Das Herz der internationalen Automobilindustrie schlägt in Deutschland. Jedes zweite Fahrzeug, das in Europa verkauft wird, rollt in Wolfsburg, Ingolstadt oder Dingolfing vom Band. Auch in wachstumsstarken Märkten wie USA und China sind Modelle aus hiesiger Produktion die treibende Kraft. Kein Wunder, dass die Nachfrage nach qualifizierten Kräften in der Branche, die hierzulande etwa eine Dreiviertel Million Mitarbeiter beschäftigt, weiter steigt. Laut Branchenverband VDA wird das Auto immer mehr zu einer "mobilen Kommunikationszentrale", ein neues Tätigkeitsfeld, das nicht zuletzt IT-Experten anspricht.
Wenn das Internet im Cockpit dominiert, erwartet IT-Kräfte ein großes Arbeitspensum. Im Wettbewerb um gut ausgebildete Informatiker mischt auch Volkswagen kräftig mit. "Für die globale IT-Organisation, die zentral gesteuert und lokal aktiv ist, stellen wir von Argentinien bis China laufend IT-Kräfte ein", sagt CIO Martin Hofmann. Eines der "spannenden" technischen Themen, das in den nächsten Jahren auf IT-Fachleute zukommt, sei der Einsatz mobiler Geräte im Auto. "Hier forschen wir, welche Anwendung dem Kunden am meisten bringt", so Hofmann.
BMW sucht App-Spezialisten
In hohem Tempo entwickelt sich das Arbeitsgebiet der Fahrzeug-IT auch bei BMW. Dringend benötigt werden qualifizierte Kräfte für die Entwicklung von Steuergeräten für Motoren, aber auch für das Energie-Management und die Ladesteuerung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen. Nach Angaben von Tanja Bermeitinger, die in der Münchner Konzernzentrale das Recruiting für festangestellte Mitarbeiter leitet, würden "sehr viele gute IT-Fachkräfte" zur Entwicklung hochvernetzter Fahrerassistenzsysteme oder für die drei weltweiten App-Center gesucht.
Was IT-Fachleute bei den absatzstarken deutschen Autobauern an attraktiven Aufgaben erwartet, zeigt ein Blick auf die übrigen im Markt dominierenden Hersteller, die im Branchenjargon auch "Original Equipment Manufacturer" (OEM) genannt werden. Während bei Porsche eine Vielzahl von Projekten im Bereich "Connected Car" laufen und ein Schwerpunkt in der IT-Architektur von mobilen Online-Diensten liegt, wird bei Daimler viel Zeit und Geld in das Mobilitätskonzept car2go investiert. Dafür werden laut einer Sprecherin IT-Kräfte gesucht, die Java sowie Telematiktechnologien beherrschen und den Umgang mit IT-Betriebssystemen beherrschen.
Auch bei Opel und Audi droht IT-Kräften keine Langeweile. Während bei der GM-Tochter zahlreiche Projekte um Infotainment, Telematik und Testautomatisierung kreisen und sich das Augenmerk nach Angaben von Sprecherin Johanna Lomp-Knetsch künftig auf Connectivity und Elektromobilität richten wird, gilt bei der Ingolstädter VW-Tochter dem Kompetenzfeld "Audi connect" volle Konzentration. "Viele spannende Aufgaben für Einsteiger" verspricht Thomas Neuhaus, Personalleiter Finanzen und IT. Sei es die Vernetzung des Autos mit dem Fahrer und dem Internet oder mit der Infrastruktur und mit anderen Fahrzeugen - grundsätzlich würden Absolventen zunächst im Projekt-Management starten oder mit SAP-Aufgaben betraut werden, ehe sie in die Entwicklung der Auto-IT einsteigen könnten.
Lernen von der Generation Y
In manchen Projekten würde Audi weit in die Zukunft schauen. "Technisch stecken wir noch in den Kinderschuhen", räumt Neuhaus ein. Von der "Generation Y" will man schnell das Laufen lernen: "Weil die jungen Leute mit dem Internet groß geworden sind, können sie uns dabei unterstützen, noch stärker vernetzt zu arbeiten", erwartet der Personalchef. Zur Überraschung vieler Beobachter verzeichnen Autobauer seit einigen Jahren großen Zulauf von karriereorientierten IT-Kräften, so dass sogar bekannte IT-Unternehmen wie IBM oder SAP das Nachsehen haben.
Wie weit kommt man aber dem Nachwuchs entgegen, der auch im beruflichen Umfeld die neueste Technik wie selbstverständlich nutzen will? Laut Neuhaus sei man bei der Verwendung von mobilen Geräten wie Smartphones oder iPads grundsätzlich offen, solange sie einen Mehrwert gegenüber traditionellen Systemen böten. "Auf jeden Fall müssen sie kompatibel sein mit den hohen Standards, die wir in der Sicherheit definieren." Bei BMW weicht man der Frage aus. Bermeitinger: "Jungen Leuten versprechen wir, dass sie sich intensiv mit neuen Technologien befassen können."
iPad im Porsche
Stark vorangetrieben wird der Einsatz von iPads bei Porsche. "Um die Anforderungen unserer Kunden zu verstehen", sagt Steffen Barth vom Personal-Marketing, "müssen wir auch im Unternehmen mit neuen Produkten arbeiten." Weil junge Leute eine höhere Affinität zu neuen Techniken, Produkten und Trends mitbringen, entfällt jede dritte ausgeschriebene Stelle für IT-Experten auf Absolventen und Young Professionals. Entgegenkommend erweist sich der schwäbische Autobauer Daimler, bei dem der Einsatz mobiler Endgeräte konzernweit geregelt ist. Als "Company Owned Devices" stünden den Mitarbeitern neben PC auch Laptops, Smartphones oder Tablets zur Verfügung.
Zusätzlich ist erlaubt, eigene Endgeräte zu nutzen (User Owned Devices). "Damit bieten wir Vertretern der ‚Always-on-Generation‘ ein attraktives Arbeitsumfeld", findet die Daimler-Sprecherin. Eingesetzt würden iPads etwa bei Fahrzeugerprobungen für die Dokumentation von Fotos und Analysen. Und iPods in der Produktion hätten die Funktion, Einstellungsdaten zu übermitteln. Damit nicht genug: Unter dem Stichwort "Next Workplace" wird bei Daimler gerade eine integrierte Kollaborationsplattform eingeführt, die Chats, Videokonferenzen oder das gemeinsame Bearbeiten von Dokumenten in virtuellen Teams ermöglicht. Dies werde dem Einsatz mobiler Endgeräte im Unternehmen "einen weiteren Schub" verleihen, erwartet man in Stuttgart.
Konkret sucht der Hersteller, der nach eigenen Angaben dem iPhone durch die Integration ins Anzeige- und Bedienkonzept der neuen A-Klasse bereits "Räder" verliehen hat, "exzellente Fachkräfte mit Persönlichkeit, sozialer Kompetenz und internationaler Ausrichtung", die bereits Projekt-Management- oder erste Praxiserfahrung vorweisen können. Laut Daimler entwickelten sich IT-Innovationen zu "wettbewerbsdifferenzierenden Faktoren" in der Automobilbranche. Deshalb müssten Bewerber nicht nur klassisches IT-Wissen mitbringen, sondern auch die Geschäftsprozesse verstehen, die Sicht der Kunden einbeziehen und sich wie Unternehmensberater mit Geschäftspartnern austauschen können.
Voraussetzung: Leidenschaft fürs Automobil
Während Daimler keine konkreten Einstellungszahlen nennt, will Audi im laufenden Jahr weitere 20 und BMW gleich 200 Positionen in der Fahrzeug-IT besetzen. Mindestens ebenso viele IT-Kräfte werden von dem Münchner Automobilkonzern auch für Infrastruktur- oder Produktionsaufgaben gesucht. Nachdem Automobilhersteller von jungen IT-Kräften als Top-Arbeitgeber angesehen werden, scheint mit "IT im Auto" ein gleichermaßen attraktives wie zukunftsträchtiges Tätigkeitsfeld immer stärker Beachtung zu finden.
Gesucht werden Menschen, die generell Leidenschaft fürs Automobil teilen und ihre Faszination für einzelne Modelle in hohe Einsatzbereitschaft umsetzen wollen. Darauf achtet beispielsweise Porsche besonders bei der Personalauswahl. Freilich müssen die Arbeitgeber auch Abstriche bei den Anforderungen machen, wollen sie offene Positionen schnell besetzen. "IT im Auto ist ein sehr junges Themengebiet, in dem es nur wenige berufserfahrene Spezialisten gibt", betont Audi-Personaler Neuhaus. Ohne Headhunter, die im Zweifel Kandidaten von der Konkurrenz abwerben, geht noch nichts.
Einige Hersteller wissen scheinbar ganz gut, wie sie das Interesse von potenziellen Mitarbeitern wecken. BMW möchte vor allem Entwickler für sich gewinnen: "Moderne Entwicklungsmethoden und Techniken wie Continuous Integration, Extreme Programming oder Domain Specific Languages, spielen bei uns eine große Rolle", verspricht Bermeitinger. Bei VW wirbt CIO Hofmann mit seinen engen Kooperationen mit renommierten Forschungsstätten wie dem Hasso Plattner Institut oder mit der Stanford University.
Solche Fakten kommen bei der technischen Elite an. Hofmann legt nach: Auch mit seinen Vertragskonditionen sei Volkswagen IT-Anbietern "mindestens ebenbürtig" im Wettbewerb um "Top-Absolventen, Querdenker und Nerds". Spätestens wenn 2014 die neue IT-City in Wolfsburg, die rund 2000 Fachkräften ein "Flair wie Google oder Microsoft" bieten soll, ihre Tore öffnet, sollten jegliche Zweifel ausgeräumt sein.