Die Fertigungsindustrie entpuppt sich in diesem Jahr als stabilisierender Faktor für das IT-Projektgeschäft hierzulande. Trotz der Unsicherheiten auf den Finanzmärkten infolge der europäischen Schuldenkrise und im Gegensatz zu anderen Branchen beziffern die Analysten von Pierre Audoin Consultants (PAC) im Fertigungssegment das Wachstum des Projektgeschäfts auf 6 Prozent für 2011.
Heterogen fällt das Urteil von PAC indes beim Blick auf die einzelnen Branchen aus. Während sich etwa die Automobilindustrie und der Maschinenbau 2011 recht robust zeigten, hat die für globale Risiken besonders anfällige Elektrobranche bereits ein schwieriges Jahr hinter sich. Die PAC-Prognose für 2012 und 2013 fällt insgesamt eher gedämpft aus, wobei es zwischen den Branchen signifikante Entwicklungsunterschiede gibt.
So schwächelt die chemische Industrie derzeit im Vergleich etwa zu Auto- und Maschinenbauern. PAC-Analystin Stefanie Naujoks geht in diesem Fall für die kommenden Monate von einer rückläufigen Entwicklung aus, die sich aber bereits 2013 umkehren könnte. Mit noch höheren Wachstumsraten nach einem Wellental rechnet PAC für die Pharmaindustrie.
Chemiebranche schwächelt
Wegen der Krise auf den Finanzmärkten ist die Chemiebranche derzeit insgesamt skeptisch was die Geschäftsentwicklung im kommenden halben Jahr angeht. „Auch auf das IT-Projektgeschäft wird sich dies insbesondere ab 2012 negativ auswirken“, so Naujoks. „Dies liegt auch daran, dass die Chemiebranche in der Vergangenheit, insbesondere auf Produktionsebene, ihre Prozesse auch im Bereich IT bereits sehr stark auf Effizienz getrimmt hat.“ Da die Chemiebranche sehr energieintensiv sei, habe sie außerdem schon lange an energieeffizienten Produktionsverfahren gearbeitet.
Dass PAC schon ab 2013 mit einer Trendumkehr rechnet, liegt zum einen an milliardenschweren Investitionen der BASF am Standort Ludwigshafen, mit denen IT-Projekte einher gehen dürften. Zum anderen gebe es in der Chemiebranche generell noch jede Menge Potenzial zur Auslagerung von Projekten. Naujoks denkt hier vor allem an Betriebssysteme für Steuerungssysteme in Produktionsanlagen, die aus zunehmendem Mangel an internem Know-how etwa über IT-Sicherheit in externe Hände gelegt werden könnten.
Hoffnung auf BASF-Projekte
„Für 2013 und 2014 gehen wir daher davon aus, dass das Wachstum im Bereich IT-Projekte teilweise sogar größer sein wird als in den Branchen der diskreten Fertigung“, prognostiziert die Analystin. „Allerdings ist das Marktvolumen hier insgesamt auch kleiner.“ Bei 9 Prozent Anteil am Projektkuchen in der Fertigung liegt die Chemieindustrie laut PAC.
Noch kleiner ist mit 4 Prozent die Pharmabranche. Noch besser sind dafür die Aussichten nach Einschätzung von PAC. „Für die Pharmabranche gehen wir von einem ähnlichen Verlauf der Entwicklung des IT-Projektgeschäft-Marktes wie in der Chemieindustrie aus“, berichtet Naujoks. „Allerdings mit etwas höheren Wachstumsraten, da hier in der Vergangenheit noch nicht so stark optimiert wurde.“
Wegen ständiger Fusionen und Übernahmen zwischen den Pharmaherstellern drehen sich viele IT-Projekte hier um ERP-Konsolidierung und ERP-Harmonisierung – insbesondere im SAP-Umfeld, wie PAC anmerkt. Aufgrund von internationalem Wettbewerbsdruck stünden aber auch CRM und Social Media auf der Agenda und wirkten als Treiber für IT-Projekte, so PAC. Das führe innerhalb der Fertigungsindustrie zu den höchsten Wachstumsraten in den Jahren 2014 und 2015, wenngleich auf einer eher kleinen Basis aufbauend.
8 Prozent mehr Projektvolumen in Autoindustrie
Mit 29 Prozent Anteil ist die Automobilindustrie die größte Branche in der Fertigungslandschaft. PAC kalkuliert das Wachstum des Projektgeschäfts für 2011 mit 8 Prozent. Die Branche zeige bislang recht resistent gegenüber den Krisensymptomen, zudem kurbelten Bereiche wie CRM, After Sales, CarIT und Produktentwicklung die Auftragsvergabe an IT-Dienstleister an.
„Für 2012 rechnen wir aufgrund der allgemein ungünstigeren wirtschaftlichen Prognosen sowie unserer Gespräche mit den IT-Dienstleistern mit einem deutlichen Rückgang im Projektgeschäft“, so Naujoks. Die 2011 initiierten IT-Projekte seien aber in der Regel mittel- bis längerfristig angelegt. Zudem bestehe Nachholbedarf in der Konsolidierung und Harmonisierung von ERP-Systemen.
Maschinenbau überholt Automotive
Die Auftragslage für 2011 im Maschinen- und Anlagenbau wird insgesamt als gut beschrieben. PAC geht für das IT-Projektgeschäft in der stark mittelständisch geprägten Branche von einem deutlichen Umsatzzuwachs 2011 in Höhe von 6,2 Prozent aus. Seit der vergangenen Krise seien längst nicht alle IT-Projekte abgearbeitet. Ab 2015 rechnet PAC für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau sogar mit einem höheren Wachstum im IT-Projektgeschäft als in der Automobilindustrie.
„Da die Produktion in der Elektrobranche weltweit stark vernetzt ist, ist sie grundsätzlich anfälliger für globale Risiken jeglicher Art – nicht nur was die aktuelle Euro- oder Schuldenkrise angeht“, erläutert Naujoks. Zu den eher krisenresistenten IT-Themen zählten die Optimierung des globalen Supply Chain Networks, aber auch Business-Intelligence-Systeme zum besseren Erkennen und Steuern von Risiken in der globalen Lieferkette.
Für das IT-Projektgeschäft der Elektrohersteller geht PAC für 2011 noch von einem Wachstum in Höhe von 6 Prozent aus. Nach einem deutlichen Einbruch in 2012 und 2013 sei ab 2014 ein moderates Umsatzwachstum zu erwarten.
Die ausführliche Analyse „Turbulente Zeiten an den Finanzmärkten: Analyse der Auswirkungen auf das Projektgeschäft in der deutschen Fertigungsindustrie“, ist als "PAC View November 2011" im Rahmen des PAC Project Services Research Program erschienen.