Forrester-Ratschläge

6 Strategien zum digitalen Raubtier

30.03.2017 von Werner Kurzlechner
Ab 2020 werden digitale Dinosaurier ums Überleben kämpfen müssen, prophezeit Forrester. Doch CIOs können ihrem Unternehmen dieses Schicksal ersparen.
  • Firmen sollten die Außenperspektive nach innen holen
  • Trusted Machines können personalisierte Erlebnisse skalieren
  • Ohne Partnerschaften mit anderen Unternehmen ist Erfolg kaum möglich
  • Mitarbeiter benötigen digitale Tools zum Aufbau von Collaboration-Netzwerken
  • CIOs sollten strategische Programmierschnittstellen im Blick haben
Diese Grafik zeigt die sechs Strategien, die Studie empfiehlt, im Überblick.
Foto: Forrester Research

Ob Killerinstinkt unbedingt zu den Kerneigenschaften eines CIOs gehören muss? Darüber ließe sich streiten. Aber offenbar zwingt die Digitalisierung die IT-Chefs, diesen Instinkt ein Stück weit zu entwickeln. Jedenfalls wenn man der Lesart von Nigel Fenwick, Analyst bei Forrester Research, folgt. In der Studie "Six Strategies To Strengthen Your Company's Digital DNA" malt Fenwick aus, dass sich bis 2020 jedes Unternehmen zu einem digitalen Raubtier oder zu einem digitalen Beutetier entwickelt haben wird. "Die Beutetiere werden digitale Dinosaurier bleiben - unfähig, ihr bewährtes Geschäftsmodell weiterzuentwickeln, bis es zu spät ist", formuliert der Analyst.

Sechs Hebel, um Vision wahr zu machen

Um dieses Szenario zu vermeiden, ist an prominenter Stelle der CIO gefragt. Zunächst braucht es dabei laut Forrester eine digitale Vision. "Die digitale Vision muss die Kundenobsession und das Augenmerk auf der Generierung von Mehrwert für den Kunden reflektieren", heißt es in der Studie. Für die Umsetzung der Vision haben die IT-Chefs nach Forrester-Analyse sechs Hebel in der Hand: Struktur, Kultur, Talent, Metriken, Prozesse und Technologie.

Auf der Ebene der Technologie wiederum stehe dem CIO eine breite Palette von Optionen zur Verfügung. Forrester filtert daraus sechs digitale Strategien, die die Evolution zum digitalen Raubtier beschleunigen. "Jede dieser Strategien hat die Schaffung von digitalen Werten rund um die Business-Technologie - also um Technologie, Systeme und Prozesse zum Gewinnen, Dienen und Halten von Kunden - im Blick, um Zusatznutzen für die Unternehmenskunden zu schaffen", so Fenwick.

Customer Experience und Digital Excellence

Die sechs Strategien lassen sich in zwei Kategorien unterteilen. Drei Strategien dienen direkt dem digitalen Kundenerlebnis: die End-to-End-Digitalisierung des Kundenerlebnisses, die Digitalisierung von Produkten und Services als Teil des Kundenwertökosystems, die Schaffung von "Trusted Machines".

KPMG und Harvey Nash über den CIO 2016
Status des CIO 2016
KPMG und Harvey Nash haben die Studie "The creative CIO 2016" verfasst. Die Studie behandelt Fragen rund um die Digitalisierung ebenso wie die persönlichen Karrieren von IT-Entscheidern. 3.300 CIOs und weitere Technologie-Entscheider aus 82 Ländern haben daran teilgenommen.
Einfluss des CIOs
Gut jeder dritte CIO berichtet an den CEO. Die IT-Chefs zeigen sich optimistisch: fast sieben von zehn gehen davon aus, dass ihr strategischer Einfluss wächst.
Operative Prioritäten
Eine Auflistung der CIO-Prioritäten zeigt, wie die Orientierung am Kunden an Bedeutung zulegt.
Digitalisierung
Mehr als jedes dritte Unternehmen kann eine firmenweite Digitalisierungsstrategie vorweisen.
Verweildauer im Job
15 Prozent der CIOs sind erst kürzer als ein Jahr in ihrem jetzigen Job.
Wechselbereitschaft
Jeder Fünfte will nicht länger als ein Jahr beim aktuellen Arbeitgeber bleiben.

Bei den drei weiteren Strategien geht es vor allem um die Exzellenz des digitalen Betriebs: die Bereitstellung von aufgewerteten betrieblichen Ressourcen in einer dynamischen Umwelt, das Vorantreiben schneller kundenzentrierter Innovation und die Digitalisierung zwecks Agilität.

1. End-to-End-Digitalisierung des Kundenerlebnisses

Dabei geht es um die digitale Ausweitung von Produkten und Dienstleistungen, um das Kundenerlebnis zeitsparender, reibungsloser und persönlicher zu gestalten. Im Zentrum steht dabei die Analyse von Kundendaten, um einen besseren Einblick in die Bedürfnislagen der Kunden zu erlangen.

Drei Ansatzpunkte zeigen laut Studie an, dass sich Firmen hier auf dem richtigen Weg befinden.

2. Digitalisierung von Produkten und Services als Teil des Kundenwertökosystems

Bevor man sich an die digitale Verlängerung der eigenen Produkte macht, sollte verstanden sein, was die Kunden wollen. Forrester thematisiert dies wiederum auf drei Ebenen.

3. Schaffung von "Trusted Machines"

Gemeint sind Systeme, die automatisch einzigartige Kundenerlebnisse liefern und personalisierte Erlebnisse skalieren können. Beispiele dafür sind sensorgesteuerte automatische Bremsen im Mercedes-Benz genauso wie durch Algorithmen gesteuerte Filmempfehlungen von Netflix. Instrumente sind die Nutzung von Artificial Intelligence (AI) und Analytics zur Echtzeitoptimierung von Erlebnissen und die Verwendung von Kontext zur Personalisierung. Das kann etwa über Apps funktionieren, in denen die Fluglinie den Boarding Pass vorab zeigt oder die Autovermietung die Auswahl des reservierten Fahrzeugs am Smartphone-Display ermöglicht.

Ein weiteres Instrument ist das Voraussehen der nächsten Kundenhandlung. Wenn zum Beispiel ein Anschlussflug verpasst wurde, informiert Delta Air Lines automatisch über alternative Wege ans Ziel. Wichtig ist, dass das geschieht, ohne dass der Kunde von sich aus die Kommunikation beginnen muss.

4. Bereitstellung von aufgewerteten betrieblichen Ressourcen in einer dynamischen Umwelt

Im Klartext heißt das, dass Partnerschaften mit anderen Unternehmen gesucht werden. Im digitalen Raum sollte man sich ergänzen. Ein Beispiel dafür ist die Nutzung von APIs. Mithilfe von Programmierschnittstellen, so Forrester, habe etwa Walgreen seine Fotodruckläden für die Entwickler von Kamera-Apps geöffnet und so seinen Betrieb optimiert und durch App-Angebote neue Kunden gewonnen. Die eigenen technologischen Ressourcen sollten als strategische Anlage betrachtet werden. Überdies gilt es, die Mitarbeiter mit digitalen Tools zum Aufbau von Collaboration-Netzwerken auszurüsten.

5. Vorantreiben schneller kundenzentrierter Innovation

Digitale Virtualisierung erlaubt es beispielsweise Procter & Gamble, neue Verpackungen im virtuellen Shop mit echten Kunden zu testen - und zwar bevor ein teurer Herstellungsprozess anläuft. Forrester erwähnt als Beispiel auch die deutsche Fidor Bank, die ihre Kunden aktiv in die Gestaltung neuer Produkte einbindet. Die Beteiligung von Kunden und Partnern in der Produktinnovation ist hier ebenso ein Hebel wie Impulse durch das Teilen von Daten oder die Nutzung von agilen und iterativen Techniken.

6. Digitalisierung zwecks Agilität

Forrester warnt, dass es Agilität nicht umsonst gibt. "Ohne die Fähigkeit, das Wichtige gegenüber den Nice-to-Haves zu priorisieren, werden große Unternehmen beim Meistern dieser Herausforderung weiterhin straucheln", unkt Analyst Fenwick. Eine solche Priorität sollte aus CIO-Sicht die Schaffung einer flexiblen Infrastruktur sein, etwa durch Infrastructure-as-a-Service (IaaS). Ratsam seien ferner Mess- und Belohnungssysteme für Mitarbeiter, die auf kundenzentrierten Metriken basieren.

Zu guter Letzt: "CIOs müssen dabei helfen, Technologie-Investitionen in Veränderungen der Architektur zu lenken, die als Antwort auf Marktveränderungen eine größere Agilität mitbringen", heißt es in der Studie. Gemeint sind damit insbesondere Investitionen in Service-Orientierte Architektur (SOA) und in strategische Programmierschnittstellen, die die interne und externe Agilität erhöhen.