Anwender wie die Liechtensteiner Hilti AG sind zufrieden mit freier Software. Der Werkzeughersteller betreibt bereits seit einigen Jahrendie zentralen SAP-Systeme mit Linux. "Nachdem sich das vormals genutzte Tru64-Unix von Compaq seinem Lebensende näherte, war ein Wechsel des Betriebssystems erforderlich", erinnert sich CIO Martin Petry. "Wir setzten dabei bereits vor über zwei Jahren auf x86-Prozessoren. Und der natürliche Partner von x86 ist für uns Linux als Betriebssystem."
Damit ging das IT-Management ein hohes Risiko ein - x86-Server und Linux als Basis für unternehmenskritische Anwendungen mit dem hohen Transaktionsvolumen von Hilti waren damals kein Mainstream. "Es war eine Wette auf die Entwicklung der x86-Prozessoren", so Petry. "Der sichere Weg wären Unix-Systeme von HP oder IBM gewesen." Das hätte jedoch deutlich höhere Kosten zur Folge gehabt.
Open-Source-Software setzen heute fast alle Unternehmen ein. Meist arbeiten im Rechenzentrum einige Linux-Server - oft auch mit unternehmenskritischen Workloads - oder werden Inter- und Intranet mittels des sogenannten LAMP-Stacks betrieben. Gerade LAMP, die Kombination aus Linux, dem Web-Server Apache, der Datenbank MySQL sowie den Script-Sprachen Perl und PHP, zeigt, wo Open Source steht: Sie kommt in der Infrastruktur und bei der Middleware als selbstverständliche Methode der Software-Distribution zum Tragen.
Das hängt vor allem damit zusammen, dass große IT-Anbieter Open Source längst als Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie etabliert haben: SAP hat seine Anwendungen für den Betrieb auf den wichtigsten Linux-Distributionen freigegeben, IBM erwirtschaftet rund 20 Prozent seines Mainframe-Umsatzes mit Linux, laut dem Marktforschungsunternehmen IDC hatten Linux-Server im zweiten Quartal 2008 einen Anteil am gesamten Server-Markt von 13,4 Prozent. Doch ist Open Source viel mehr als Linux. Fast kein Anwendungsbereich, in dem es heute keine Open-Source-Alternative zu den proprietären Lösungen gibt.
Dabei stehen aktuell vor allem die Bereiche Kommunikation, Collaboration und Content-Management im Fokus des Anwenderinteresses. Die Burton Group beobachtet in einer Studie vom Juli 2008: "Das Interesse am Einsatz von Open-Source-Software wandert nun entlang des Software-Stacks aufwärts." In den Bereichen Kommunikation, Kollaboration und Content-Management liege der Vorteil der Open-Source-Lösungen gegenüber konventionellen Angeboten in einem hohen Innovationsgrad und niedrigen Kosten.
Freie Groupeware und CMS
Die Zahl der verfügbaren Anwendungen ist vor allem im Bereich der Groupware und bei CMS (Content-Management-Systeme) schier endlos. Zu den bekanntesten Vertretern der Groupware zählen Scalix, Kolab oder Open Exchange - alles Lösungen, die sich als Alternative von Microsoft Exchange präsentieren und auch oft so eingesetzt werden. Besonders Scalix wirbt damit, Outlook-Clients am Desktop eine Infrastruktur zugrunde legen zu können, die funktional und in puncto Bedienung Exchange ohne Umgewöhnung bei den Anwendern ersetzen kann. Bei den freien Content-Management-Lösungen gibt es weniger klare Platzhirsche. Drupal, Alfresco oder Joomla gehören zu den bekannteren Vertretern dieser Spezies.
Während Applikationen bei Kommunikation, Collaboration und CMS als logische Erweiterungen des bereits etablierten, internet-zentrierten Technologie-Stacks begriffen werden können, gelangen heute auch Anwendungen ohne diesen Hintergrund ins Zentrum des Interesses. Neu ist zum Beispiel der Bereich Business Intelligence (BI). Hier haben sich erste Lösungen zu einer Grundreife gemausert, die zumindest für kleinere Projekte durchaus sinnvoll sein können. Pentaho, Business Intelligence and Reporting Tools (BIRT) von Actuate und Jasperreports sind hier die bekanntesten Vertreter.
Dass dieser Markt reift, zeigt sich auch in den Anmerkungen zu Gartners Magischem Quadranten 2008 für BI-Plattformen: Die Anbieter von Open-Source-BI seien ein großes Stück vorangekommen, würden aber noch nicht genügend Umsatz generieren, um im Magischen Quadranten berücksichtigt zu werden. Unternehmen, die gegenüber Open Source aufgeschlossen sind oder Alternativen zu den kommerziellen Angeboten in Betracht zögen, sollten BIRT, Jaspersoft und Pentaho evaluieren.
Vielfalt und Innovationskraft von Open Source liegen im Entstehungsprozess begründet: Auch wenn zunehmend große IT-Anbieter und kommerzielle Software-Schmieden die Entwicklung steuern und treiben, wird der Code von einer heterogenen Masse an Individuen mit den unterschiedlichsten Interessen produziert - der Community. "Open-Source-Entwicklung ist stark abhängig von der Community", erläutert Karsten Keil, Senior Kernel Engineer bei Novell.
Für den Einsatz im Unternehmen ist der Code aus der Community jedoch nicht uneingeschränkt geeignet - was nicht an der Qualität liegt: "Die Pflege des Codes ist oft nicht garantiert", so der Linux-Entwickler. "Software-Projekte in der Community können zum Beispiel einfach einschlafen. Hier kommen dann Unternehmen wie Novell ins Spiel, die entweder den Code weiterpflegen oder sich im Rahmen einer neuen Version der Linux-Distribution um einen passenden Ersatz kümmern." Zudem steht bei reinen Community-Projekten in der Regel kein Ansprechpartner bereit, dem die Anwender ihren Bedarf ans Herz legen können oder der für Probleme geradesteht. "Die Wünsche der Kunden sind eine wichtige Input-Schiene für unsere Entwicklungsarbeit“, so Keil.
Mit der schnellen Entwicklung und Adaption neuer Technologien gewinnt Open Source bei Anwendern zunehmend an Interesse, wie Chris Haddad, Vice President und Service Director der Burton Group, beobachtet: "Wenn Unternehmen versuchen, neue Architekturen wie Software-as-a-Service oder Cloud-Computing und neue Applikationen zu implementieren, unterstützt proprietäre Software das oft nicht ausreichend. Viele Anbieter haben bislang die Auswirkungen nicht erkannt und ihre Produkte nicht an die neuen Möglichkeiten angepasst.“
Innovative Menschen in Open-Source-Communities und IT-Anbieter können laut Haddad zusammenarbeiten und so neue Infrastrukturtechnologien schaffen. IT-Unternehmen übernehmen dabei den Part, notwendige Services, Support und Geschäftsmodelle anzubieten, die einen umfassende Adaption von Open Source in großen Unternehmen ermöglichen. Damit nehmen IT-Anbieter eine wichtige Rolle als Schnittstelle zwischen Open-Source-Entwicklern und Anwendern ein. Gerade Software-Anbieter haben sich in den vergangenen Jahren deutlich professionalisiert:
In fast allen Anwendungsbereichen steht die Software-Entwicklung unter der Leitung kommerziell ausgerichteter Unternehmen. Zu den Protagonisten zählt neben vielen anderen Sun Microsystems. Sun etwa hat nicht nur sein Unix-Derivat Solaris in einer Open-Source-Version veröffentlicht; auch das Office-Paket OpenOffice sowie die Programmiersprache Java unterliegen anerkannten Open-Source-Lizenzen. Zudem übernahm Sun Microsystems vor einigen Monaten den Datenbankanbieter MySQL, dessen Produkt mit zu den am weitesten verbreiteten Datenbanksystemen zählt.
Anbieter machen nichts umsonst
Das Engagement für Open Source ist dabei nicht selbstlos: "Es ist Bestandteil unserer Geschäftsstrategie, der kommerzielle Anbieter mit dem größten und vollständigsten Open-Source-Portfolio zu sein", erläutert Donatus Schmidt, Marketing Director und Sprecher der Geschäftsleitung bei Sun. Das Ziel: durch die Bündelung von Hardware mit einem optimierten Software-Stack den Anwendern komplette Lösungen anzubieten. Dabei sollen die Technologien auf die Sun-Hardware abgestimmt und neue Infrastrukturthemen wie etwa Speicheroptimierung durch spezielle Dateisysteme und Solid-State-Disks integriert werden.
Schmidt beobachtet, dass Anwender das Engagement kommerzieller IT-Anbieter im Open-Source-Umfeld positiv wahrnehmen. "Wir sehen inzwischen zum Beispiel ein großes Interesse unserer Bestandskunden an der MySQL-Datenbank." Auch Unternehmen, die bislang nicht viel mit Open-Source-Datenbanken am Hut hatten, wenden sich nun diesem Konzept zu. Das liege nicht zuletzt daran, dass nun ein internationales und großes Unternehmen den Support verantworte, so Schmidt. "Seit wir MySQL übernommen haben, ist die Zahl der Downloads deutlich gestiegen, aktuell sind es rund 60 000 pro Tag. Und auch bei den Support-Verträgen ist ein Wachstum zu sehen."
Hilti-CIO Petry stellt jedoch für sein Projekt klar: "Die Kosten waren bei der Entscheidung für Linux und x86 nicht das zentrale Argument. Die Frage war vielmehr, wo die künftige Entwicklung stattfindet und wie wir von einzelnen Anbietern unabhängig werden können, um eine hohe Flexibilität zu erhalten." Das wiederum schlägt sich in den Kosten nieder, die Herstellerunabhängigkeit versetzte Hilti in eine deutlich bessere Verhandlungsposition gegenüber den IT-Zulieferern. Der Knackpunkt auf der Kostenseite ist jedoch die günstige Standard-Hardware: "Linux ist mit entsprechenden Support-Verträgen und dem Training der IT-Mitarbeiter nicht so viel billiger als andere Betriebssysteme", so Petry.
Insgesamt ist er mit der Entscheidung sehr zufrieden. Die Linux-Systeme arbeiten stabil. Kleinere Probleme wie etwa aktuelle Schwierigkeiten bei der Speicherverwaltung - immerhin kommen 128 GByte Arbeitsspeicher in den größten Systemen zum Einsatz - werden gemeinsam mit Red Hat gelöst. "Auch die IT-Mitarbeiter sind durch die Entscheidung für offenen Systeme sehr motiviert", so Petry. "Innovation ist Teil unserer Unternehmensphilosophie, das muss sich auch in der IT niederschlagen."