Führen, Unterstützen, Coachen, Delegieren: Für viele Führungskräfte sind die Grenzen fließend. Um zu erklären, was Delegation eigentlich bedeutet, halten wir uns an die Führungsexperten Ken Blanchard und Paul Hersey.
Definition Delegation
Beim Delegieren geht es darum, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitenden eigenständig und mit wenig Kontrolle größere Aufgaben oder ganze Projekte übernehmen lassen. Der Fokus liegt dabei auf der Vorbereitung: Der Kontext der zu erledigenden Aufgabe und auch das Ziel müssen unmissverständlich klar sein. Die weitgehende Eigenständigkeit der Beauftragten unterscheidet Delegation von Führung, Coaching oder Unterstützung. Diese Vorgehensweisen erfordern jeweils eine stärkere Führungsarbeit des Vorgesetzten.
Warum es Führungskräften schwerfällt zu delegieren
Vorgesetzte tun sich oft schwer damit, Aufgaben zu delegieren. Gründe dafür gibt es viele, zum Beispiel:
Teamleiter wollen keine Verantwortung abgeben, weil sie sich insgeheim selbst für die einzige Person halten, die das anstehende Problem schnell und in der nötigen Qualität lösen kann.
Qualifikationslücken machen es schwer zu delegieren. Die Vorgesetzten springen selbst ein und versuchen - oft durch allerlei Verrenkungen - diese Lücken zu füllen.
Die Mitarbeitenden stellen sich quer. Sie lehnen zusätzliche Aufgaben ab, weil sie überlastet sind oder die verlangten Arbeiten "nicht für ihren Job halten".
Die Führungskraft reißt operative Aufgaben an sich, weil sie sich durch Management-Aufgaben nicht ausgefüllt fühlt. Das passiert oft Managern, die von einer operativen in eine Führungsposition wechseln und nicht recht wissen, wie sie die neue Aufgabe angehen sollen (Peter-Prinzip).
Teamleiter fürchten, inhaltlich den Anschluss zu verlieren. Also arbeiten sie stark operativ, um besser zu verstehen, mit welchen Herausforderungen, technischen Tücken oder exotischen Kundenanforderungen die Teammitglieder im Detail kämpfen.
Im Team gibt es ein starkes Ungleichgewicht zwischen wenigen High-Performern, die schon viel um die Ohren haben und deshalb nicht weiter belastet werden können, und Low-Performern, denen die Teamleitung nicht viel zutraut. Anstatt zu delegieren, springt der Chef in die Bresche und übernimmt viele Arbeiten selbst.
Führungskräfte sorgen sich, den Respekt ihrer Mitarbeitenden und auch den des Managements zu verlieren, weil sie "nur noch delegieren" und damit als faul gelten könnten. Lieber zeigen sie sich als fleißige Bienchen und reißen Aufgaben an sich, um als vorbildlich wahrgenommen zu werden.
Diese und andere Probleme zeigen, dass es nicht trivial ist, sinnvoll und gut delegieren. Wer Verantwortung übernimmt, wird nicht darum herumkommen, Arbeiten oder ganze Projekte an andere Teammitglieder abzugeben. Wichtig dabei ist es, nicht den Überblick zu verlieren.
Wir empfehlen, folgende Tipps zu beherzigen, um die Arbeitslast im Team zu verteilen und die Produktivität insgesamt zu steigern.
1. Berücksichtigen Sie die Interessen der Mitarbeitenden
Erfahrene Führungskräfte kennen die Qualitäten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie wissen um ihre Auslastung und kennen die Qualifikationen. Doch wissen die Verantwortlichen auch, was ihre Kolleginnen und Kollegen gerne tun? Es ist eine gute Idee, Beschäftigte mit Aufgaben zu betrauen, die diese nicht nur beherrschen, sondern auch interessant finden. Umgekehrt ist es weniger schlau, beispielsweise ordnungsliebende Controller-Typen mit Kreativaufgaben zu behelligen oder introvertierte Personen auf eine öffentliche Bühne zu drängen.
2. Geben Sie den Menschen die Chance, sich zu entwickeln
Wenn die Zeit drängt und es sich um eine kritische Aufgabe handelt, sollte erfahrenem Personal der Vorzug gegeben werden. Ist der Zeithorizont aber nicht so stark eingeschränkt, kann es eine Chance sein, weniger erfahrene, aber motivierte Talente einzusetzen, die an der Aufgabe wachsen und dazulernen können und wollen.
3. Lassen Sie sich nicht manipulieren
Geben Sie nicht der Versuchung nach, immer die Person zu beauftragen, die zuerst den Finger hebt. Achten Sie auf die Persönlichkeit, die Skills und die Auslastung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und verfolgen Sie im Hintergrund einen Plan, welche Beschäftigten Sie langfristig in welche Richtung weiterentwickeln wollen.
4. Behalten Sie den Workload der Kollegen im Auge
Wer viel zu tun hat, wird eine neue Aufgabe schlecht, zeitverzögert oder gar nicht erledigen. Manchmal kommt für einen Job aber nur eine ganz bestimmte Person in Frage. Ein guter Teamleiter zeichnet sich dadurch aus, dass er sich mit diesem Kollegen zusammensetzt, um sich einen Überblick über dessen Aufgaben zu verschaffen und diese gegebenenfalls neu zu verteilen oder zumindest anders zu priorisieren.
5. Bestrafen Sie nicht Ihre Besten
Oft ist der Fehler zu beobachten, dass Personen solange mit Aufgaben eingedeckt werden, bis sie sich nicht mehr rühren können. Vorgesetzte handeln so, weil sie glauben, sie werden zeitnah ein gutes Ergebnis bekommen. Tatsache ist aber auch, dass sie so ihre besten Talente verärgern und verheizen.
Aufgaben so zu verteilen, dass es für das Unternehmen am besten ist, ist besonders schwierig. In jedem Team gibt es Menschen, die herausragen. Oft sind diese "Willigen" auch diejenigen, die neue Aufgaben ohne Murren annehmen. Sie machen es ihrem Vorgesetzten besonders leicht.
Wer sich darauf einlässt, schadet nicht nur den Leistungsträgern, er bringt auch andere im Team um die Chance, durch besondere Leistungen auf sich aufmerksam zu machen. Auch deshalb ist es also wichtig, das Skillset jedes Mitarbeiters zu kennen und Aufgaben entsprechend der Qualifikationen, der Auslastung und der Motivation zuteilen. Teamverantwortliche müssen wissen, wer sich wofür eignet und wo Qualifikationslücken geschlossen werden müssen.
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6. Vertrauen Sie Ihrem Team
Wenn Sie eine Aufgabe an eine oder mehrere Personen delegiert haben, konzentrieren Sie sich auf die Ergebnisse und beschäftigen Sie sich nicht mit dem Wie. Sonst verzetteln Sie sich im Mikro-Management. Halten Sie es wie George S. Patton, General der US-Armee, der einst sagte: "Don't tell people how to do things. Tell them what to do and let them surprise you with their results."
7. Bleiben Sie offen für neue Ideen
Natürlich könnten Sie sich als Projektverantwortlicher darauf zurückziehen, das letzte Wort zu haben, wenn es um die grundsätzliche Ausrichtung eines Vorhabens geht. Intelligenter ist es aber, das Team an den wichtigsten Entscheidungen zu beteiligen. Wenn die für die Umsetzung Verantwortlichen einen anderen Ansatz vorschlagen, als den von Ihnen bevorzugten, sollten Sie zuhören und den alternativen Ansatz, wenn möglich, durchwinken. Bessere Vorschläge zu erkennen und zu akzeptieren, heißt, Führungsstärke zu zeigen.
8. Lassen Sie Ihr Team Entscheidungen treffen
Wie bereits erwähnt sollten Sie, wenn Sie den Spielraum haben, das Team entscheiden lassen, wie bestimmte Ziele erreicht werden können. Dieses Gefühl von Autonomie ist wichtig für den Erfolg. Die Qualität eines Projektmanagers zeigt sich auch darin, den Menschen ein Gefühl maximaler Freiheit zu geben, auch wenn Leitplanken für den Weg zum Erfolg gesetzt und eingehalten werden müssen.
9. Verlieren Sie nicht die Kontrolle
Kontrolle auszuüben, ist gar nicht so unpopulär, wie Sie vielleicht denken. Es kommt hier darauf an, von Beginn an mit offenen Karten zu spielen, das heißt: klare Regeln setzen und Kontrollpunkte festlegen. Sie können beispielsweise mit Ihrem Team vereinbaren, dass Sie sich jede Woche ein wenig Zeit nehmen, um die Fortschritte zu überprüfen. Lassen Sie sich dabei die Widerstände erklären, auf die Ihre Mitarbeitenden gestoßen sind und machen Sie - gerne auch zeitversetzt - Vorschläge, wie diese aufgelöst werden können.
10. Motivieren ist nicht altmodisch
Viele Führungskräfte halten es mit dem Wirtschaftswissenschaftler Fredmund Malik, der einmal ziemlich unpopulär formulierte: "Motivation nützt (…) nichts. Stattdessen müssen sie (Führungskräfte) den Mitarbeitern beibringen, in ihrer Arbeit einen Sinn zu sehen. Ärzte, Pflegepersonal, Polizisten oder Feuerwehrleute fragen niemals nach Motivation. Sie verrichten ihre Arbeit aus ganz anderen Gründen." Mit Menschen die motiviert werden oder sogar Spaß bei der Arbeit haben wollen, kann Malik nichts anfangen. Letztendlich gehe es um eine "pflichtbewusste" Haltung und den Sinn einer Aufgabe, an der Menschen wachsen könnten.
Zumindest insoweit stimmen wir zu: Die Arbeitswelt ist kein Ponyhof. Doch es ist sicher kein Fehler, Menschen Mut zuzusprechen, ihre Arbeitsergebnisse zu würdigen und ihnen den Rücken zu stärken. Positives Feedback ist wichtig, ebenso sollten dem Team Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, so weit das möglich ist. Projektleiter sollten Anreize schaffen, die über das Erreichen des "sinnvollen" Projektziels hinausgehen. Anerkennung - in Form eines Bonus, einer Auszeichnung oder auch nur einer Flasche Champagner - ist ein großartiger Motivator, der allen Spaß macht und einen gesunden Wettbewerb innerhalb des Teams anregt.
11. Identifizieren Sie die Führungskräfte von morgen
Manager, die Führungsaufgaben delegieren, beginnen bewusst oder unbewusst damit, bestimmte Teammitglieder zu künftigen Führungskräften beziehungsweise zu Projektleitern oder -spezialisten weiterzubilden. Die Betonung sollte hier auf "bewusst" liegen: Bringen Sie den Mitarbeitern Ihres Vertrauens etwas bei und seien Sie ein guter Mentor. Diese Talente sollten eine reelle Chance bekommen, sich zu verbessern. Dazu gehört selbstverständlich auch eine gesunde Fehlerkultur: Niemand sollte wegen Fehlern herabgesetzt oder auf eine Weise kritisiert werden, von der er oder sie sich nicht mehr erholen kann.
12. Sagen Sie "Danke"
Oft werden Teams für ihre Arbeit nicht ausreichend gewürdigt. Nicht selten heimst sogar der Teamchef die Lorbeeren ein, ohne seine Leute ins rechte Licht zu setzen und sich öffentlich zu bedanken. Das ist ein No-go. Wenn Mitarbeiter eine übertragene Aufgabe erfolgreich meistern, muss der Vorgesetzte Wertschätzung zeigen und explizit vor der Gruppe die Dinge erwähnen, die gut gelaufen sind. Das fördert die Loyalität des Teams und gibt allen Beteiligten die Bestätigung, die sie brauchen, um weiterhin hervorragende Leistungen zu erbringen.