Um halb elf am Dienstagabend hat Gregor von Bonin endlich die dringendsten Mails verschickt und macht sich daran, die "billable hours" für den Mandanten aufzuschreiben. Einiges kommt da zusammen, denn der Junganwalt bei Freshfields Bruckhaus Deringer, Spezialgebiet M&A und Unternehmensrecht, hat einen "All-Nighter" hinter sich, wie er seine Nachtschicht nennt.
"Wir brauchen den Vertrag jetzt doch schon morgen Abend", hatte der Mandant Montag früh kurz und bündig per Telefon verkündet. Das war vor 37 Stunden. Seither hat von Bonin, blaue Augen über gut sitzendem Anzug, am Vertragsentwurf für den Kauf einer IT-Firma gefeilt. Nur unterbrochen von einem Zahnarzttermin morgens um acht, was sich glücklich fügte, denn da konnte er wenigstens mal Zähne putzen.
Übermorgen wird von Bonin 34, aber statt zu feiern, wird er bis in die Nacht mit dem Verkäufer über Haftungshöhen und Verjährungsfristen verhandeln. Am Freitag nimmt er sich "den Abend frei" und verlässt sein Büro um 19 Uhr, aber am Sonntag sitzt er wieder am Schreibtisch, bereitet die kommende Woche vor, liest Akten, schreibt an einem Fachaufsatz.
Eine ganze Nacht im Büro ist auch für von Bonin selten. "Es gibt auch ruhigere Phasen, aber es wird schon mal bis in die Nacht oder am Wochenende gearbeitet", sagt der Anwalt. "Das ist eben kein 9-to-5-Job." Gemecker der Freundin über 14-Stunden-Arbeitstage bleibt ihm erspart; sie arbeitet in einer New Yorker Kanzlei.
Obwohl er sich selbst nie so bezeichnen würde, erfüllt Gregor von Bonin spielend die Kriterien eines "Extremjobbers". So nennt das New Yorker Center for Work-Life Policy in einer Studie die Tausende Top-Manager, Anwälte, Berater und Experten, die mit zäher Ausdauer die globale Wirtschaft antreiben. Extremjobber
arbeiten mindestens 60 Stunden pro Woche, meist deutlich mehr;
sind rund um die Uhr erreichbar;
tragen hohe Verantwortung;
arbeiten unter enormem Zeitdruck, meist an vielen, oft nicht vorhersehbaren Projekten gleichzeitig, und
verdienen weit über dem Durchschnitt.
Sicher: Vielarbeiter wie General-Electric-Chef Jeffrey Immelt, der gern damit prahlt, er arbeite seit 25 Jahren jede Woche 100 Stunden, die gab es immer schon. Menschen, die einen halben Tag freinehmen, wenn sie das Büro mal um 20 Uhr verlassen, das Begräbnis der Großmutter wegen eines Kundentermins verpassen oder sich im "Hyatt"-Hotel ihre "Blackberry-Hand" massieren lassen müssen. Doch die New Yorker Studie zeigt: Ihre Zahl und vor allem ihr Arbeitspensum sind drastisch angewachsen.
In den vergangenen Jahren sind Größe und Komplexität der Geschäfte geradezu explodiert: 1970 machten die 50 größten Konzerne der Welt im Schnitt 29 Milliarden Dollar Umsatz (inflationsbereinigt) - heute mehr als 120 Milliarden. Die Folge: "Die Arbeitszeit von Managern ist seit Mitte der 90er um 50 Prozent gestiegen", sagt Rainer Willmanns, Vorsitzender des Deutschen Manager-Verbands (DMV).
In einer Umfrage, die der DMV unter Führungskräften durchgeführt hat, waren Wochenarbeitszeiten von 70 Stunden keine Seltenheit. Doch als "gewünschte Änderungen" nannten die Befragten vor allem "effizientere Kommunikation" und "weniger Informationsüberflutung"; kaum einer verlangte "weniger Arbeit".
Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von Manager Magazin Online.
Wer also unter den Vielarbeitern eine Reihe ausgebrannter, verbitterter Gestalten sucht, wird enttäuscht werden. "Ich arbeite gern unter Zeitdruck", sagt Gregor von Bonin, "viele Bälle gleichzeitig in der Luft halten, Telefonate, Verträge, Mails, das bringt das gute Gefühl, etwas voranzutreiben." Extremjobber fühlen sich nicht als Opfer, sie lieben die hohe Drehzahl.
Kann man das lernen? Wie packen Vielarbeiter ihr enormes Pensum? Wie reagieren sie auf Stress, wie bleiben sie gesund?
Die Extremjobber stehen an der Spitze der Entwicklung hin zu einer Welt, die niemals schläft: always on, immer auf Abruf. Normalerwerbsbiografie und Acht-Stunden-Tag - das sind Begriffe, so aktuell wie der Opel Kapitän. Die Ausweitung der Arbeitszone mit ihren zahllosen Spielarten wie Projektarbeit, Home Office und Vertrauensarbeitszeit hat alle Bereiche erfasst, vom Manager bis zum Arbeiter.
"Seit Beginn der 90er erleben wir die flächendeckende Flexibilisierung der Arbeitszeit", sagt Thomas Haipeter vom Institut für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung haben heute drei von vier deutschen Firmen flexible Arbeitszeitmodelle. Wo noch die gute alte Stechuhr steht, stempeln Mitarbeiter oft pünktlich um 17 Uhr aus - und gehen schnurstracks zurück an die Arbeit, ohne jedoch wieder einzustempeln. Atmende Unternehmen, atemlose Angestellte.
Trend zum entgrenzten Arbeiten
"Die Grenze zwischen Beruf und Privatleben verwischt zusehends", sagt der Industriesoziologe Gerd Günter Voß. Der Professor an der TU Chemnitz spricht vom "entgrenzten Arbeiter, der sich stärker als Unternehmer fühlt, mehr Verantwortung übernimmt und deshalb mehr und arhythmischer arbeitet".
Prinzipiell greift diese "Follow the sun"-Arbeitsweise auf alle Ebenen durch. Weil aber große Teile der Produktion standardisiert sind, werden komplexe Interaktionen wie Verhandlungen und Analysen zum eigentlichen Erfolgstreiber. Die Konsequenz: gering Qualifizierte arbeiten weniger, hoch Qualifizierte immer mehr.
Eckhard Nagel (46) folgt einer simplen Regel: "Nicht immer grübeln, was ich noch erreichen will. Ich lebe im Hier und Jetzt. Was ich tue, mache ich hundertprozentig." Allerdings tut Nagel, athletisch, besonnen, blitzweißes Lächeln, eine ganze Menge: Er ist Direktor des von ihm initiierten Instituts für Medizin-Management der Uni Bayreuth, Leiter des Chirurgischen Zentrums am Klinikum Augsburg, Chefarzt der Transplantationschirurgie, Mitglied im Ethikrat und im Vorstand des Evangelischen Kirchentages sowie Vorsitzender der Rudolf-Pichlmayr-Stiftung, um nur das Wichtigste zu nennen. Ach ja: verheiratet, drei Töchter, Doppelpromotion in Medizin und Philosophie.
Bei der Visite auf der Transplantationsstation hat der Arzt, obwohl unter Zeitdruck, für jeden Patienten ein paar Minuten, und in denen gibt er jedem das Gefühl, ganz für ihn da zu sein. Kleine Scherze, gute Ratschläge ("Mehr trinken, keine Semmel"), Verband wechseln.
Konzentration ist Nagels Stärke, das intensive Nutzen des Augenblicks. Nagel steht um sechs auf ("Ich brauche nur fünf Stunden Schlaf"), macht Fitnessübungen und duscht im Freien, im Sommer und Winter. In der Woche arbeitet er bis 24 Uhr oder länger, aber die Wochenenden hält er konsequent frei für die Familie, nur das Transplantations-Notfallhandy darf ihn stören. "Auch wenn ich dafür die Nacht schon mal durcharbeiten muss."
Aber was heißt schon "arbeiten"? Wie die meisten Extremjobber muss Nagel lange nachdenken, wenn man ihn fragt, wie viele Stunden er täglich arbeitet: "Ich erlebe meine Tätigkeit nicht als Arbeit, sondern als Geschenk", sagt der gläubige Christ, der zweimal täglich meditiert, "wenn ich viel bewegen kann, möchte ich auch etwas zurückgeben."
Gesundheit ist abhängig von Hierarchieposition
Das Geheimrezept des Vielarbeitens, so scheint es, ist so schlicht wie effektiv: Arbeit empfinden Extremjobber nicht als Anstrengung, sondern als Privileg. Das hat damit zu tun, dass sie ihr Pensum frei einteilen, selbstbestimmt arbeiten können. "Wer den Machtstab des Agierens in der Hand hält, kann besser mit Druck umgehen und mehr leisten als jemand, der nur Befehle ausführt", sagt Zeitmanagement-Guru Lothar Seiwert. Studien unter Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes in Großbritannien zeigen: Die Position in einer Hierarchie beeinflusst sogar Gesundheit und Lebenserwartung stark. Entscheider leben länger.
Natürlich bewegen sich gerade Manager oder Anwälte nicht im anforderungsfreien Raum. Per Mail, Handy und Blackberry prasseln täglich Hunderte von Informationen auf sie ein, ständig muss irgendetwas entschieden werden. Aber wie sie reagieren, bleibt ihnen allein überlassen.
Hubertus Meinecke (36) etwa, Partner bei der Boston Consulting Group, hat gerade seinen Zehn-Uhr-Termin abgesagt. Gestern um Mitternacht rief ein Kunde an, dringend müsse man noch einmal die Präsentation für den Vorstand durchgehen: "Acht Uhr morgen früh passt Ihnen doch?" Kein Problem für Meinecke, in dessen Büro im Hamburger Chile-Haus sich Pokale stapeln, der Marathon läuft ("Jedes Jahr einen, plus einen längeren Lauf") und Sport liebt und deshalb auch überraschende Herausforderungen. "Ich fände es schrecklich, morgens genau zu wissen, wie der Tag abläuft."
Neulich, auf der Fahrt zu den Schwiegereltern, fiel ihm auf, dass er an diesem Tag noch nicht gelaufen war. Noch im Zug zog er Sportklamotten über, gab dem Taxifahrer am Bahnhof seine Aktentasche und die Adresse der Schwiegereltern - und rannte selbst zu Fuß hin.
Der Berater, mit klobiger Läuferuhr unterm Maßanzug, hat den Ehrgeiz, in den 12 bis 14 täglichen Arbeitsstunden möglichst viel zu erledigen. Auf seinem Tisch stapeln sich 100 Grußkarten für Kunden, Arbeit für mindestens einen halben Tag. "Ich will das in zwei Stunden schaffen, das spornt mich an."
Längst ist der "gestresste Manager" mit Schlafproblem und Herzrhythmusstörung zum Klischee geronnen. Doch Vielarbeiter wie Meinecke demonstrieren etwas anderes - und werden von der Stressforschung bestätigt: "Anders als etwa Cholesterin wirken Stressoren nicht auf alle gleich", sagt Stressexperte Ludger Ciré vom Vorsorgespezialisten Prevent in Karlsruhe, "den einen nervt ständiges Handyklingeln, für den anderen ist es Lebenselixier." Die Grenze zum Workaholic, süchtig nach Stress, ist aber fließend; jeder muss selbst beobachten, auf welcher Seite der Linie er steht.
Prevent hat 40.000 Check-ups von Führungskräften gemacht. Ergebnis: Manager sind fitter als der Bevölkerungsschnitt. "Natürlich hat der Zwang zu Mobilität und Flexibilität den Druck auf Führungskräfte erhöht", sagt Ciré, "gleichzeitig sind sie gesundheitsbewusster geworden und können besser mit Stress umgehen." Der vom Burgunder rotgesichtige Bankvorstand ist vom Aussterben bedroht.
Ulrich Holdenried (56) hat schon zweieinhalb Stunden auf der Autobahn mit vielen Telefonaten hinter sich, nachher warten Geschäftsleitertreffen, und jetzt muss er noch die Erklärung für die Jahrespressekonferenz checken. Doch der Deutschland-Chef von Hewlett-Packard (HP) wirkt nach 31 Jahren im Geschäft so sehr unter Druck wie Ronaldinho beim Benefizspiel gegen ein paar Straßenjungs. "Den Uli", sagen sie bei HP, "den bringt nix aus der Ruh'." Und "der Uli" sagt in gemütlichem Schwäbisch, dass ihn Krisen eher gelassener machen: "Inzwischen weiß ich: Es kann net ewig regne'."
Das Auf und Ab schreckt Holdenried schon lange nicht mehr. Er hat ein Ritual ("Morgens brauch' ich mein Frühstück und die Zeitung"), aber davon abgesehen "finde ich nichts anstrengender als Monotonie". Nur einen Tag pro Woche weilt Holdenried am HP-Sitz in Böblingen; den Rest der Zeit besucht er Kunden, managt per Mail und Telefon.
Wie in den meisten modernen Firmen herrscht bei HP maximale Flexibilität: Arbeit ist ergebnisorientiert und standortunabhängig; viele Vertriebler haben gar keinen eigenen Schreibtisch mehr, sondern stöpseln den Laptop dort ein, wo sie gerade sind. Die internationalen Teams legen ihre Telefonkonferenzen so, dass mal die Asiaten früh aufstehen müssen und mal die Europäer.
"Ubiquitäre Verfügbarkeit der Informationen" nennt Wilhelm Bauer, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), dies und meint damit, dass das Büro des 21. Jahrhunderts im Internet steht. Es ist die wichtigste Ursache dafür, dass Vielarbeiter mittlerweile keine Rarität mehr sind: "Kommunikationsmittel wie Mail und Blackberry machen hoch Qualifizierte noch produktiver", sagt Bauer, "und mit der räumlichen wächst auch die zeitliche Ausdehnung der Arbeit."
War eine Transatlantik-Geschäftsreise vor hundert Jahren noch ein wochenlanges, gemütliches Unterfangen mit Clubsesseln und Zigarrenrauchschwaden, wird heute im Flieger die nächste Präsentation fertig gemacht.
Arbeit als soziales Zentrum
Aus sequenzieller Arbeit ist so paralleles Multi-Tasking geworden, wir müssen viele Kommunikationskanäle gleichzeitig bedienen. Auch wer eigentlich nicht gestört werden will, reagiert auf das Eingangs-"Ping" der Mails wie ein Neandertaler, der ein Rascheln im Busch hört und nicht weiß, ob sich dort eine hübsche Gefährtin verbirgt oder ein hungriger Säbelzahntiger: Er sieht nach. "Die Erwartungshaltung ist dadurch rasant gewachsen, alles muss schneller gehen", sagt Zeit-Coach Seiwert.
Die härtere Konkurrenz zwischen Firmen und unter den Mitarbeitern tut ein Übriges: Statt nach zwei Wochen muss ein Vertragsentwurf heute nach zwei Tagen raus. Und weil alle in Eile sind, ist im Fahrstuhl der "Türen zu"-Knopf immer am stärksten abgenutzt.
In der Gesellschaft setzt sich ein neues Denken durch: Arbeit ist nicht nur Broterwerb, sondern immer stärker auch soziales Zentrum. "Viel arbeiten ist hip, es hat Erlebnischarakter, ähnlich wie Extremsport", sagt Soziologe Voß. Die neue Leistungselite trennt nicht mehr zwischen Privatleben und Arbeit, weil das wenig Sinn machen würde in einer Zeit, wo Sneakers im Büro und Anzüge auf Partys getragen werden.
Für dieses Lebensgefühl hat Puma-Chef Jochen Zeitz (43) die passende Kollektion auf den Markt gebracht. Das Outfit bündelt die rastlose Existenz zwischen Konferenztisch und Cocktailglas in einer Mischung aus Freizeitdress und kühler Eleganz. "96 hours" steht für die Länge einer interkontinentalen Geschäftsreise - es ist die Uniform des globalen Vielarbeiters, für den Arbeit Zuhause ist und Zuhause Arbeit.
Zeitz ("Ich bin praktisch immer erreichbar, das halte ich für selbstverständlich") glaubt fest daran. In Armani-Jeans, dem modischen Hemd über brauner Haut sieht er aus, als flöge er gleich nach Ostafrika in sein Haus zum Ausspannen. Tatsächlich warten eine Videokonferenz über Ausrüsterverträge, ein Mediaplaner-Treffen und etliche Telefonate mit Geschäftsführern auf ihn.
Seine Mails beantwortet er fast alle selbst ("Ich mag keine vollen In-Boxen"), er checkt sie ständig ab, morgens um sechs, am Wochenende, im Urlaub; die "Out of Office"-Benachrichtigung verwendet er nie: "Ich habe keine Off-Zeit; ich werde nervös, wenn nichts zu tun ist." Seine Antworten ("OK") sind für ihre Prägnanz berüchtigt, Zeitverschwendung kann er nicht leiden, Zeitz ist ein Effizienzjunkie. Schlechte Nachrichten prallen an seiner Konzentration ab: "Ich überlege sofort, was ich ändern kann."
Beim Training im Fitnessstudio, eingerichtet im ehemaligen Vorstandstrakt zwischen schweren Mahagoniwänden, kommen ihm Ideen für neue Projekte, beim Joggen bespricht er sich mit Kollegen. Als Zeitz die Geschäfte einige Jahre von Boston aus lenkte, erzählen Mitarbeiter ehrfürchtig, habe er die Arbeitszeiten beider Kontinente quasi kombiniert: "Wer morgens um 9 aus Herzogenaurach eine Mail an ihn schrieb, hatte ein paar Minuten später die Antwort."
Trotzdem, sagt der Puma-Chef, "bin ich nur an wenigen Tagen abends richtig geschafft". Zeitz' Antrieb ist die Dynamik seines rasant wachsenden Unternehmens, "die Freude am Gestalten".
Stress ist Reaktion auf Bedrohnungen
Ihre grosse Verantwortung ist für Extremjobber keine Last, sondern Lust. Als Generalbevollmächtigter der Fraport AG , zuständig für Sicherheit, Flug- und Terminalbetrieb, muss sich etwa Volker Zintel (60) jeden Tag um die Quadratur des Kreises kümmern: Möglichst schnelle, komplikationsarme Abfertigung, gleichzeitig maximale Sicherheit.
Aber wer Zintel in blauen Nadelstreifen, mit weißem Bürstenhaarschnitt und zackigem Schritt über den Flughafen eilen sieht, der merkt: Dem Mann macht das Spaß. Obwohl ihn die Umsetzung der EU-Richtlinien für Flüssigkeiten im Flugzeug fast wahnsinnig macht, die Lufthansa wieder über Verzögerungen nörgelt und der 35 Jahre alte Terminal 1 beste Chancen hätte im Wettbewerb "Deutschland sucht die Superbaustelle".
Zintel war lange Polizist, danach Bürgermeister einer hessischen Kleinstadt. Als Manager mit 14-Stunden-Tag und permanent piependem Blackberry nutzt er die Tricks aus beiden Welten: Den polizeilichen Sinn für Ordnung und klare Kante ("Abends muss der Schreibtisch möglichst leer sein") und die verbindliche Menschenfischerei des Politikers: "In dieser Querschnittsfunktion geht nichts über Organigramme, nur über Menschen und persönliche Kontakte."
Vielleicht ist es gut, meint der Sicherheitschef, dass er seinen bislang stressigsten Job erst im reiferen Alter angetreten hat. "Je wilder es zugeht, etwa bei der Rückkehr der Tsunami-Opfer vor zwei Jahren, desto ruhiger werde ich."
Stress ist eine archaische Reaktion auf Bedrohungen, die übergeordnete Gehirnfunktionen (Planen, Organisieren) ausschaltet und alles aufs Überleben ausrichtet. In der Steinzeit war das sinnvoll; doch wenn wir heute bei der achten Entscheidung zum fünften Mal unterbrochen werden, während wir nach der zehnten fehlenden Information suchen, dann brauchen wir die übergeordneten Hirnfunktionen dringender denn je.
Wenn Extremjobber ihre Arbeit nicht als Belastung, sondern als Privileg empfinden, wenn sie unter Stress so angespannt sind wie Lehrer in den Sommerferien - dann tun sie instinktiv genau das Richtige und bleiben gelassen. Was sie wiederum geschickter agieren lässt - eine Spirale von Motivation und Erfolg.
Nur leider: "Lernen kann man das nur bis zu einem gewissen Punkt", sagt der Mediziner Ciré. Man kann sein Zeit-Management verbessern oder sich zwingen, öfter ruhig zu bleiben. Der Rest ist schlicht eine Typfrage. Wie Zintel sagt: "Ich hab' immer schon am liebsten unter Druck gearbeitet."