Arbeiten und Spielen sollen bei Bayer kein Gegensatz sein: Bei dem Chemie- und Pharmakonzern erprobt man Gamification - den Ansatz, Arbeitsprozesse mit spielerischen Elementen anzureichern und so das Engagement der Angestellten zu erhöhen. Jamie Showrank, Global Innovation Manager bei der IT-Tochter Bayer Business Services, hat gerade ein sechswöchiges Online-Seminar zu Gamification an der University of Pennsylvania abgeschlossen und berichtet über erste Ansätze, das Konzept umzusetzen.
CIO.de: Warum haben Sie den Kurs besucht?
Jamie Showrank: Als Global Innovation Manager für IT und Business Services ist es meine Aufgabe, Neuerungen im Konzern zu entwickeln und umzusetzen. Für das Konzept "Gamification" mache ich schon seit zwei Jahren Werbung im Unternehmen. Außerdem bin ich eine Befürworterin des Online-Lernens. Zu beiden Themen habe ich mir von dem Kurs Impulse erwartet.
Streben nach Belohnung nicht als eigentliches Ziel
Warum haben Sie gerade den Kurs an der University of Pennsylvania ausgewählt?
Showrank: Erfahren habe ich davon bei einer über Twitter geführten Konferenz, bei der es darum ging, wie man Menschen übers Internet mit Angeboten zur Gesundheitsvorsorge erreicht. Die Länge des Kurses über sechs Wochen und der Zeitaufwand von vier bis acht Stunden pro Woche erschienen mir passend. Außerdem hat die Uni einen guten Ruf.
Was haben Sie gelernt?
Showrank: Eine der Schlüsselerkenntnisse war: Bevor man loslegt, muss man Ziele definieren, was man mit Gamification überhaupt erreichen will. Die zweite Botschaft war, Gamification mit Bedacht einzusetzen. Das spielerische Streben nach einer Belohnung soll für die Mitarbeiter ja letztlich nicht das Ziel sein. Es soll ein Mittel sein, dass sie ihre Arbeit mit mehr Freude und Engagement tun. Mitgenommen habe ich außerdem Anregungen, wie man Wissen vermittelt. Der Dozent war sehr gut und hat die Inhalte unterhaltsam dargeboten.
Wie wurden die Inhalte in dem Online-Seminar denn vermittelt?
Showrank: Jede Woche standen zwei Lektionen auf dem Lehrplan. Dazu gab es acht bis zehn kurze Video-Vorlesungen pro Woche, Filme von jeweils bis zu 15 Minuten. Zu den Grundlagen, die wir dort gelernt haben, haben wir Hausaufgaben bekommen. Das waren praxisrelevante Fallstudien.
Flexibles Lernen - und Hausaufgaben mit Abgabetermin
Mussten Sie die Hausaufgaben beim Dozenten abgeben und er hat sie korrigiert?
Showrank: Die Aufgaben waren über die Web-Seite des Kurses einzureichen. Per Zufall wurden jeweils fünf andere Teilnehmer ausgewählt, die die Textaufgaben bewertet haben.
War das anonym oder wissen Sie, wer Ihre Aufgaben beurteilt hat?
Showrank: Die Bewertung lief anonym, aber über die Netzwerkseite des Kurses habe ich andere Teilnehmer kennen gelernt. Viele haben sich dort mit ihren richtigen Namen eingetragen. Erstaunlich viele Teilnehmer kamen aus dem Marketing. Ihnen ging es vor allem um die Frage, wie sie Apps für Verbraucher gamifizieren können.
Ein Zeitaufwand von vier bis acht Stunden pro Woche ist nicht wenig für jemanden, der nebenher in Vollzeit arbeitet. Konnten Sie als Innovations-Managerin das Seminar zum Teil in Ihrer Arbeitszeit belegen?
Showrank: Nein, ich habe das auch zusätzlich und außerhalb meiner Arbeitszeit gemacht. Mein Interesse und meine Neugier waren so groß, dass ich mir die Zeit dafür genommen habe. Die Video-Seminare kann man sich zwar anschauen, wann man will, aber für die Hausaufgaben gibt es Abgabetermine. Und die sind für jemanden, der viel unterwegs ist, nicht immer einzuhalten.
Haben Sie nach Abschluss des Kurses schon Ideen, wie sich Gamification bei Bayer umsetzen lässt?
Showrank: Dass ich den Kurs belegt habe, war bei Bayer längst nicht der erste Berührungspunkt mit Gamification. In der Fortbildung beispielsweise nutzen wir schon viele Jahre spielerische Elemente. Ein Beispiel ist die Bayer International Management Simulation zur Vermittlung von betriebswirtschaftlichen Kenntnissen. Bei diesem Online-Unternehmensplanspiel treten die Teilnehmer in Teams gegeneinander an und versuchen ein virtuelles Unternehmen möglichst erfolgreich zu führen. Weitere sinnvolle Einsatzmöglichkeiten des Gamification-Ansatzes versuchen wir gerade unter Einbindung der Mitarbeiter zu entdecken. Bis Ende Oktober lief ein Ideen-Wettbewerb, bei dem sie über unser internes Social Network Ideen einreichen und von anderen bewerten lassen konnten. Wir haben nun eine Vorauswahl getroffen und überlegen, wie wir die Vorschläge umsetzen können, die uns wirklich Mehrwert bringen.
Internes Social Network ansprechender gestalten
Können Sie schon ein Beispiel nennen?
Showrank: Ein Ansatz ist, unser internes soziales Netzwerk ansprechender zu machen für Menschen, denen der dort übliche offene Kommunikationsstil eher neu ist.
Gibt es nicht andere Arbeitsprozesse, denen Gamification gut täte? Ein soziales Netzwerk in einem Konzern ist doch ohnehin schon eine spielerische Umgebung.
Showrank: Ja und nein. Auch daran, ein soziales Netzwerk für Arbeitszwecke zu benutzen, muss man Leute gewöhnen. Unsere Plattform auf Basis von IBM Connections läuft schon gut, aber die Beteiligung könnte noch wachsen. Manche Mitarbeiter muss man eben mehr als andere ermuntern, zum Beispiel etwas zu posten oder auf den Post eines anderen zu antworten. Wenn man mit solchen Aktionen beispielsweise Badges sammelt, ist das ein zusätzlicher Ansporn. Bei Überlegungen, so etwas einzuführen, binden wir immer den Betriebsrat ein. Bei spielerischen Ansätzen mit Wettbewerbs-Charakter muss man immer darauf achten, dass man nicht Mitarbeiter gegeneinander in Konkurrenz bringt.
Außer die Kommunikation auf Connections anzuregen - welche Ideen für den Einsatz von Gamification gibt es noch?
Showrank: Ein weiterer Ansatz wäre, Mitarbeiter spielerisch zu Teams zusammenzubringen mit dem Ziel der Gesundheitsförderung.
Die Belohnungen oder Badges, von denen Sie gesprochen haben, sind das echte, greifbare Dinge oder sogar Geld? Oder eher virtuelle Belohnungen?
Showrank: Bisher beschäftigen wir uns nur mit sogenannten ich-basierten Belohnungen. Das kann zum Beispiel sein, dass ein Mitarbeiter durch sein Engagement im sozialen Netzwerk firmenintern als Experte bekannt wird, oder dass er durch seine Beiträge die Zahl seiner Follower erhöht. So etwas sind Belohnungen, die direkt auf die Motivation des einzelnen zielen.
Erreicht man denn mit Gamification alle Mitarbeiter oder nicht eher nur die jungen, die sich ohnehin in derartigen Welten bewegen?
Showrank: Eine gute Frage. Ohne zu pauschal zu werden kann man sicher sagen, dass beispielsweise der Umgang mit sozialen Netzwerken jungen Menschen eher liegt, weil sie ihn gewohnt sind. Anderen muss man eben deutlicher klar machen, was dahinter steckt: Möglichkeiten, sich zu vernetzen oder die eigene Expertise zu verbreiten. Um die Frage zu beantworten, müssen wir erst einmal die Ergebnisse erster Pilotprojekte abwarten.
Spielerisches wird normaler Bestandteil der Arbeit
Gartner sieht Gamification ja schon als wichtigen Trend. Welche Bedeutung messen Sie dem Thema bei?
Showrank: Ich glaube auch, dass es eines Tages ein normaler Bestandteil der Arbeit sein wird. Es braucht allerdings Zeit, bis man Mitarbeiter daran gewöhnt hat und Gamification-Ansätze weithin in alle möglichen Applikationen implementiert hat.
Konkret gefragt: Wie lange wird das dauern?
Showrank: Ich schätze, etwa fünf Jahre.
Danke für das Gespräch.
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