Verzichtet, gehofft, erduldet und gekämpft: Hans Albrecht wählt deutliche Worte für das, was die Mitarbeiter bei Air Berlin seit bald zehn Jahren durchmachen. Seit das erste Sparprogramm kam, auf das immer neue folgten, um die planlos gewachsene Airline zu sanieren. Die viel zitierte Extra-Meile, man sei sie immer wieder gegangen, bemerkt der Flugkapitän bitter.
Denn nach der Pleite sieht es für viele der 8000 Beschäftigten nicht gut aus: Mit dem Verkauf drohen Gehaltseinbußen oder sogar der Arbeitsplatzverlust. Stundenlang beugten sich am Donnerstag die Gläubiger über die Kaufangebote für Air Berlin, eine Entscheidung drang aber zunächst nicht nach außen.
Langstreckenpersonal von Air Berlin in Bedrängnis
"Streckenrechte, Slots, Flugzeuge, alles scheint für ein geordnetes Verfahren vorbereitet zu sein", schimpft der Pilot Albrecht in einem Brief an das Management, in dem er sich den Frust von der Seele schrieb. Nur die Belegschaft lasse man im Unklaren.
Machten sich die Gewerkschaften bis dahin Sorgen vor allem um die 1200 Beschäftigten in der Berliner Verwaltung und um gut 900 Techniker in Berlin und Düsseldorf, ist nun auch das Langstreckenpersonal in Bedrängnis: Auch für diesen Geschäftsbereich der maroden Airline scheint sich keiner der Bieter zu interessieren. Sie konzentrieren sich wohl auf das Kurz- und Mittelstreckenangebot sowie Ferienflieger.
Geleaste Air Berlin Jets gehen zurück
Bei der Langstrecke-Flotte der Air Berlin ist inzwischen auch nicht mehr allzu viel zu holen. 10 der 17 recht betagten Jets muss Air Berlin an diesem Montag an die Leasingfirma zurückgeben. Statt auf die übrigen Flieger zu bieten, haben sich Condor und die Lufthansa-Tochter Eurowings offenbar darauf gespitzt, den frei werdenden Markt mit eigenen Maschinen unter sich aufzuteilen.
Beide Gesellschaften starten schon in diesem Winter ab Düsseldorf, die Lufthansa-Tochter hat zudem Flüge aus Berlin und München angekündigt und will ihre Flotte in den kommenden Monaten deutlich ausbauen - auch ohne die Airbus-Jets der Air Berlin. Die Condor schweigt sich zu ihren weiteren Plänen auf der Langstrecke noch aus.
Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit hat bei Air Berlin nach eigenen Angaben dafür gesorgt, dass mit dem möglichen Stillstand nicht gleich eine ganze Gruppe von rund 200 Piloten unmittelbar vor der Entlassung steht. Die Piloten der Langstreckenmaschinen vom Typ Airbus A330 hätten bis auf wenige Ausnahmen auch Lizenzen für die kleinere A320-Familie, sagt VC-Sprecher Markus Wahl. Mit dem Unternehmen habe man verabredet, dass sie im Fall eines Verkaufs genauso behandelt werden sollen wie ihre Kollegen aus den Mittelstreckenjets.
Es sei auch längst nicht mehr so, dass nur die besonders hoch bezahlten Piloten der 2007 übernommenen Gesellschaft LTU auf der Langstrecke unterwegs seien, sagte Wahl. Im Laufe der Jahre habe sich die Mannschaft sehr durchmischt, wenngleich vor allem erfahrene Kollegen auf den langen Verbindungen zu finden sind.
Air-Berlin-Piloten stehen vor ungewisser Zukunft
Anders als beim Kabinenpersonal wissen die Piloten noch nicht, welche Bedingungen sie bei einem Wechsel erwarten, so es denn überhaupt dazu kommt. Die VC hat bislang bei der Eurowings anders als Ufo und Verdi noch keinen Tarifvertrag über die Wechselkonditionen unterschrieben. Auf jeden Fall verhindern wolle man das "Rosinenpicken", wenn sich jeder Pilot einzeln beim neuen Arbeitgeber bewerben müsste. Alte, teure oder aufmüpfige Piloten könnten aussortiert werden, fürchtet die Gewerkschaft und fordert bislang vergeblich eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten.
Bisher bot Air Berlin zahlreiche Langstrecken an, vor allem von Düsseldorf und Berlin aus. Einige Ziele fliegt die Gesellschaft dabei aber auch mit Partnern aus der Allianz Oneworld an - dazu gehören unter anderem British Airways, Iberia, Japan Airlines, Cathay Pacific, Qantas und Qatar Airways. So flogen Air-Berlin-Kunden bis Südamerika, Asien, Afrika und mit Etihad nach Australien.
In den vergangenen Monaten hat Air Berlin sein Langstrecken-Angebot merklich ausgedünnt, etwa von Berlin nach New York, Miami, Chicago, Los Angeles und San Francisco. "Verlustbringer" lautete knapp die Begründung. Die letzte Langstrecke in der Hauptstadt fällt in einer Woche weg. (dpa/rs)