Nach einer kurzen Schwächephase im Vorjahr konnte Google seinen Vorsprung im „Trendence Graduate Barometer German IT Edition“ 2013 wieder ausbauen. Zwar hat die Suchmaschine ihren Höchststand aus dem Jahr 2011 um ein Zehntel verfehlt, aber die Anziehungskraft auf IT-Absolventen deutscher Hochschulen ist ungebrochen. Zudem kamen die Verfolger ihrer Aufgabe nicht wirklich nach: SAP stagnierte sich vom dritten auf den zweiten Rang, Microsoft büßte 1,3 Prozentpunkte ein, und Apple sowie IBM mussten überraschend Federn lassen. Mit einem Minus von 1,9 Prozent die kalifornische Kultfirma, deren Arbeitsbedingungen bei asiatischen Zulieferern 2012 öffentlich diskutiert wurden, sogar der größte Verlierer.
Jedes Jahr untersucht das Berliner Marktforschungsunternehmen Trendence im Graduate Barometer, in welcher Firma sich ein IT-Absolvent am ehesten bewerben würde. Sichtlich schwer tun sich seit einigen Jahren die Anbieter klassischer Enterprise-IT. Immerhin verlor SAP im aktuellen Ranking nicht weiter, aber die US-Konzerne haben hierzulande zu kämpfen. Neben Microsoft und IBM schrumpfte auch das Interesse an Intel und Adobe. „Die Einbußen sind jedoch nur gering, daher würde ich nicht von einem Trend sprechen“, sagt Manja Ledderhos, Senior Account Manager bei Trendence. Als gutes Beispiel ging Oracle dann auch mit einem Plus von 0,3 Prozentpunkten voran.
Informatiker wollen attraktive Aufgaben
Klassische deutsche Industriekonzerne können sich dagegen als Arbeitgeber profilieren. „Wir sehen hier einen Zusammenhang zwischen der starken deutschen Wirtschaft und der gestiegenen Arbeitgeberattraktivität heimischer Unternehmen“, berichtet Ledderhos. Viele Firmen speziell aus dem Automotive-Bereich seien wirtschaftlich erfolgreich und würden ihren Talenten spannende Entwicklungsmöglichkeiten bieten. „Diese Unternehmen stehen zu Recht für attraktive Arbeitsaufgaben, was für IT-Studenten das absolute Top-Entscheidungskriterium für einen Arbeitgeber ist.“
Allen voran fuhr BMW mit einem Zugewinn von 1,3 Prozent von Platz zehn im Vorjahr auf Rang vier vor. „Wir sind uns seit Jahren der Tatsache bewusst, wie wichtig Software für Autos und unsere Produkte ist“, sagt Reinhard Stolle, einer der beiden Leiter der hauseigenen Softwareschmiede BMW Car-IT. So hat der Konzern die Kompetenz in dem Bereich massiv ausgebaut und in den letzten drei Jahren „mehrere hundert Softwareexperten eingestellt“. Derzeit gibt es rund 40 offene IT-Stellen in der Fahrzeugentwicklung und 20 in der Corporate-IT, weitere sollen in dem Jahr hinzukommen. Laut Stolle verlangen Kunden nach Produkten und Funktionen, die nur mit IT möglich werden: „Vernetzung, Infotainment, Fahrer-Assistenzsystemen, Verkehrsinformationen, die Motorsteuerung oder die Fahrdynamik – gerade im Premium-Segment ist die Erwartungshaltung sehr hoch.“
Gute Geschäfte, gutes Image
Stolle sucht Entwickler, Architekten und Integratoren, gerne auch ohne Fahrzeugspezialisierung: „Die kommt hier ohnehin automatisch“. Im Gegenzug wirbt die Car IT mit einer organisatorischen Einheit von Softwareexperten, die die gleiche Begeisterung teilen und eine eigene Kultur pflegen können. „Hier geht es nicht um die schnellste Zeit auf dem Nürburgring, sondern um die beste Softwarelösung.“ Auch die Herausforderungen haben es in sich: Der Konzern betreibt weltweit vier App-Center für die Entwicklung der Programme und stellt auch eine Infrastruktur mit Schnittstellen ins Fahrzeug zu den Funktionen und der Bedieninfrastruktur zur Verfügung. So ermöglichen wir es unseren Partnern, entsprechende Applikationen zu entwickeln“, erklärt Stolle.
„Unternehmen wie BMW konnten ihren wirtschaftlichen Erfolg imagefördernd für ihr Branding als Arbeitgeber nutzen“, sagt Trendence-Expertin Ledderhos. Diese Firmen würden den deutschen Markt sehr gut kennen, seien an relevanten Zielhochschulen aktiv und hätten genau die richtigen Programme für Absolventen im Portfolio. Dazu zählt auch Bosch, eine Firma, die sich im Ranking auf Platz 14 vorgearbeitet hat und ebenfalls von der Durchdringung der IT – Stichwort „Industrie 4.0“ – profitieren. „30 Prozent unserer Stellenausschreibungen in Deutschland sind inzwischen im IT- und IT-nahen Bereich“, sagt Vera Winter, Leiterin Personalmarketing Deutschland der Robert Bosch GmbH.
Da der Konzern Absolventen und junge Berufseinsteiger schon früh für Bosch begeistern möchte, setzt er auf eine enge Zusammenarbeit mit Hochschulen rund um den Globus sowie verschiedene Nachwuchsprogramme. Neben dem Direkteinstieg gibt es Programme für den Führungsnachwuchs und Fachexperten, ein Studentenbindungsprogramm sowie Angebote für Bachelor-Absolventen und Promotionen. Zudem bietet Bosch ein familienfreundliches Umfeld, flexible Arbeitsmodelle und drei Karrierelaufbahnen für Führungs-, Fach- und Projektaufgaben. „Das gehört heute einfach dazu“, sagt Personalexpertin Winter. Solche Aktivitäten seien wichtig, um für Bewerber attraktiv zu sein und ihnen früh Einblicke in den beruflichen Alltag zu geben. Dass die Einarbeitung für die Neuen bei Bosch ebenfalls durchorganisiert ist, versteht sich von selbst.
DLR-CIO Popp freut sich, dass „Absolventen im ersten Schritt nicht nur nach dem Geld, sondern auch nach exotischen Aufgaben schauen“. Vor allem müssten interdisziplinäre Aufgaben gelöst werden: „Es dauert nicht lange“, verspricht der IT-Manager, „und der Absolvent kommt etwa mit einem messtechnischen Problem in Berührung“. So suche das DLR Experten, die über den Tellerrand blicken und die eine Begabung für Architektur hätten, um die selbst betriebenen Frameworks weiterzuentwickeln, sagt Popp: „Der Instinkt, Funktionen zu integrieren, ohne das System zu gefährden, ist das Wichtigste.“ Hinzu käme zunehmend die Kompetenz, die eigene Arbeit und den Lösungsansatz zu präsentieren, sowie die Fähigkeit, unter hohem Druck zu arbeiten: „Wir können keinen Raketenstart absagen, nur weil ein Programm nicht fertig ist.“
Auch im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln wird auf einen professionellen Empfang der Neuzugänge viel Wert gelegt, berichtet CIO Hans-Joachim Popp, der jedes Jahr 1400 neue Mitarbeiter mit IT-Systemen ausstatten muss. Der Aufstieg seines Unternehmens von Platz 31 auf 22 erklärt sich aber primär mit „eingebauten, positiven Features des DLR“, so der CIO: „Wir suchen große Lösungen für große gesellschaftliche Probleme der Zukunft.“ Dazu zählen neue Energiespeicher, das Weltklima oder die Verkehrsforschung – und nicht zuletzt die Raumfahrt mit ihrer schon immer außergewöhnlichen Anziehungskraft. Dazu komme der Reiz ungewöhnlicher Projekte, die nur eine Chance hätten und im ersten Anlauf klappen müssten, erläutert Popp. „Die nötige Fokussierung bringt Teams zusammen, die zur Höchstleistung auflaufen, und macht aus dem DLR einen attraktiven Arbeitgeber.“
Der Reiz exotischer Aufgaben
„Auch unter den High-Potentials ist die Attraktivität des DLR gewachsen“, sagt Trendence-Managerin Ledderhos. Die Marktforscher bezeichnen mit High-Potentials Studierende, die hinsichtlich ihrer Noten zur Spitze gehören, sich außeruniversitär engagieren sowie Praxiserfahrung vorweisen können. Zwar hätten Forschungseinrichtungen in den vergangenen Jahren viele Plätze abgeben müssen, doch sei dem DLR und dem DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz) 2013 die Wende gelungen. Max-Planck und Fraunhofer hingegen konnten den Abwärtstrend nicht stoppen, sagt Ledderhos: „Sie gelten eher als traditionelle Institute, die sich seit Jahren einem stärkeren Wettbewerbsfeld gegenübersehen.“
Unabhängig von der Branche – IT-Absolventen haben derzeit immer noch gute Karten auf dem Markt. Zwar nehmen viele Jugendliche ein Hightech-Studium auf, aber die hohe Abbrecherquote von über 50 Prozent verknappt die Ressourcen. Mit einem Einstiegswunschgehalt von 45.400 Euro ist ein neuer Rekordwert erreicht, was Trendence-Expertin Ledderhos jedoch relativiert: „Die Steigerung gegenüber dem Vorjahr liegt unterhalb der Inflationsrate.“ Indes sagt auch sie, dass der Nachwuchs hohe Ansprüche an den ersten Arbeitgeber stellt. So sank die erwartete Wochenarbeitszeit mit 41,8 Stunden auf einen Tiefststand. Gleichzeitig fiel der Optimismusindex, mit dem die Zuversicht der Studierenden bei der Jobsuche bewertet wird. „Eben wegen der hohen Anforderungen erwarten die Absolventen eine längere und schwierige Suche nach dem ersten Job“, sagt Ledderhos. „Das nehmen sie in Kauf, um die ‚richtige’ Stelle zu finden.“
Zwei Kriterien für die passende Position sind neben den attraktiven Aufgaben der Führungsstil sowie die Work-Life-Balance. Letzteres gilt speziell für High-Potentials, die sich mit starren Arbeitsmodellen nur schwer an Bord holen lassen. Von denen zieht es die Hälfte nach dem Studium ins Ausland. Beim Führungsstil punkten Manager, die ihr Team motivieren können und Fachkompetenz aufweisen.Und die versöhnliche Nachricht zum Schluss für die Arbeitgeber auf den hinteren Rängen: Ein Drittel der Absolventen würden auch in einer Firma mit schlechtem Image arbeiten, wenn das Gehalt stimmt.
Das Trendence Graduate Barometer 2013
Deutschlandweite Online-Befragung unter examensnahen Studierenden zu ihren Erwartungen und Vorstellungen bezüglich des Berufseinstiegs, ihrem Kommunikationsverhalten und zu ihrer Einschätzung der Attraktivität von Arbeitgebern;
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Rund 37.000 Befragte in vier Editionen: Business, Engineering, Law, IT;
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Befragung: Online-Fragebogen – Einladung per Brief oder E-Mail mit individuellem Passwort;
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IT-Edition: Abschlussnahe Studierende der Informatik an 79 Hochschulen;
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Anzahl der Antworten: mehr als 6600 Informatiker;
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Feldphase: September 2012 bis Februar 2013. (Computerwoche)