Wenn ein Vulkan auf Island Aschewolken spuckt, der herbstliche Bodennebel sich stundenlang nicht auflösen will oder Fluglotsen, Piloten oder Kabinenpersonal streiken, wollen sich Passagiere über die Auswirkungen auf ihren gebuchten Flug informieren. Erste Adresse: Die Telefon-Hotlines und Websites von Reiseveranstaltern, Fluggesellschaften und Flughäfen. „Bei solchen außergewöhnlichen Ereignissen steigen die Zugriffszahlen auf unsere Website manchmal um mehr als das fünfzehnfache des normalen Betriebs“, sagt Christian Käser, der als Head of Business Development & New Media Management bei Airport Nürnberg auch für die Website des Flughafens verantwortlich ist.
„Natürlich wäre es nicht wirtschaftlich, wenn wir für diese wenigen Tage im Jahr eine Hardware-Infrastruktur vorhalten, die den gesamten Rest des Jahres zu weniger als zehn Prozent ausgelastet ist“, sagt der Flughafen-Manager. Seine Lösung: Er hat den kompletten Betrieb der Flughafen-Website auf eine Cloud-Lösung umgestellt. Schon vorher war die Website bei einem lokalen Anbieter gehostet, „aber bei den unabsehbaren Lastspitzen stieß die statische Hosting-Lösung an ihre Grenzen.“ Aus seiner Sicht das Beste an der Cloud-Lösung: Für die ausgesprochen selten benötigten Überkapazitäten fallen bei seinem Provider Infopark aus Berlin keine zusätzliche Kosten an – der Flughafen Nürnberg zahlt nur für den Normalbetrieb.
Lastspitzen kosten nichts extra
Der Airport hat mit Infopark einen Paketpreis vereinbart, der sich am übertragenen Datenvolumen und genutztem Speicherplatz des Normalbetriebs orientiert. „Die etwa zwanzig Tage im Jahr mit außergewöhnlichen Lastspitzen berechen wir nicht zusätzlich“, versichert Thomas Witt, Direktor Product Development beim Dienstleister Infopark. Darüber hinaus bemisst sich der Preis für die Nutzung - über die von üblichen IaaS- oder Hosting-Vereinbarungen hinaus – an der Anzahl der Nutzer des CMS- und CRM-Systems, die Infopark darüber hinaus bereitstellt.
Unter der Bezeichnung „Cloud Express“ bietet Infopark eine komplette Suite für Websites an: Auf der einen Seite ein Web-Content-Management und ein CRM-System im PaaS-Modell, auf der anderen Seite das Hosting der Website in einer elastischen, automatisch skalierenden Cloud-Umgebung im IaaS-Modell. Die PaaS-Komponente besteht aus dem CRM- und CMS-Modul, die als On-Demand-Software genutzt werden können und darüber hinaus Struktur-Komponenten und Entwicklungsfunktionen enthalten. „Wir haben schon vor drei Jahren damit begonnen, unser CMS- und CRM-System so weiter zu entwickeln, dass wir es auch im PaaS-Modell anbieten können“, sagt Infopark-Manager Witt, „und dafür viel Aufwand in die Entwicklung der integrierten Cloud-Lösung gesteckt.“
Die CMS und CRM-Systeme von Infopark sind nach wie vor auch als On-Premise-Lösungen erhältlich – der Trend geht nach Witts Einschätzung aber eindeutig Richtung Cloud. Zurzeit nutzen noch etwa 90 Prozent der Infopark-Kunden die On-Premise-Versionen. In Gesprächen mit seinen Kunden verzeichnet er aber großes Interesse am Cloud-Angebot. Er rechnet damit, dass im Laufe der nächsten zwei bis drei Jahre mindestens die Hälfte der Kunden auf die Cloud-Versionen umsteigen wird.
Bessere Kundenbindung über die Website
„Die Internet-Präsenz von Unternehmen dient immer weniger der reinen Selbstdarstellung; Websites werden heute zunehmend dynamischer und applikationsgetrieben“, sagt er. Deshalb würden Unternehmen auch vermehrt ihre Websites an Provider auslagern. „Eine einfache Internet-Site verursacht relativ wenig Aufwand – aber Websites mit einer Vielzahl von Applikationen und Datenschnittstellen gehören bei den meisten Unternehmen sicher nicht mehr zum Kerngeschäft.“
Das bestätigt Airport-Manager Käser: Über die zahlreichen komplexen Datenschnittstellen zu Wetterinformations- und Flugplansystemen sowie zur mobilen Anbindung etwa zu SMS-Fluginformationen für Passagiere hinaus ist die Website für den Flughafen ein zentrales Medium für die Lead-Generierung und für personalisierte Dienste. So hat man unter anderem mit dem Management der 8000 Parkplätze des Nürnberger Flughafens das Ziel erreicht, die Einnahmen erheblich zu steigern: „Die Website ist jetzt E-Commerce-fähig, und wir können die Preise für Parkplätze jetzt flexibel nach Angebot und Nachfrage gestalten“, sagt Käser. Mit dem Web-CRM ist es darüber hinaus möglich, regelmäßige Parkplatz-Nutzer zu identifizieren und ihnen gezielte Angebote zu machen.
Dabei steht der Manager unter erheblichem Kostendruck. Mit jährlich 4,2 Millionen Passagieren und über 100.000 Tonnen Luftfrachtumschlag gehört der Airport Nürnberg zu den Top 10 der deutschen Verkehrsflughäfen. Doch hat das mittelständische Unternehmen mit rund 1000 Mitarbeitern in den letzten Jahren mehrere Rückschläge verkraften müssen: 2008 und 2009 die Finanz- und Wirtschaftskrise, die die Fluggastzahlen überall sinken ließ, im letzten Jahr dann die isländische Vulkanasche, vor allem aber die Folgen des arabischen Frühlings, die auf den Umsatz des Airport Nürnberg drückten.
Denn der Flughafen ist für die Fluggesellschaft Air Berlin das Drehkreuz für die Kanarischen Inseln und Nordafrika. Passagiere aus ganz Deutschland steigen hier für den Ferienflug in den Süden um. Der arabische Frühling mit zeitweiligen Unruhen in Nordafrika hat zu schweren Turbulenzen im nordafrikanischen Touristikgeschäft und sinkenden Passagierzahlen geführt, wobei Nürnberg besonders betroffen war.
Die Investition in eine On-Premise-Web-CRM und CMS-Plattform hätte sich der Flughafen deshalb wohl sonst nicht geleistet: „Das wäre wohl in den sechsstelligen Bereich gegangen“, sagt Käser, „und im Open-Source-Markt haben wir kein System gefunden, das ohne aufwändige Anpassung und Erweiterung den geforderten Leistungsumfang bietet.“ Die integrierte Cloud-Lösung von Infopark findet Käser für seine Anforderungen ideal. Dafür zahlt er jetzt monatlich einen „überschaubaren vierstelligen Betrag“.
In die Cloud - oder Ausfälle in Kauf nehmen
Dass die gesamte Lösung – IaaS- wie PaaS-Komponente - über Amazon Web Services gehostet wird, macht ihm keine Probleme. In SLAs mit dem Anbieter Infopark sind Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit geregelt. Darüber hinaus ist eine Garantie für die gesetzeskonforme Datenhaltung nach den deutschen Datenschutzrichtlinien enthalten.
„Natürlich wissen unsere Kunden, dass wir unsere Plattform bei Amazon betreiben“, sagt Infopark-Manager Witt, „im täglichen Betrieb würden sie es sonst aber überhaupt nicht bemerken.“ Sein Unternehmen hat sich vorher bei mehreren Cloud-Anbietern umgesehen: „Die Entscheidung für Amazon ist gefallen, weil es als einziger amerikanischer Anbieter bereit war, die Speicherung und Verarbeitung der Daten ausschließlich in europäischen Rechenzentren vorzunehmen.“
Die Skalierbarkeit, Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit hat Infopark – selbst Cloud-Anbieter – wiederum mit Cloud-Provider Amazon in SLAs geregelt. Sowohl die Infopark-Plattform als auch die Daten und Applikationen der Kunden sind redundant, hochverfügbar und ausfallsicher auf drei Rechenzentren in Europa verteilt. Bisher hat sich das System bewährt. Der Flughafen Nürnberg hat noch keine Ausfälle oder ernsthafte Störungen verzeichnet.
Seit Mai 2011 ist die neue Cloud-Website online. Das Projekt zur Umstellung auf die Web-Plattform dauerte, trotz der Implementierung diverser Datenschnittstellen und der Entwicklung und Integration einer Vielzahl von Applikationen nur fünf Monate. „Sportlich“, nennt Käser den Projektlauf, bei dem erstmals auch agile Planungsmethoden wie Scrum und Extreme Programmierung eingesetzt wurden. „Die tiefe Integration aus CMS und CRM, besonders aber die garantierte Verfügbarkeit und automatische Skalierung bei Lastspitzen wären für uns finanziell nicht erreichbar gewesen – wir hätten sonst weiterhin damit leben müssen, dass bei unvorhersehbaren Ereignissen unsere Website zusammenbricht“, resümiert Airport-Manager Käser zufrieden.