IT-Manager wetten

Analytics pusht den E-Commerce

17.09.2019 von Michael Möhring und Rainer Schmidt
Rainer Schmidt und Michael Möhring wetten, dass bis 2024 die Umsätze von Online-Shops durch Predictive Analytics um mindestens 30 Prozent steigen werden. Predictive Analytics wird durch einfach bedien- und integrierbare Cloud-Lösungen bereitgestellt werden.
Rainer Schmidt ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München (Fakultät Informatik und Mathematik).
Foto: Rainer Schmidt

Beim Online-Shopping können immer mehr Daten immer einfacher gesammelt werden. Diese Daten lassen sich in Systemen wie ERP, CRM oder Online-Shop immer besser verknüpfen. Trotzdem werden sie bisher nur selten genutzt, wie unsere Studien und Gespräche mit führenden Online-Shops zeigen. Zwar sind viele Predictive-Analytics-Projekte in der Planung, umgesetzt sind aber nur wenige.

Das überrascht, gibt es doch zu fast jedem Zeitpunkt des Online-Shoppings Beispiele für den umsatzsteigernden Einsatz von Predictive Analytics. So können in der Informationsphase dem Kunden beispielsweise die Produkte bevorzugt präsentiert werden, die er mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit kaufen wird. Umgekehrt lassen sich Produkte mit einer hohen Retourenquote verstecken. Gerade bei der Retourenvermeidung kann Predictive Analytics genutzt werden. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass Predictive Analytics bestimmte Muster erkennt (zum Beispiel: Artikel fällt in der Konfektionsgröße größer oder kleiner aus) und im Shop gegengesteuert werden kann.

Große Online-Händler wie Otto versuchen, sich darauf einzustellen - vollumfänglich ausgereift ist das jedoch aus unserer Sicht noch nicht. Auch werden immer mehr Startups in diesem Bereich gegründet. Wir prognostizieren daher für die nächsten fünf Jahre, dass der Einsatz von Predictive Analytics die Retourenquoten und damit die Kosten senken wird.

Michael Möhring ist Postdoc an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München (Fakultät Informatik und Mathematik)
Foto: Michael Möhring

Sobald der Kunde sein Kaufinteresse im Online-Shop deutlich macht, indem er Produkte in den Warenkorb legt, ist die Nutzung von Predictive Analytics zur gezielten Prognose zukünftiger Verkaufsereignisse und des Kundenverhaltens enorm wichtig. Dabei können zum Beispiel wesentliche Cross-Selling-Potenziale identifiziert werden. Auch kann aus der Analyse ähnlicher Kundenbestellungen gelernt werden, so dass sich Empfehlungen für andere Kunden ableiten lassen. Vor allem kleinere bis mittelgroße Online-Shops setzen dies aus unserer Sicht bisher wenig bis gar nicht um.

Während des Online-Shoppings kann auf die individuelle Zahlbereitschaft des Kunden durch Dynamic Pricing eingegangen werden. Außerdem lassen sich Anreize wie Gutscheine und Rabatte zum Abschluss eines Kaufs geben. Auch eine zuverlässig prognostizierte Lieferung ist ein entscheidendes Kaufargument. Dies findet sich unserer Einschätzung nach heute nur unzureichend bei etablierten Händlern wieder.

Große Player wie Amazon setzen schon seit Jahren mit zunehmendem Erfolg Predictive Analytics ein. Kleinere und mittelgroße Shops haben bisher eher manuelle oder statische Empfehlungen auf Basis gleicher Artikel-Angaben im Online-Shop. Vor allem sind die Shops nach unserem Einblick bisher mit automatisierten Analysen überfordert. Zudem liefert nicht jede Shop-Software die Analyse-Umgebungen frei Haus.

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3 Prognosen zur Entwicklung von Predictive Analytics

Aus unserer Sicht werden drei Entwicklungen die Verbreitung von Predictive Analytics in den nächsten Jahren deutlich steigern.

1. Neue und einfach zu integrierende Cloud-Lösungen bieten erweiterte Möglichkeiten. Online-Shops können ihre Analysen in die Cloud verlagern und so IT-Ressourcen und Kosten sparen. Public-Cloud-Anbieter wie Amazon AWS oder Microsoft Azure stellen vielfältige Cloud-Umgebungen mit Predictive-Analytics-Plattformen bereit. Wir prognostizieren daher für die nächsten fünf Jahre, dass Predictive Analytics die Cross-Selling-Potenziale von Kunden erhöhen wird.

2. Immer mehr Hochschulen und Universitäten integrieren Kurse mit Schwerpunkt Predictive Analytics oder kreieren neue Studiengänge. Dadurch kommen mehr Arbeitskräfte auf den Markt, die Unternehmen in diesen Fragestellungen unterstützen können. Zum Beispiel werden an der Hochschule München aktuelle Inhalte aus dem Bereich Analytics in Bachelor- und Master-Studiengänge inte­griert. Andere Hochschulen und Universitäten gehen einen ähnlichen Weg. Wir prognostizieren daher für die nächsten fünf Jahre eine bessere Ausstattung der Unternehmen mit Data ­Scientists und damit eine Steigerung des Einsatzes von Predictive Analytics.

3. Auch die Anzahl verfügbarer Tools und Bi­bliotheken wächst. Wo vor Jahren noch viel Aufwand und große Budgets in Analyse-Tools gesteckt werden mussten, liefern heute frei verfügbare Bibliotheken, beispielsweise in Python, eine gute Grundlage zur Umsetzung von Predictive Analytics.

Immer mehr große Technologie-Unternehmen wie Google stellen ihre Bibliotheken und damit ihr Grundlagenwissen dem Anwender als Open Source zur Verfügung. Neben mehr programmieraufwendigen Tools nimmt auch die Zahl an einfacher zu bedienenden Programmen mit grafischer Oberfläche wie Rapid Miner zu. Diese Werkzeuge ermöglichen es dem Nutzer, einfach und schnell erste Analysemodelle zu erstellen und zu implementieren. Für Online-Shops prognostizieren wir in den nächsten fünf Jahren eine Zunahme bei der Nutzung dieser Tools und Bibliotheken und damit eine Verbesserung der Kompetenzen im Bereich Predictive Analytics.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Prozesse im E-Commerce in den nächsten Jahren noch datengetriebener werden und sich vor allem auch kleinere Unternehmen an das spannende Thema Predictive Analytics wagen.

Die im Artikel genannten Inhalte beruhen auf bereits veröffentlichten wissenschaftlichen Publikatio­nen, unter anderem in Journalen und Konferenzbänden wie LNBIP, HMD und WuM.

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