Wer über die „Spaßgesellschaft" redet, tut das oft negativ. In der Business-Welt ist Spaß mit Verantwortungslosigkeit oder Leistungsverweigerung verbunden. Das Marketing hofft in der „Spaßgesellschaft" auf blinde Konsumlust. Zeit für ein Umdenken: die kommende Generation an Arbeitnehmern, die so genannte Generation YOLO, füllt das Wort Spaß ganz anders aus. YOLO steht für „You only live once". Diese jungen Menschen, etwa 15 bis 25 Jahre alt, werden sich zu eigenwilligen Arbeitnehmern entwickeln, die an sich selbst und ihr Leben hohe Ansprüche stellen – und an ihre Arbeit. Spaß ist für sie mit Sinn verbunden und mit dem Wunsch, etwas zu verändern.
Ein junges Mädchen aus der bayerischen Landesschülervertretung mit Sitz in Nürnberg illustriert das anhand eines ganz praktischen Beispiels. Der Lehrer habe gefragt, was die Schüler denn machen würden, wenn sie 10.000 Euro geschenkt bekämen, berichtete sie gegenüber cio.de. Antwort: Viele würden das Geld für ein Jahr im Ausland verwenden. Der Lehrer war beeindruckt und meinte, früher hätten die Jugendlichen sich dafür ein Auto gekauft. Dazu die Schülervertreterin: „Wieso sollte man sich ein Auto zulegen, wenn nicht mal klar ist, wo man bald sein wird? Durch die Globalisierung ist nicht mehr sicher, dass man die nächsten Jahre am selben Ort verbringen wird. Im Gegenteil, vielleicht ist man sogar in einem ganz anderen Land, auch der Arbeitsmarkt hat sich geöffnet."
US-Rapper Macklemore als Stichwortgeber
Verwurzelung in der Region, Bindung an den Arbeitgeber – so etwas ist ihre Sache nicht. Das Mädchen kann sich mit dem Kürzel YOLO durchaus identifizieren. Sie zitiert den US-amerikanischen Rapper Macklemore, der singt: „I realized that my movie sucked and I was the only one that could edit it". Nicht ganz wörtlich übersetzt stellte der Rapper also fest, dass sein Leben höchst unbefriedigend war und er es als einziger verändern konnte. Gegenüber cio.de sagte die Schülerin: „Deswegen sind wir viel eher bereit, wegzuziehen. Deswegen ist es uns so wichtig, dass unsere Arbeit auch Sinn für uns macht. Dass wir das Gefühl haben, wir verändern was, oder dass es wenigstens Spaß macht. Wir wollen nicht am Ende unseres Lebens zurückschauen und enttäuscht sein.“
Das Motto „You only live once“ beinhaltet für die junge Schülervertreterin Ehrgeiz. Sie erklärt: „Das heißt doch, dass man sein Leben nutzen soll, man hat ja eben nur das eine. Unterbewusst ist das auch in unserem Denken: wir wollen jetzt alle Chancen nutzen, die Schule wird so schnell wie möglich beendet, das Studium wird auch immer kürzer, bei der Berufssuche sind wir bereit, auch unseren Wohnort zu wechseln.“
Matthias Busold, Principal beim Personalberater Kienbaum aus Hamburg, wundert sich nicht über die Äußerungen der Schülerin. „Die Mitglieder dieser Generation haben einen immensen internationalen Fokus“, sagt er, „Englisch ist für sie eine zweite Muttersprache und wurde sehr früh gelehrt und erlernt. Viele Generationsmitglieder sind bereits in jungen Jahren im Ausland und empfinden die Welt als ihr potenzielles Arbeitsfeld.“
Arbeiten muss sinnhaft sein
Die Haltung der bayerischen Schülervertreterin basiert laut Busold auf dem materiellen Hintergrund dieser Generation. Kennzeichnend dafür sei eine finanzielle solide Basis. Als künftige Arbeitnehmer zielen die YOLOs nur auf Tätigkeiten ab, die sie weiter bringen. „Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass die Berufseinsteiger in etwa zehn Jahren deutlich andere Anforderungen stellen als die heutige Generation X“, sagt der Kienbaum-Manager. „Deutlich mehr hinterfragt die Generation YOLO die Relevanz ihrer Aufgaben. Sollten diese über einen gewissen Zeitraum keinen erkennbaren Sinn ergeben, werden die Mitarbeiter das Unternehmen verlassen.“
Diese Einstellung können sich die jungen Leute leisten. Angehörige der Generation X waren als geburtenstarke Jahrgänge immer „zu viele“. Die heutigen Jugendlichen dagegen werden am Arbeitsmarkt aufgrund ihrer guten Ausbildung und des demographischen Wandels sehr gefragt sein.
Busold betont den positiven Einfluss, den die künftigen Arbeitnehmer mitbringen werden. „Unternehmen werden mit YOLO-Mitarbeitern hochqualifizierte, internationale, äußerst leistungsbereite Kollegen bekommen, die für spannende Projekte und sinnhaftige Tätigkeiten bereit sind, eine besondere Performance zu bieten“, sagt er. Allerdings werden die YOLOs auch „in dem Moment abspringen, wenn die Herausforderungen nachlassen, der Sinn nicht erkennbar oder die Führungspersonen ein inadäquates Verhalten zeigen“. Dynamische Unternehmen, die schnelle und erkennbare Entscheidungen treffen, werden als Arbeitgeber die Nase vorn haben.
Ein Projekt lang Gas geben und dann sechs Monate segeln
Der Kienbaum-Manager weiß, was das für das Recruiting heißt. Wer nur Bewerber einstellt, die einen lückenlosen Lebenslauf mit mehrjähriger Verweildauer bei den vorigen Unternehmen mitbringen, wird umdenken müssen. YOLOs geben gerne einmal anderthalb Jahre lang richtig Gas in einem spannenden Projekt – und gönnen sich danach eine sechsmonatige Segeltour als Auszeit.
Stichwort Recruiting: Der Wandel in der Arbeitswelt ruft neue Anbieter auf den Plan. So will etwa die Plattform mindHire.de „als eine Art Kuppler zwischen Kandidaten und Unternehmen“ auftreten. Ein von Wissenschaftlern entwickelter Test soll die richtigen Bewerber in den richtigen Job bringen. Dazu Gründer Piet Quade: „Es zählt nicht mehr nur das, was man tut, sondern immer mehr das wie. Den Bewerbern ist neben dem Gehalt heute beispielsweise die Unternehmenskultur extrem wichtig.“ Den Vertretern der Generation YOLO möchte er auch zurufen: „Verliebe dich in deinen Job!“