Firmenchefs, die sich nach Feierabend durch die Beiträge in sozialen Netzwerken klicken, um zu sehen, was über das eigene Unternehmen geschrieben wird; Praktikanten, die dazu abgestellt werden, unter verschiedenen Accounts Blog-Einträge zu verfassen, um damit Diskussionen im Sinne des Unternehmens zu steuern. So oder ähnlich gehen viele Firmen mit Social Media um. Eine gezielte Strategie, das Social Web in die Unternehmenskommunikation und das Kunden-Management einzubinden, findet sich nur selten.
In Wirklichkeit wissen die meisten Unternehmen nicht so recht, wie sie mit Facebook, Twitter und Co. umgehen sollen. Das hat eine Roundtable-Diskussion der Computerwoche zum Thema Social CRM gezeigt. Die Softwarehersteller plädieren dafür, soziale Netze eng mit den Lösungen für das Customer-Relationship-Management (CRM) zu verknüpfen, und verweisen dabei auf Werkzeuge, die die Integration und das Auswerten der Informationen erleichtern. Allerdings müssten sich die Firmen zuvor klar werden, was sie mit Social CRM eigentlich erreichen wollen. Die Anwender wiederum wünschen sich von den Anbietern eine klare Vision, wie Social CRM aussehen könnte.
Wie gehen Unternehmen momentan mit dem Thema Social CRM um?
Der Einsatz von Facebook, Twitter und Co. im Rahmen des Kunden-Managements steckt bei den meisten Unternehmen noch in den Kinderschuhen. "Social CRM ist bei der BASF erst im Kommen", berichtet beispielsweise Hans-Jürgen Dietrich, Projekt-Manager bei BASF IT Services. Bisher würden Social-Media-Werkzeuge eher im Umfeld der Firmenkommunikation beziehungsweise zur Rekrutierung eingesetzt, aber kaum im Kontakt mit den Kunden.
Warum tun sich die Firmen mit Social CRM noch so schwer?
Das CRM-System gilt oftmals als Schaltzentrale in der Kundenkommunikation. Offenbar gibt es die Sorge, dass sich die Integration von Facebook und Twitter negativ dar-auf auswirken könnte. "CRM heißt für uns, fast eine Million Kundendaten zu verwalten", sagt Franz Billinger, Leiter der Unternehmenskommunikation bei der Siemens Betriebskrankenkasse (SBK). Das System reiche längst weit über eine bloße Kundendatenbank hinaus. Hier werden dem SBK-Manager zufolge viele für die Kundenbeziehungen wichtige Informationen abgelegt sowie Kundenprozesse wie Kostenerstattungen angestoßen und auch abgewickelt. Zwar sei die Krankenkasse auch in sozialen Netzwerken aktiv. Billinger verweist stolz auf rund 2000 Facebook-Fans, die innerhalb eines Dreivierteljahres gewonnen werden konnten. "Aber es wird keine direkte Verbindung zwischen Facebook und unserem CRM geben", stellt der Manager klar. "Da sind wir sehr vorsichtig."
Andere Unternehmen wollen sich zunächst um ihre zugrunde liegende CRM-Strategie kümmern, bevor sie überhaupt an eine Integration von Social-Media-Komponenten denken. "Wir haben für dieses Jahr erst einmal geplant, eine unternehmensweite CRM-Strategie auszuarbeiten", sagt Elke Wendel-Lander, Zentralbereichsleiterin Informatik der Messe München. Derzeit setze die Messegesellschaft drei verschiedene CRM-Systeme ein, um die vielfältigen Geschäftskomponenten vom Vermarkten der Messehallen bis hin zum Besucher-Management abdecken zu können. Dazu komme ein Online-Portal, das erst im vergangenen Jahr neu entwickelt worden sei. Vorrangiges Ziel für Wendel-Lander ist es, diese Landschaft erst einmal zu harmonisieren.
Themen rund um Facebook und Twitter seien im Rahmen einer konsolidierten CRM-Strategie aber wichtig, stellt Wendel-Lander klar. Wie das Kunden-Management am Ende aussehen werde, sei derzeit nicht absehbar. Beispielsweise sei noch nicht ausgemacht, inwieweit Informationen aus sozialen Netzen automatisiert in das CRM-System einfließen werden. Wendel-Lander spricht davon, zunächst Prozesse zu schaffen und Zuständigkeiten zu klären. Doch dabei will sie vorsichtig an die Sache herangehen. "Die größte Gefahr besteht darin, dass Wildwuchs entsteht, dass sich die Leute äußern, ohne die Auswirkungen zu kennen", warnt die Managerin. "Die Folgen können immens sein."
"Unternehmen beschäftigen sich heute in den seltensten Fällen auf strategischer Ebene mit dem Thema Social CRM", bestätigt Carolin Zausinger, Product Manager Microsoft Dynamics CRM. Das liege in erster Linie daran, dass das Thema neu sei und eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte beinhalte. Das wirft in Unternehmen Fragen auf wie beispielsweise: Wie steht es um den Datenschutz und die Datensicherheit? Wie darf man mit den Daten aus den sozialen Netzwerken umgehen? Wie sollten die Kommunikationsabteilungen in den Unternehmen das Thema behandeln? Was kann und darf man den eigenen Mitarbeitern vorschreiben, die auch privat in diesen Netzen agieren? "Das sind ganz neue Dimensionen, mit denen sich die Unternehmen, aber natürlich auch die Softwarehersteller auseinandersetzen müssen."
Welche Vorteile könnten Unternehmen aus Social CRM ziehen?
Nichtsdestotrotz bieten soziale Medien den Unternehmen aus Anbietersicht viele Vorteile im Kontakt mit den Kunden. Zeisinger zufolge lässt sich damit ein viel engerer Kontakt zu den Kunden aufbauen. Das schaffe Vertrauen, das sich auf anderen Kanälen nicht in dem gleichen Maße herstellen lasse. "Da kann man noch so viele Pressemitteilungen schreiben."
Handfeste Vorteile nennt auch Andreas Zipser, Mitglied der Geschäftsführung der CAS Software AG: Firmen könnten ganze Geschäftsprozesse im Kunden-Management mit Hilfe von Social-Media-Werkzeugen abbilden. Beispielsweise hätten Service- und Supportabteilungen die Möglichkeit, Traffic von E-Mail und Telefon auf Twitter zu verlagern. Das sorge für Effizienz. "Man muss eine Antwort nicht zehnmal per Mail rausschicken, sondern stellt sie einmal in Twitter, und alle Kunden können sie lesen." Das könne so weit gehen, dass die eigenen Supportmitarbeiter teils gar nicht mehr antworten müssten - zum Beispiel wenn ein Kunde ein Problem in Facebook einstellt und andere eine passende Lösung posten.
Wie sollten Unternehmen mit einer Strategie für Social CRM beginnen?
Allerdings ist nicht alles Gold, was im Social-Media-Umfeld glänzt, räumen auch die Anbieter ein. Aus Sicht von Oracle-Manager Elmar Neuwirth ist es vor allem die Entwicklung des Markts, die für alle Beteiligten schwer abzuschätzen bleibe. "Heute ist es Facebook und Twitter, morgen möglicherweise etwas ganz anderes", fürchtet der CRM-Experte. "Wir wissen einfach nicht, wie sich diese Dinge konkret weiterentwickeln und welchen Erfolg sie haben." Das macht es für die Anwender nicht gerade einfacher, langfristige Visionen zu entwickeln. "Kein Unternehmen wird Geld in die Hand nehmen und in ein System investieren, dass in zwei oder drei Jahren möglicherweise komplett überholt ist", kommentiert BASF-Manager Dietrich.
Auch Eon-Manager Jörg Koletzki würde ohne genaue Analyse keine Millionen ausgeben, um sein CRM-System so anzupassen, dass es plötzlich unstrukturierte Daten aus Facebook und Twitter verarbeitet. "CRM-Prozesse sind Kernprozesse, die heutzutage stark automatisiert ablaufen." Dagegen bedeuteten Social Media sowie deren Datenstrukturierung völliges Neuland. CRM-Systeme seien bisher nicht dafür ausgelegt, unstrukturierte Daten zu verarbeiten, sondern komplexe Prozesse wie beispielsweise diejenigen im Call-Center zu automatisieren. "Kippt man hier einfach unstrukturierte Daten hinein, steigt das System aus."
Marcus Rübsam, Director Global Solution Management bei SAP, rät daher dazu, pragmatisch mit kleineren Projekten zu starten, beispielsweise im Bereich Social-Media-Monitoring, um überhaupt erst einmal zu ermitteln, inwieweit die eigene Firma ein Thema in den verschiedenen Netzen ist. Dazu gehöre letztlich aber auch, einer Firma zu sagen, dass sie besser die Finger von Social CRM lassen sollte, selbst wenn die Verantwortlichen der Meinung sind, auf diesen Zug unbedingt aufspringen zu müssen.
Der Ansatz, im Rahmen einzelner Pilotprojekte erste Erfahrungen zu sammeln, scheint auch für die meisten Anwenderunternehmen derzeit das Mittel der Wahl. "Social CRM steckt gerade in einer Art Experimentierphase", sagt BASF-Mann Dietrich. Es gehe zunächst darum, Themen, die den Unternehmen am Herzen liegen, in Form von Pilotierungen auszuprobieren.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Firmen ohne Strategie in das Abenteuer Social CRM stolpern sollten. "Die Software ist nur Mittel zum Zweck", warnt CAS-Manager Zipser. Wenn Unternehmen keine Idee, keine Strategie hätten und es dort auch niemanden gebe, der sich darum kümmere, "dann wird auch die Software wenig helfen". Die Rolle der Anbieter ist für Zipser eindeutig: "Wir sind nicht dafür da, eine Strategie für unterschiedliche Unternehmen auszuarbeiten." Aufgabe der Anbieter sei es, die notwendige Technik bereitzustellen.
"Es entbindet uns niemand von der Aufgabe, uns zunächst zu fragen, welche Strategie wir verfolgen und was wir damit erreichen wollen", bestätigt Koletzki. Dabei erwarten die Verantwortlichen in den Unternehmen jedoch Hilfe von Seiten der Anbieter. "Sie als Anbieter müssen das unterstützen", fordert Dietrich. "Sie müssen Ihre Produkte weiterdenken." Auch Dominik Multhaupt, Leiter Online Marketing bei Burda Direct Services, sieht die Hersteller an dieser Stelle in der Pflicht. Letztlich bilde die Software die Grundlage, um überhaupt eine Strategie entwickeln zu können.
Welche Aspekte gehören zu einer Social-CRM-Strategie?
Zu den technischen kommen organisatorische und kulturelle Fragen, die es zu beantworten gilt. "Die Auswirkungen von Social Media sind viel breiter, als heute abzusehen ist", meint SAP-Manager Rübsam. Er rät den Verantwortlichen, das Thema ganzheitlich anzugehen. Daher müsse es auch vom Geschäftsführer getrieben werden, über die ganze Organisation. Das bedeute jedoch auch einen kulturellen Wandel in den Unternehmen. Derzeit trieben oft einzelne Pioniere in verschiedenen Abteilungen Social-Media-Initiativen an. "Dabei fehlt in aller Regel die Abstimmung", merkt Rübsam an. Das könne in der Folge zu Problemen führen, beispielsweise wenn es darum gehe, Insellösungen zusammenzuführen und mit den klassischen Business-Prozessen zu verknüpfen.
Eon-Manager Koletzki spricht von einem Paradigmenwechsel in Sachen Kommunikationskultur. Statt einer strukturierten Kommunikation einer Firma zu ihren Kunden über kontrollierte Kanäle gibt es nun eine Viele-zu-Viele-Beziehung, nicht zuletzt auch zwischen den Kunden.
Doch das fällt manchen Firmen schwer. Billinger berichtet von anfänglichen Vorbehalten innerhalb der SBK, es sei zu gefährlich, als Unternehmen in Facebook zu gehen. "Doch wenn am Marienplatz in München schlecht über uns geredet wird, ist es doch keine Option zu sagen: Dann gehen wir dort einfach nicht hin", stellt der Kommunikationsexperte fest. "Die Leute reden schlecht über mich, ob ich jetzt in Facebook bin oder nicht." Zeige man dort jedoch Flagge, bestehe zumindest die Chance, die Diskussionen mitzubekommen und gegebenenfalls einzugreifen.
Wie müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter auf Social CRM vorbreiten?
Für den SBK-Manager bedeutet das jedoch auch einen Kulturwandel. In den Unternehmen müsse die Einsicht reifen, dass die Kritiker in den sozialen Netzen recht haben könnten. "Vielleicht haben die etwas entdeckt, was wirklich nicht gut läuft in meinem Unternehmen", gibt Billinger zu bedenken. Jede Negativdiskussion, jede Beschwerde könne im Grunde auch helfen. Die Verantwortlichen müssten nur bereit sein, einzugestehen: "Ja - das haben wir falsch gemacht, werden wir aber in Zukunft besser machen."
Auch Microsoft-Managerin Zeisinger rät den Unternehmen, in Facebook und Co. offen mit Kritik umzugehen. In der Vergangenheit habe es genügend Beispiele gegeben, in denen Unternehmen versucht hätten, Diskussionen zu unterdrücken und negative Meinungen aus den Portalen her-auszufiltern. Doch dieser Schuss sei meist nach hinten losgegangen. Nachrichten über restriktive Firmenpolitik verbreiteten sich wie ein Lauffeuer durch die sozialen Netze und sorgten für ein Negativimage, das nur schwer wieder zurechtzurücken sei.
Um solchem Kommunikations-Debakel vorzubeugen, müssen Unternehmen Guidelines entwickeln, wie sie sich im Social Web präsentieren wollen und wie sich die Mitarbeiter dort zu verhalten haben. Aus Sicht Billingers müssen die Regeln für eine Social-Media-Strategie auf dem sprichwörtlichen Bierdeckel unterzubringen sein. Wenn sich Teams für ein halbes Jahr ins stille Kämmerlein zurückzögen, um geeignete Guidelines zu entwickeln, sei die Welt von Facebook und Co. längst vorangeschritten, "und man hat eine Strategie entwickelt, die dann gar nicht mehr passt". "Die SBK-Netiquette für soziale Netze geht auf ein Blatt Papier", berichtet der Krankenkassen-Manager. "Zehn Gebote - mehr brauchen Unternehmen im Grunde nicht."
Auch für Messevertreterin Wendel-Lander sollte eine Social-Media-Strategie mit wenigen Punkten auskommen. Das bedeutet aus ihrer Sicht jedoch nicht, dass dies einfach wäre. Die Managerin ist sich nicht sicher, ob eine belastbare Strategie herauskommt, wenn sich Mitarbeiter mit Beratern ein paar Tage zusammensetzen und dar-über nachdenken. "Es wird sicher Ideen dazu geben, aber die Fachleute, eine Strategie zu erarbeiten, sehe ich nicht unbedingt im eigenen Unternehmen." Wendel-Lander würde eher auf externe Serviceanbieter setzen, die mehr Erfahrung in diesen Angelegenheiten hätten.
Social CRM: Selbst machen oder auslagern - das ist hier die Frage
Grundsätzlich tendiert Wendel-Lander dazu, Social Media komplett an externe Dienstleister auszulagern: "Ich sehe das ganze Thema eher als kompletten Service." Sie begründet ihren Ansatz mit der hohen Komplexität, die aus ihrer Sicht intern nicht zu bewältigen sei. Schließlich müssten dabei viele Aspekte beachtet werden. Es gelte, die verschiedenen Social-Media-Kanäle zu beobachten, mit Informationen zu bestücken und auch wieder auszuwerten. Dafür müssten ihrer Einschätzung nach ganze Stäbe eingerichtet werden. Ein Mittelstandsunternehmen wie die Messe München werde das nicht bewältigen können - egal wie viele Einzelspezialisten sich bereits mit Facebook und Twitter beschäftigt hätten. Wendel-Landers Resümee: "Ich würde mir wünschen, dass es Unternehmen gibt, die einen Service anbieten, um bestimmten Strategien gemäß diese Medien zu nutzen."
Diese neue Klasse an Services sei gerade am Entstehen, berichtet Oracle-Manager Neuwirth. Allerdings handle es sich dabei in erster Linie um Anbieter von Enterprise Social Media Analysis. Die könnten beispielsweise herausfinden, was über eine Firma beziehungsweise ihre Produkte im Social Web kursiert. Diese Informationen erhielten die Verantwortlichen aufbereitet und könnten daraus ihre Schlüsse für künftige Entscheidungen ziehen. Das entbinde die Firmen jedoch nicht von der Aufgabe, die Informationen aus den Social-Media-Kanälen in die eigenen Systeme zu integrieren, mahnt Neuwirth.
Wie lassen sich Social Media in die klassischen CRM-Systeme integrieren?
"Das Datenvolumen wird extrem zunehmen", sagt SAP-Manager Rübsam und spricht von einer Herausforderung, der sich die Unternehmen in den kommenden Jahren stellen müssten. Dass die Informationen aus den sozialen Netzen ins CRM integriert werden müssen, daran besteht für den SAP-Manager kein Zweifel. Aus Sicht von Zausinger liegt die Schwierigkeit für die Anwender allerdings nicht darin, die Systeme zu verknüpfen und Informationen ins CRM zu bringen, sondern vielmehr darin, zu entscheiden, was die wirklich relevanten Daten sind. Für die Microsoft-Managerin lautet die alles entscheidende Frage: "Wie unterscheide ich die wertvollen von den weniger wertvollen Informationen?"
Um darauf eine Antwort zu finden, müssten sich Rübsam zufolge Fachbereiche und IT eng miteinander abstimmen und zu einem gemeinsamen Verständnis darüber gelangen, welcher Content am Ende des Tages ins CRM-System fließen soll. Die Praxis sehe in den meisten Fällen jedoch anders aus. Oft würden in den Unternehmen einzelne Abteilungen wie der Service oder das Marketing vorpreschen und auf eigene Faust Lösungen beziehungsweise On-Demand-Angebote im Social-Media-Umfeld einführen. Zur Begründung heißt es meist: Die IT kommt wegen der vielen Projekte da sowieso nicht hinterher. Doch das böse Erwachen folge spätestens dann, wenn die IT diese Punktlösungen wieder konsolidieren und integrieren muss.
Koletzki von Eon kennt das Problem. "Wenn wir zu unseren internen Kunden sagen: Das große System kostet dich x Millionen, und das Projekt dauert ein Jahr, dann haben wir von vornherein verloren." Die IT-Abteilungen müssten deshalb genauso agil agieren, wie sich der Markt derzeit agil entwickelt. "Ich rate, nicht wieder mit großen monolithischen IT-Projekten anzufangen", warnt Zipser von CAS. "Das funktioniert heute grundsätzlich nicht mehr und im Umfeld von Social Media auf gar keinen Fall." IT-Abteilungen müssten es zulassen, dass Mitarbeiter neue Dinge auftreiben und vorantreiben - auch wenn damit, wie Zipser durchaus einräumt, die eine oder andere Integrationsarbeit im Nachhinein ansteht. Erstickten Unternehmen diese Initiativen unter dem Deckmantel einer noch zu entwickelnden IT-Gesamtstrategie im Keim, bremsten sie sich letzten Endes selbst aus. Es ist - gerade bei Social Media - keine Zeit für langes Spezifizieren, bis endlich ein Rollout kommt.
Sich mit alten Methoden und klassischen Ansätzen dagegenzustemmen gebe keinen Sinn, ergänzt Koletzki: "Die schwimmen einfach um uns herum. Da haben wir keine Chance."
Wie sollten die ersten Social-CRM-Projekte aussehen?
Um von den rasanten Entwicklungen im Umfeld von Social Media nicht einfach überrollt zu werden, nehmen die IT-Abteilungen den Ball auf und starten erste Experimente. Aus Sicht von Burdas Online-Manager Multhaupt muss das Ganze zunächst die notwendige Viralität bekommen. Social Media nebenbei zu forcieren, indem sich die Mitarbeiter abends in Foren einklinken oder Praktikanten unter verschiedenen Accounts Blogs mit Beiträgen bestücken, werde allerdings nicht funktionieren.
Virale Kampagnen zu steuern sei sehr schwierig, bestätigt Zausinger. Auf diesem Feld griffen andere Mechanismen, als die Unternehmen im klassischen Marketing gewohnt seien. Die Informationen müssten spannend, dürften aber nicht als Werbung oder Marketing zu erkennen sein. Die Empfänger müssten die Botschaften so interessant finden, dass sie sie von sich aus weiterverbreiteten, "ohne zu merken, dass es sich im Grunde um Marketing handelt".
Für Billinger besteht die Kunst darin, aus den Informationen den gewissen Kick herauszuschälen. Postings über die Finanzierung von Krankenkassen locken niemanden. "Dafür bekommt man keinen Kommentar oder ein "Gefällt mir". Wenn es aber um Zusatzbeiträge gehe, also den Geldbeutel der Leute, oder die drohende Pleite von Krankenkassen, dann werde es interessant.
Die andere zentrale Frage in Sachen Social CRM betrifft nach Einschätzung aller Teilnehmer sämtliche Aspekte rund um die Auswertung von Informationen aus den verschiedenen Netzen. Dabei gehe es Multhaupt zufolge in erster Linie darum, die wirklich relevanten Informationen aus Facebook und Co. herauszufiltern, diese Daten ins CRM zu bekommen und schlussendlich die eigenen Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, mit diesen neuen Informationen auch umzugehen.
Von technischer Seite sehen die Softwarehersteller an dieser Stelle kaum Probleme. Auf Basis von standardbasierenden CRM-Systemen sowie Web-Services ließen sich Daten aus Facebook und anderen Netzen schon heute relativ leicht ins Kunden-Management integrieren, sagt Oracle-Manager Neuwirth. Rübsam von SAP spricht von einfachen pragmatischen Lösungen, die sich ohne großen Aufwand innerhalb weniger Tage und für wenig Geld implementieren ließen. Letztendlich gehe es um die Prozessbeschreibungen im CRM-System, ergänzt Zipser von CAS. Was mit einer Information passiert und welche Prozesse angestoßen würden, lasse sich mit der heutigen Technik ohne Weiteres regeln.
Allerdings ist Technik nicht alles, müssen auch die Hersteller einräumen. "Natürlich muss ich dem Monitoring-Tool sagen, was es wie überwachen soll", sagt Rübsam. Im Idealfall könne die Technik differenzieren, ob die Information positiv oder negativ ausfällt, aber: "Maschinen können Menschen nicht ersetzen." Schwierig wird es aus Sicht von Microsoft-Managerin Zausinger beispielsweise mit anonymen Postings. Ein automatisches Matching mit den eigenen Kundendaten funktioniere nur, wenn sich die Mitglieder der sozialen Netze auch identifizieren ließen. Ist das nicht der Fall, bleibe den Unternehmen nur der Weg über die jeweiligen Kanäle im Social Web, um eine weitere Kommunikation führen zu können. "Es gibt nicht immer den best case", bestätigt Zipser. "Diese Tools können nicht Glaskugel lesen."
Wie können Unternehmen den Erfolg ihrer Social-Media-Strategie messen?
Für Burda geht es vor allem darum, Abonnenten zu halten, berichtet Multhaupt. Dafür gebe es ausgefeilte Werkzeuge, die die Wahrscheinlichkeit berechnen, ob ein Abo gekündigt wird. Gelingt es, das zu verhindern - eventuell mit Hilfe von Social CRM -, lasse sich ziemlich genau berechnen, ob sich der Einsatz in diesem Umfeld lohne.
Darüber hinaus gebe es allerdings jede Menge softe Ziele, sagt Multhaupt. Eigentlich sollten die Unternehmen zu der Einsicht kommen, dass Aktivitäten im Social-Media-Umfeld einfach zu einer guten Kommunikationsarbeit gehören. Die Frage nach dem Wert eines Fans oder Followers hält der Burda-Manager daher für absurd. "Man kann sie ja sogar schon auf Ebay kaufen." (Computerwoche)