In Deutschland wird getestet: Seit Ende Juni stehen die 30 Pilotprojekte fest, anhand derer der Einsatz des elektronischen Personalausweises auf den Prüfstand gestellt wird. Ab 1. November 2010 soll der Ausweis offiziell eingeführt werden. Er hat die Größe einer Kreditkarte und vereint auf einem RFID-Chip im Karteninneren mehrere elektronische Funktionen: Daten, die heute optisch vom Dokument ablesbar sind, inklusive digitalem Foto, werden künftig auf dem Ausweis-Chip gespeichert sein. Zudem wird ein elektronisches Identitätskennzeichen enthalten sein. Außerdem kann der Ausweis ein Zertifikat für die qualifizierte elektronische Signatur aufnehmen. Die digitale Speicherung von Fingerabdrücken in der Karte soll freiwillig bleiben.
Der Startschuss der Testreihe, für die sich über 100 Institutionen beworben hatten, fällt in diesem Oktober. Unter den 30 ausgewählten Services finden sich neben Bank- und Versicherungsdienstleistungen auch Anwendungen zur Altersüberprüfung an Automaten und für Glücksspiele im Internet. Daneben wird der elektronische Personalausweis auch beim Einchecken im Hotel, bei der Fluggastabfertigung und beim E-Ticketing im Personennahverkehr zum Einsatz kommen.
Der elektronische Personalausweis schlägt eine Brücke: Erstmals wird ein hoheitliches Ausweisdokument kombiniert mit der Möglichkeit des elektronischen Identitätsnachweises für E-Business und E-Government. "Mittlerweile werden mehr und mehr Lebensbereiche in das Internet verlagert", sagt Andreas Reisen, Referatsleiter Pass- und Ausweiswesen, Identifizierungssysteme, Bundesmelderegister im Bundesministerium des Innern (BMI). "Doch einen dem Personalausweis vergleichbaren und sicheren Standardidentitätsnachweis für die Online-Welt gibt es bislang nicht."
Diese Lücke wird der neue elektronische Personalausweis ab November 2010 schließen. Das Dokument enthält einen elektronischen Authentisierungsnachweis, der auf Wunsch des Personalausweisinhabers für den Diensteanbieter freigeschaltet wird. Damit soll eine einfache und sichere Online-Identifikation möglich werden.
"Die Möglichkeiten des neuen Dokuments heben Qualität und Sicherheit elektronischer Geschäfte auf ein ganz neues Niveau", ist sich Ralf Schneider, CIO der Allianz Deutschland, sicher. Der Versicherungskonzern evaluiert die Einsatzmöglichkeiten des elektronischen Personalausweises im Kontakt mit Privat- und Geschäftskunden, die zukünftig online und rechtsverbindlich auch Gesundheitserklärungen abgeben, Vertragsdaten ändern und Schadensmeldungen absetzen können.
Allianz: Sicherheit im E-Business
"Elektronische Vertragsabschlüsse sind bis dato nur gültig, wenn ein Kunde über ein verschlüsseltes Zertifikat für die digitale Signatur verfügt", erklärt Schneider den Hemmschuh für E-Business im Versicherungs- und Bankengeschäft. "Doch welche Privatperson oder kleineres Unternehmen hat das schon?" Der neue elektronische Personalausweis mache Signaturen nun massentauglich und sicherer. Neben den klassischen Vertriebs- und Kommunikationswegen entstünden neue Optionen für die Kunden. "Zudem können Geschäftsprozesse beschleunigt werden, da ein Vertrag mittels Signatur sofort gültig ist und die Überprüfung im Backoffice entfallen kann."
Transaktionssicherheit und schnellere Vertragsbearbeitung im E-Business bieten auch der HUK24 Potenziale. Detlef Frank, Mitglied des Vorstands der HUK24 dazu: "Unsere Kunden erhalten bereits jetzt nach Vertragsabschluss einen geschützten Zugang zu ihren Versicherungsverträgen. Mit dem elektronischen Personalausweis wird künftig ein einfacher und intuitiver Login in den Servicebereich "Meine HUK24" möglich."
Hier könnten Versicherungsangebote gespeichert sowie Informationen über den Versicherungsschutz und das eigene Konto abgerufen werden. Ebenso ließen sich Vertragsänderungen direkt vornehmen, Nachrichten und Dokumente in elektronischer Form aus dem persönlichen Postfach abrufen oder Bescheinigungen für Behörden sowie Versicherungsdokumente anfordern.
Aus dem kommunalen Bereich beteiligt sich das "Hagener Konsortium" am Anwendungstest". Das Konsortium setzt sich zusammen aus der SAP AG sowie Vertretern der Stadt Hagen, dem Hagener Betrieb für Informationstechnologie (HABIT), der Fernuniversität Hagen und dem An-Institut IKS. "Gerade im kommunalen E-Government sind durch den Einsatz von Diensten mit sicherer Authentisierungsmöglichkeit und vorangehenden Prozessoptimierungen viele Rationalisierungspotentiale zu erschließen", erklärt Ralph-Peter Rembor, Leiter Geschäftsbereich Öffentliche Verwaltung SAP Deutschland.
"Bei der Auswahl von Testszenarien haben wir darauf geachtet, dass einerseits die Benutzergruppe bekannt ist, geschult werden kann und einen direkten Vorteil durch die Teilnahme am Test erhält", erklärt Peter Klinger, Lehrbeauftragter der Fernuniversität Hagen, Werkleiter HABIT a. D. "Andererseits wollen wir eine signifikante Anzahl kommunaler Prozesse berücksichtigten." Auskünfte aus dem Melderegister und dem Liegenschaftsbuch, Vorerfassung von Geburten und Sterbefällen sowie Informationsversorgung, Einsatzleitung und Krisenstab der Polizei-Leitstelle sind die ausgesuchten Testfälle.
Integration muss gewährleistet sein
An der Optimierung von Geschäftsprozessen ist auch Testteilnehmer Air Berlin interessiert, wie André Rahn, Direktor Marketing Air Berlin PLC, erklärt. "In der Testphase geht es uns vor allem um die Integration des elektronischen Personalausweis in die Webseite von Air Berlin. Parallel dazu sehen wir die Implementierung der Schnittstellen, die Hardware und den "Bürger-Client" als Teil des Durchlaufs." Prozesse wie Online-Buchung und die Anmeldung für das Vielfliegerprogramm "topbonus" würden Bestandteile der Tests sein. Besonderes Augenmerk legen die Berliner auf die Optimierung der Bodenprozesse etwa der Fluggastabfertigung.
Ganz gleich, in welchem Bereich und welcher Branche der elektronische Personalausweis getestet wird, eine wichtige technische Voraussetzung - und das sollen die Tests sicherstellen - muss gegeben sein: Die Integration des Authentifizierungsmechanismus in die IT-Systeme des jeweiligen Anbieters, also in die Portalsoftware mit Verbindung zu den dahinter liegenden CRM-, ERP-und diversen anderen Fachverfahrens-Systemen.
Die Stadt Hagen und SAP haben hierzu bereits frühzeitig die Initiative ergriffen. "Seit über zwei Jahren betreiben wir unser virtuelles Rathaus 21 auf Basis von SAPNetWeaver sowohl als Internet- als auch als Intranet-Anwendung", führt Peter Klinger aus. Die Authentifizierung mit dem elektronischen Personalausweis wurde als zusätzliche Identifikationsmöglichkeit in SAPNetWeaver Portal mit aufgenommen. Dadurch sei auch eine vollständige Integration mit anderen SAP-Anwendungen - sei es CRM, HCM oder ERP - möglich.
Die IT-Spezialisten der Allianz bewerkstelligten die technische Integration aus eigener Kraft. "Unsere Systeme sind seit vielen Jahren E-Business-tauglich und bieten beispielsweise über Portale eine Reihe von Selbstbedienungsfunktionen", erklärt CIO Ralf Schneider. Für sein Haus steht der Handhabungstest des neuen Ausweisdokuments im Außendienst und beim Kunden an oberster Stelle. "Wie müssen wir unsere Berater ausstatten, wie sehen die Lesegeräte aus und wie sicher funktionieren sie? Das sind unsere Fragestellungen, die wir mit dem Feldversuch beantworten möchten."
Kritische Masse muss her
Die technische Machbarkeit ist für den Allianz-CIO eh nur das Eine: Entscheidend für Erfolg oder Misserfolg des elektronischen Personalausweises sei, eine kritische Masse in der Bevölkerung zu gewinnen. " Nur wenn viele Menschen mitmachen, wird es ein Erfolg." Die Aussichten dafür sind rosig: Nach dem Start Ende nächsten Jahres sollen konsequent die alten Dokumente durch die neuen elektronischen Personalausweise ersetzt werden, rund sechs Millionen pro Jahr. 2015 haben demnach 50 Prozent der Bevölkerung einen elektronischen Personalausweis in der Tasche.
Ob dieser Wert vielleicht schon früher erreicht wird, hängt im Wesentlichen von drei Voraussetzungen ab.
-
Bürger, Wirtschaft und Verwaltung entwickeln genug Vertrauen in die Sicherheit des neuen Dokuments.
-
Der elektronische Personalausweis bringt den Bürgern einen konkreten Nutzen, und zwar jenseits von Behördengängen.
-
Die Kosten für den neuen Ausweis und dessen Features - sie dürften schließlich Ausschlag über dessen Verbreitung geben. Noch stehen diese nicht fest. Klar ist nur, dass es mehr als die bisherigen acht Euro sein werden und dass der Bürger für Dienste wie Signatur-Zertifikate zusätzlich in die Tasche greifen muss.
Bereits heute existieren verschiedene Identifikationsmöglichkeiten, von der PIN/TAN-Identifikation über Kreditkarten, Kundenkarten bis zu Passwörtern und Zugangscodes. Jedes Verfahren hat bestimmte Vorteile: Das PIN/TAN-Verfahren hat sich beim Online-Banking etabliert. Kreditkarten erlauben nicht nur die Identifikation, sondern dienen auch der Zahlungsabsicherung. Kundenkarten ermöglichen die Speicherung umfangreicher Nutzerdaten, die weit über die Möglichkeiten des elektronischen Personalausweises hinausgehen. Doch der Personalausweis hat deutliche Vorteile gegenüber anderen Verfahren: Er erleichtert dem Nutzer das Leben, indem er die Zahl der Passwörter und Zugangscodes drastisch reduziert. Er ermöglicht eine eindeutige Altersüberprüfung, die bei vielen Online-Diensten aufgrund des Jugendschutzes notwendig ist. Er kann Betrugsversuchen vorbeugen. Und er wird in einigen Jahren das am weitesten verbreitete Identifikationsinstrument in Deutschland sein. |