. Zwei Monate später arbeiteten die Kollegen für andere Unternehmen.
Zu wenig persönliche Autorität
Vinay Hiremath, CTO und Mitbegründer von Video-Messenger Loom, unterscheidet zwischen persönlicher und positioneller Autorität. Schwache Führungskräfte neigten dazu, sich auf Letztere zu verlassen. Für ihn haben Manager die Positionsautorität, um Aufträge zu erteilen, einzustellen und zu entlassen. Effektive Führungskräfte bauen hingegen ihre persönliche Autorität auf, indem sie zuhören und Möglichkeiten anbieten. Sie präsentieren eine Vision, die andere teilen und sich in der Lage fühlen, sie umzusetzen.
"Wenn Führungskräfte nicht respektiert werden, ihre Überzeugung nicht stark ist oder sie ihrem Team keinen Raum lassen, sich an der Entwicklung der Strategie zu beteiligen, haben sie eine geringe persönliche Autorität bei ihrem Team und alles wird schwieriger", sagt er. Deadlines werden gerissen, weil Kollegen unmotiviert sind. Mitarbeiter verlassen das Team, sind unaufmerksam oder die Arbeit wird ihnen egal.
Der Erfolg von Chefs sollte für Hiremath daran gemessen werden, wie oft sie sich auf ihre Autorität stützen, um etwas im Unternehmen zu verändern. Wenn das nicht oft der Fall ist, handle es sich wahrscheinlich um eine starke Führungskraft.