"Social" ist hip. Kaum ein Anbieter von Technologien für Kommunikation und Zusammenarbeit kommt derzeit ohne dieses Kürzel aus. Unternehmen sollen sich als Social Business etablieren, Social Networking forcieren oder Social Media als Kommunikationskanal unterstützen. Bei den ITK-Verantwortlichen sorgt der "Social-Hype" für kontroverse Diskussionen, wobei der persönliche Standpunkt häufig auch mit dem Alter korreliert.
Fakt ist: Social-Media-Dienste, ob Facebook, Twitter, LinkedIn oder die 6 Wunderkinder, haben sich im privaten Umfeld etabliert und werden dort intensiv genutzt. Und dies nicht mehr nur von der Generation Y, für die E-Mail ohnehin out ist, sondern zunehmend auch von "Erwachsenen".
Fakt ist auch: Die Verbreitung von Social Media ist nicht nur ein Mode-Phänomen, sondern hat handfeste Gründe. Social-Media-Anwendungen ermöglichen es, Informationen innerhalb kürzester Zeit einzuholen oder auszutauschen - ohne dass der Austauschpartner überhaupt bekannt sein muss.
Gerade Wissensarbeiter vernetzen sich
So ist es nur allzu verständlich, dass Mitarbeiter diese Anwendungen ähnlich wie die neuesten Smartphones und Tablets auch geschäftlich nutzen wollen. Dies gilt insbesondere für die sogenannten Wissensarbeiter - also hochqualifizierte Fachkräfte, die mit ihrem Wissen zur Wertschöpfung der Unternehmen beitragen. Wissensarbeiter - so zeigt eine aktuelle Studie von PAC im Auftrag der Hays AG - sind geradezu gezwungen, sich abteilungs- und unternehmensübergreifend zu vernetzen. Nur so können sie effizient ihre Arbeit tun und mit den Kollegen vom Wettbewerb Schritt halten.
Moderne Wisensmanagement-Konzepte befassen sich deshalb längst nicht mehr mit dem Aufbau von Wissensdatenbanken. Vielmehr steht die Frage im Mittelpunkt, wie Wissensarbeiter optimal integriert und der Wissensfluss beschleunigt werden kann. Social-Media-Anwendungen spielen dabei eine zentrale Rolle. Angesichts der steigenden Zahl an Unternehmen, die wissensintensive Produkte und Dienstleistungen herstellen, wird deren Bedeutung noch weiter zunehmen.
Mitarbeiter werden Verbote umgehen
Unternehmen - insbesondere solche, für die Wissen eine strategische Ressource darstellt - müssen reagieren und die soziale Vernetzung durch geeignete Anwendungen unterstützen. Andernfalls riskieren sie nicht nur einen Rückfall im Wettbewerb, sondern auch neue Sicherheitslücken. Denn Mitarbeiter, die vom Wissensaustausch leben, werden Verbote dauerhaft nicht akzeptieren und nach Alternativen suchen. Schon heute gibt es in öffentlichen Social-Media-Diensten Nutzergruppen mit mehreren hundert Mitgliedern, die sich zu betriebsinternen Themen austauschen - ein Super-Gau in Sachen Sicherheit für jedes Unternehmen.
Vor diesem Hintergrund verwundert es eher, dass bislang nur etwa 20 Prozent der deutschen Unternehmen Social-Media-Anwendungen einsetzen und bislang weniger als 10 Prozent den Einsatz in den nächsten zwei Jahren konkret planen. Dies sind Resultate der aktuellen PAC/ Berlecon-Studie "UCC-Strategien 2012", für die mehr als 150 ITK-Verantwortliche aus deutschen Unternehmen (ab 20 Mitarbeiter) befragt wurden.
Diese Ergebnisse sollten Technologieanbieter und Dienstleister nicht abschrecken, Social-Media-Angebote zu entwickeln. Alle Fakten sprechen für eine steigende Relevanz dieses Themas. Sie sollten aber Anlass geben, über die Gründe für die Zurückhaltung nachzudenken und die Angebote und Verkaufstrategien zu revidieren.
Neue Blog- und Wiki-Leichen statt Erfolge
So verweisen die meisten Social-Media-Skeptiker auf bereits durchgeführte Web 2.0-Initiativen, die weniger Erfolge als vielmehr neue Blog- und Wiki-Leichen in die Anwendungslandschaft der Unternehmen brachten. Tatsächlich belegen diese Misserfolge, dass die Implementierung neuer Tools alleine nicht genügt, um Social-Media-Anwendungen in Unternehmen gewinnbringend einzusetzen. Die soziale Vernetzung ist kein rein technisches Phänomen. Mitarbeiter benötigen auch eine Umgebung, welche die effiziente Nutzung dieser Anwendungen unterstützt.
5 Erfolgsfaktoren
Die Studie von PAC und Hays nennt zahlreiche Faktoren, um Wissensmanagement-Projekte neuen Typs zum Erfolg zu bringen. Dazu zählen unter anderem:
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1. Offenheit und flache Hierarchien: Mit der sozialen Vernetzung gehen auch eine höhere Transparenz und flachere Hierarchien einher. Wenn das Wissen im Netzwerk steckt, braucht es keinen Manager, der als zentraler Wissensträger agiert. Diese Veränderungen müssen vom Unternehmen gewollt sein. Gleichzeitig müssen die Unternehmen Rahmenbedingungen, also entsprechende Guidelines für die Nutzung von Social-Media-Anwendungen definieren und klar kommunizieren.
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2. Partizipation in Netzwerken fordern und fördern: Unternehmen zeigen sich in der Regel relativ offen, wenn es darum geht, Wissen aus den Netzwerken zu ziehen. Allerdings funktionieren Netzwerke nur, wenn die Mitarbeiter selbst auch dazu beitragen. Hierzu benötigen sie den notwendigen Freiraum.
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3. Dauerhafte Support-Strukturen: Auch wenn die Tools relativ einfach zu bedienen sind. Mitarbeiter müssen in der Nutzung geschult und dauerhaft zur Nutzung angehalten werden. Nur so können sich Netzwerke etablieren.
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4. In Prozesse integrieren und auf bestehende Strukturen aufsetzen: Der Einsatz von Social-Media-Anwendungen gelingt dann gut, wenn die Anwendungen in Prozessabläufe integriert werden und idealerweise auf bestehende Netzwerkstrukturen (z.B. Mailinglisten) aufsetzen. Eine Bedarfsanalyse sollte deshalb jedem Social-Media-Projekt vorangehen.
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5. Unterstützung des Top-Managements: Social-Media-Projekte werden angesichts der vielfältigen Anforderungen nur dann Erfolg bringen, wenn sie vom Top-Management gewollt sind und aktiv unterstützt werden. Es ist zudem fraglich, ob die IT der "richtige" Ansprechpartner ist, um Social-Media-Initiativen zu adressieren. Bei Vorreiterunternehmen in diesem Feld übernimmt diese Aufgabe meist eine dedizierte Einheit, angeführt von einem Chief Knowledge oder Chief Collaboration Officer.
Fazit
Diese kurze Auflistung wesentlicher Erfolgsfaktoren zeigt: Social-Media-Anwendungen, auch wenn sie einfach implementiert und intuitiv bedient werden können, sind strategische Werkzeuge, die eine umfassende Beratung im Vorfeld und langfristig angelegte Support-Strukturen für den Betreib erfordern. Für die Anbieter von Social-Media-Anwendungen und Dienstleistungen ist dies Chance und Herausforderung zugleich.
Anbieter von umfassenden Produkt-Dienstleistungs-Paketen für die Social-Media-Implementierung haben die Chance, sich als strategischer Partner zu etablieren und so dem Preiswettbewerb in diesem Segment ein Stück weit auszuweichen. Dazu müssen sie allerdings Expertise über moderne Wissensmanagement-Konzepte erwerben und es muss ihnen gelingen, das Thema beim Top-Management (nicht nur bei der IT) zu platzieren.
Andreas Stiehler ist Principal Analyst bei Pierre Audoin Consultants (PAC).