Lieber kein Risiko - nach diesem Motto legen Europas Privatverbraucher ihr Geld an. Die Suche nach Sicherheit infolge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 hat die Strukturen im Einlagengeschäft verändert, erklären die Consultants von Roland Berger. Banken hätten jedoch Schwierigkeiten, sich diesen Änderungen anzupassen. Die IT könnte dabei helfen. Allein die Führungsriege lässt sie nicht.
Dazu ein paar Zahlen: europäische Privatkunden verfügen über 8,5 Billionen Euro an Einlagen - ein Drittel der gesamten Finanzanlagen. Mittlerweile bestreiten die Banken mehr als 50 Prozent ihrer Refinanzierung über das Einlagengeschäft, schreibt Roland Berger. Während das vor der Krise jedoch eine vergleichsweise günstige Refinanzierungsquelle darstellte, bezahlen Banken heute eigentlich zu viel, so die Consultants. Sie tun das, weil die Einlagen weitgehend stabil und unter Basel III-Gesichtspunkten zwingend notwendig sind.
Nun sollten die Geldinstitute die "schwierige Balance" zwischen Einlagenstabilität, Profitabilität und Kundenbindung achten, so Roland Berger weiter. Das gehe über eine Optimierung der Passivseite der Bilanz.
Als wichtige Parameter einer neuen Einlagenstrategie gelten die Analyse des Sparverhaltens der Kunden und die Elastizität der Einlagen. Letztere hängt unter anderem von Marktzinssätzen, den Zinssätzen der eigenen Bank und vom Bruttoinlandsprodukt ab. Ziel der Analyse des Kundenverhaltens ist letztlich die Kundenbindung. Wer die Aktivitäten der Verbraucher beobachtet, kann absehen, welcher Kunde wechselwillig ist oder empfänglich für andere Anlageprodukte, so Roland Berger.
Zahl eigenständiger CIOs in Banken sinkt
Doch Banken schöpfen die Möglichkeiten nicht aus, die die IT ihnen bieten könnte. Das beobachtet Burkhard Oppenberg, vormals IT-Bereichsleiter bei der DZ Bank und jetzt Partner im Kompetenzcenter Financial Services bei Roland Berger. „Die Tools für Data Mining und Customer Relationship Management (CRM) sind vorhanden, die Daten auch“, sagt Oppenberg. Gerade in den Bereich CRM seien in den letzten fünf bis zehn Jahren hohe Investitionen geflossen. „Aber die meisten Banken beherrschen ihre Kundendaten nicht so gut, dass sie für die Vertriebssteuerung nutzbar sind“, so Oppenberg weiter. Positive Ausnahmen bildeten in diesem Punkt einige Direktbanken.
Hintergrund dessen ist eine Schwächung der IT in den Geldinstituten. In den vergangenen zehn Jahren sei die Anzahl eigenständiger CIOs in den Banken zurückgegangen. „Banken verkennen das Potenzial der IT“, stellt Oppenberg fest. Er führt zwei Gründe dafür an: Zum Einen betrachten Banken die IT nach wie vor als Kostenblock. Da sich die Institute zum Sparen gezwungen sehen, verzichten sie auf einen CIO im Vorstand. Noch verständlich sei dann die Anbindung der IT beim Chief Operating Officer (COO), so Oppenberg. Für wenig sinnvoll aber erachtet er eine Zusammenlegung der Funktionen mit dem Chief Financial Officer (CFO) oder gar dem Chief Executive Officer (CEO).
Informatikern fehlt die von der BaFin geforderte Kreditkompetenz
Zum Anderen stellt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hohe Anforderungen an die Kreditkompetenz von Entscheidern in Banken. „Da fallen Informatiker nicht selten durchs Raster“, sagt Oppenberg. Der Finance-Experte plädiert für ein Umdenken innerhalb der Geldinstitute. Dazu gehört für ihn in erster Linie eine gute IT-Governance und damit ein klares Rollenmodell. Statt die IT lediglich als Lieferanten stabiler IT-Systeme zu sehen, sollten die Banken den CIO als Strategen entdecken. „Diese Rolle ist bisher leider kaum gefragt“, so Oppenberg.