Stellen Sie sich vor, Sie beauftragen Ihre Anwendungsentwicklung, ein neues Textverarbeitungsprogramm zu schreiben. Word sei zu teuer, Microsoft böse, und im Übrigen bräuchte die Fachabteilung xy ein Programm, das Versalien automatisch fett druckt, ohne ein Makro zu starten. Wie viele Ihrer Entwickler würden dies für eine innovative Aufgabe halten? Eher 30 oder eher 70 Prozent?
Bei 70 Prozent haben Sie den Vorteil, dass Ihre Programmierer gute Grundlagenforscher sind. Sie würden bis abends um neun Uhr noch vor dem Rechner hängen, weil ihnen endlich jemand die Aufgabe gegeben hat, bessere Programme als der Marktführer zu schreiben. Wenn Sie diesen Mitarbeitern versprechen, das neue Textverarbeitungsprogramm als Shareware zu vertreiben, um Microsoft an der Erlangung der Weltherrschaft zu hindern, arbeiten sie vielleicht sogar bis 23 Uhr.
Bei 30 Prozent haben Sie den Vorteil, dass Ihre Mitarbeiter mitdenken und nicht jeden Blödsinn mitmachen. Textverarbeitung neu zu erfinden ist ein Anachronismus, den jeder Software-Ingenieur sofort als solchen erkennen muss. Die IT ist jetzt gut 30 Jahre alt. Es gibt fertige Produkte und Standards, in die neue Ideen eingefügt werden müssen, wenn sie Aussicht auf Erfolg haben sollen.
Erfolgreiche CIOs wie Klaus Straub von Audi wissen dies (siehe Titelgeschichte auf Seite 12).Um aus einer guten Idee auch eine Innovation zu machen, nutzen sie die erfinderische Kraft von Standards. Sie verstehen sich als CIO in der Rolle eines Innovations-Managers, der ITlern und Fachabteilungen rechtzeitig sagt, wenn Schöpfungsvermögen in eine inkompatible Richtung fließt.
Dafür müssen Programmierer Fehlentwicklungen der letzten Jahre akzeptieren, ohne sie revidieren zu wollen. Solch ein kämpferisches Verhalten lohnt sich dort, wo Standards noch nicht so fest gerüttelt sind wie im Office-Bereich. Business Intelligence ist solch ein wenig standardisierter Fall (siehe Seite 58).Wie Daten aus Systemen zu extrahieren sind und wie sie aufbereitet werden, darüber herrscht noch immer so viel Unklarheit, dass eine unübersehbare Schar von Softwarefirmen um diese Probleme kreist. Schauen Sie mal rein, was der neue Data-Warehouse-Report von Barc dazu sagt.
Viel Spaß beim Lesen
Ihr Horst Ellermann.