Karrierewege von CIOs

Beschleunigt der Doktortitel die Karriere?

04.06.2013 von Ingrid  Weidner
Eine Promotion in Informatik beschleunigt selten die Karriere. Doch in einigen Branchen und Anwendungsgebieten kann der Doktortitel Pluspunkte bringen.
Telekom-CIO Markus Müller begann seine Karriere mit einer Doktorantenstelle an der Uni Passau.
Foto: Privat

Ein Doktorhut ist kleidsam. Immer mehr Informatiker legen sich dieses akademische Accessoire zu - manche aus Begeisterung für das Fach, andere sicher auch aus Kalkül. In den vergangenen Jahren verließen immer mehr Studenten die Hochschulen mit einem Informatikabschluss. Waren es 1993 nur 4159 erfolgreich abgelegte Prüfungen und davon 183 Promotionen, schlossen 2010 mehr als doppelt so viele Kandidaten ihr Studium erfolgreich ab. Auch die Zahl der promovierten Informatiker nahm zu. 2010 waren es 728 Absolventen mit Doktortitel, ein Jahr später sogar 804 Promovierte.

Markus Müller wollte nach seinem Informatikdiplom eine wissenschaftliche Karriere einschlagen. Am Lehrstuhl Rechnerarchitektur und Systemprogrammierung der Universität Passau bot sich ihm 1990 die Chance, neben einer Doktorarbeit auch Lehraufgaben zu übernehmen. "Ich hatte damals schon Familie mit Kind, deshalb war neben der Möglichkeit des freien Arbeitens die finanzielle Absicherung über eine volle Assistentenstelle ein richtiger Glücksfall für mich", erinnert sich Müller, der heute als CIO der Deutschen Telekom arbeitet.

Durchhaltevermögen und komplexes Denken

Fünf Jahre widmete sich der Informatiker mit Begeisterung der Lehre und seinem theoretischen Promotionsthema. Trotz Höhen und Tiefen zweifelte Müller nicht an seinem Entschluss. "Eine erfolgreiche Promotion zeigt in erster Linie, dass jemand ein komplexes Thema in strukturierter Form in begrenzter Zeit bearbeiten kann und gleichzeitig einen anerkannten Beitrag zur Erweiterung des wissenschaftlichen Fach-Know-hows leistet", ist Müller überzeugt. Hartnäckigkeit, Durchhaltevermögen, komplexes Denken kommen ihm auch heute in der täglichen Arbeit zugute.

Beide Facetten vereint: Michael Müller-Wünsch arbeitete nach seiner Promotion als CIO, wurde dann Professor und kehrte nach 14 Monaten Hochschularbeit wieder in die Wirtschaft zurück.
Foto: Lekkerland

Der studierte Informatiker und Betriebswirt Michael Müller-Wünsch hatte ebenfalls eine wissenschaftliche Karriere im Sinn, als er nach seinem Doppelstudium über künstliche Intelligenz promovierte. "Ich habe damals nicht darüber nachgedacht, ob ich später einmal CIO werden will, sondern ich wollte etwas Neues erforschen und in die Wissenschaft gehen", sagt er. Zwar lockte den promovierten Informatiker Müller-Wünsch anschließend die Wirtschaft, doch eine Hochschulkarriere schrieb der heute 51-Jährige all die Jahre nicht ganz ab. So nahm er eine Professur an der privaten Hochschule FOM in Berlin mit dem Themenschwerpunkt Internationales Management an: "Es war immer ein Traum, an die Hochschule zurückzugehen, und ich habe es ausprobiert." Nach 14 Monaten Hochschularbeit kehrte Müller-Wünsch in die Industrie zurück und übernahm im Januar vergangenen Jahres die CIO-Position bei Lekkerland in Frechen.

Auch Markus Müller beendete seine Universitätskarriere mit dem Doktortitel in der Tasche. Statt an seinem Spezialthema Computersimulation von Mikrochips weiter zu forschen, bewarb er sich bei der Unternehmensberatung McKinsey und stieg dort als Senior-Berater ein. Besonders die für seine weitere Karriere notwendigen Management-Qualifikationen konnte sich Müller dort aneignen. Disziplin, theoretisches und praktisches Wissen brachte der Informatiker dagegen mit. Den Berufseinstieg in einer Unternehmensberatung kann der Telekom-CIO nur empfehlen, denn neben einer guten Bezahlung bot sich Müller "ein Spektrum an Tätigkeiten, das eine gute Vorbereitung auf einen späteren Einsatz im Management ist".

Nicht wegen besserer Berufsperspektiven promovieren

Der Telekom-CIO rät Studenten davon ab, nur wegen des Geldes oder besserer Berufsperspektiven zu promovieren. Für seinen eigenen Karriereweg sei diese Qualifikation weder hinderlich noch besonders nützlich gewesen: "Eine Promotion sollte beginnen, wer begabt ist, Spaß am wissenschaftlichen Arbeiten hat und noch eine Zeit lang die akademischen Freiheiten nutzen möchte." Er habe sich für die Promotion entschieden, weil ihn das Thema interessierte. "Damals habe ich keine konkreten Karrierepläne damit verbunden", erinnert sich der heutige IT-Manager Müller. Allerdings sollte diese Lebensphase nicht zu lange ausgedehnt werden: "In den Naturwissenschaften sind vier Jahre ein guter Schnitt, wer sechs oder sieben Jahre braucht, muss das gut begründen."

Wenn Gerhard Humbert ein Suchprofil vom Kunden erhält, wird selten explizit nach einem promovierten Informatiker gefragt. "Die Bedeutung des Doktortitels ist für die meisten Unternehmen gering", erklärt der Niederlassungsleiter von HSC Personalmanagement in Wiesbaden, und ergänzt: "Höchstens auf der Vorstands- oder Senior-Management-Ebene wird die Promotion manchmal gerne gesehen, weil man sich Vorteile für die Außendarstellung verspricht."

Humbert selbst begann seine Karriere in der IT-Branche vor mehr als 30 Jahren nach Studium und Promotion in Mathematik als Consultant und Programmierer. Der Titel brachte ihm ein um 500 Mark höheres Einstiegsgehalt. Sein damaliger Arbeitgeber, ein Softwarehaus, schätzte promovierte Absolventen, da sie angeblich schneller produktiv einsetzbar seien. "In manchen Firmen gab es aber auch Vorurteile. Sie sahen promovierte Naturwissenschaftler als wirtschaftsfremde Theoretiker", erinnert sich Humbert.

Eine Promotion kostet Zeit und Nerven. Viele Studierende starten deshalb lieber direkt ins Berufsleben.
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Michael Müller-Wünsch arbeitet seit mehr als 25 Jahren in der IT-Branche. Doch er kann sich nicht erinnern, in dieser Zeit jemals explizit einen neuen Mitarbeiter mit Doktortitel gesucht zu haben. "In manchen Industrien und Anwendungsgebieten ist eine Promotion durchaus sinnvoll und karrierefördernd", glaubt der Lekkerland-CIO und nennt Beispiele: "Neben universitären Forschungsstellen kann eine Promotion in der medizinischen Softwareentwicklung sowie der Chemie- oder Pharmabranche nützlich sein", so der 51-Jährige. Dagegen spiele der Titel für Management-Aufgaben oder den Leiter eines Rechenzentrums kaum eine Rolle.

Personalberater Humbert sieht es ähnlich. Auch für ihn ist eine Promotion in Informatik außerhalb des universitären Kosmos irrelevant. Einem IT-Absolventen nach dem Master-Abschluss rät Humbert deshalb zur sorgfältigen Abwägung: "Finanzielle Vorteile bringt eine Promotion nur in den seltensten Fällen." Ihre Soft Skills könnten Doktoranden dagegen in dieser Zeit weiterentwickeln, ebenso methodisches und strukturiertes Arbeiten: "Wer ein spannendes Thema, Spaß am Forschen und Lernen sowie eine gute finanzielle Basis mitbringt, soll ruhig eine Doktorarbeit beginnen."

Jedoch warnt der Personalberater davor, mit einer Promotion den Berufseinstieg hinauszuschieben. Manche Informatiker forschten auch an einem innovativen Thema, mit dem sie später ein eigenes Unternehmen gründen oder sich direkt mit diesem Projekt bei einer Firma bewerben könnten. Das sei auf jeden Fall eine interessante Option.

Wo wollen junge Informatiker gern arbeiten?
Die Beratung Trendence befragten 583 Young Professionals, die ein (Wirtschafts-)Informatikstudium abgeschlossen haben und eine Berufserfahrung von einem bis acht Jahren haben.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt...
...landete auf Platz 25 der attraktivsten Arbeitgeber für Informatiker.
Die Deutsche Bank..
ist hierzulande eines der Anwenderunternehmen mit den größten IT-Abteilungen. Für die Young Professionals auf Platz 24.
Uwe Dumslaff, CTO von Capgemini,..
...hat 400 offene Stellen im Jahr zu besetzen. Der IT-Dienstleister kam auf Platz 22 des Arbeitgeber-Rankings ebenso wie...
die Max Planck Gesellschaft.
Forschen steht bei jungen Informatikern hoch im Kurs.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik,
kurz BSI ist die einzige Behörde, die es unter die attraktivsten Arbeitgeber geschafft hat. (Platz 19)
Der EADS- Konzern...
, hier im Bild der Airbus A350, landete ebenfalls auf Platz 19.
Daimler...
..stellt Autos her, die Informatiker ansprechen und teilt sich Platz 19 mit dem BSI und EADS.
Die Lufthansa...
gehört schon seit Jahren zu den beliebten Arbeitgebern, dieses Mal auf Platz 18.
Der Volkswagen Konzern,..
...hier im Bild die Autostadt in Wolfsburg, kommt bei Informatikern auf Platz 17.
Die Boston Consulting Group....
schafft es auf Platz 16 und ist einer von drei Unternehmensberatungen unter den Top 20 der attraktiven IT-Arbeitgeber.
Mit McKinsey..
folgt die nächste Unternehmensberatung auf Platz 15.
Die Deutsche Telekom..
..und Deutschlands größter IT-Dienstleister T-Systems kommen auf Platz 14. Aktuell hat der Konzern mehr als 100 offene Stellen zu besetzen.
Claudia Eckert, Leiterin des Fraunhofer Aisec..
...kann sich freuen: Die Fraunhofer Gesellschaft ist auf Platz 13 gelandet und damit die Forschungsinstitution, die am besten platziert ist.
Accenture...
..ist auf Rang 12 die beliebteste IT-Beratung für junge Informatiker.
Der Bosch-Konzern...
nicht nur bekannt für Bohrmaschinen, sondern einer der größten Automobilzulieferer hat es auf Rang 11 geschafft.
Porsche,
...ebenfalls auf Platz 9, ist einer von drei Autobauern unter den Top Ten. Attraktive Produkte strahlen auf das Image als Arbeitgeber ab.
Siemens
war noch vor zehn Jahren der beliebteste Arbeitgeber für Informatiker, heute kommt Deutshclands größter Konzern nur noch auf Rang 7.
Audi..
...auf Platz 6 ist nicht nur unter jungen Informatikern beliebt, sondern auch unter Young Professionals anderer Fachrichtugnen, die den Ingolstädter Konzern sogar auf den zweiten Rang wählten.
SAP..
...hier im Bild Aufsichtsratschef Hasso Plattner und Co-CEO Jim Hagemann Snabe, hat es auf den 5. Platz geschafft.
Apple...
..hat attraktive Produkte und kommt darum auf Rang vier. Mit Informationen zu Bewerbung, offenen Stellen oder Karriere hält sich der Konzern aber zurück.
Mit BMW..
auf Rang 2 schaffte es erstmals ein Autobauer unter die Top 3 der IT-Arbeitgeber. Für Projekte wie Connected Drive suchen die München jede Menge IT-Experten, im ganzen Konzern sind derzeit etwa 130 IT-Positionen zu besetzen.
Und der Sieger ist..
...einmal wieder und mit großem Abstand Google. Im Münchner Büro arbeiten etwa 130 Technikspezialisten für den Internet-Konzern, der seinen Mitarbeiter ...
..kostenloses Essen anbietet.
Davon machen die Googler gern Gebrauch, so dass sie im Schnitt sieben Pfund, manchmal auch sieben Kilo zunehmen.

Mit dem Doktortitel überqualifiziert?

In den Naturwissenschaften gilt der Weg zum Doktortitel als anspruchsvoll und mit Rückschlägen gepflastert. Der Titel allein verhilft zwar selten zu einem interessanten Job, doch wer während der Promotion Kongresse besucht, Vorträge hält und Fachbeiträge schreibt, baut sich ein wichtiges Netzwerk auf.

Durch die Bachelor- und Master-Studiengänge sieht Lekkerland-CIO Müller-Wünsch die Gefahr, dass sich künftig weniger Studenten einer Doktorarbeit widmen. Außerdem sieht er deutliche Qualitätsunterschiede, in welchem Fach jemand einen Doktortitel erwirbt: "Gerade in den Natur- und Ingenieurwissenschaften gilt eine Promotion als Qualitätsmaßstab", ist Müller-Wünsch überzeugt.

Allerdings gibt es auch das Vorurteil, promovierte Bewerber als überqualifiziert einzustufen. "Es ist wichtig, den Innovationsaspekt einer Doktorarbeit in den Vordergrund zu stellen. Wer promoviert, betritt Neuland, möchte einen Wissenszuwachs generieren und beweist sich im Wettbewerb mit anderen. Das erfordert auch Mut", weiß der Informatiker aus eigener Erfahrung.

Kienbaum-Geschäftsführer Sörge Drosten machte die Erfahrung, dass ein Doktortitel in vielen US-amerikanischen Unternehmen praktisch keine Rolle spielt.
Foto: Kienbaum

In vielen US-amerikanischen Unternehmen zählt ein Doktortitel wenig. Diese Erfahrung musste Sörge Drosten machen, als er nach seinem Doppelstudium in Betriebswirtschaft und Psychologie seine Hochschulausbildung mit einer Promotion abschloss. In seinem ersten Job bei Hewlett-Packard sollte der Doktortitel nicht einmal auf der Visitenkarte stehen. "Die Kollegen dort nennen sich alle beim Vornamen, im Arbeitsalltag spielt der Titel überhaupt keine Rolle", berichtet Drosten.

Im Maschinenbau bringt der Titel den CIOs Ansehen

Heute verantwortet Drosten als Geschäftsführer von Kienbaum Executive Consultants International in Düsseldorf den Sektor Technologie, CIO und IT. Regelmäßig spricht der Manager auch mit promovierten Informatikern. "Bei den CIO-Positionen kommt es auf die Branche an. In der chemischen Industrie steigt das Ansehen, wenn der CIO einen Doktortitel mitbringt, auch im konservativ geprägten Maschinenbau ist er empfehlenswert", so Drostens Erfahrung. Auch IT-Unternehmen engagierten in ihren Entwicklungsabteilungen promovierte Informatiker, ebenso Forschungsinstitute.

Im Lauf einer Karriere verdrängen fachliche Kenntnisse, Berufserfahrung und erfolgreich abgeschlossene Projekte sowieso die Bedeutung des Doktorhuts. Doch Drosten ist überzeugt, dass sich eine erfolgreiche Promotion auf das Gehalt auswirkt: "Einsteiger können mit 15.000 bis 20.000 Euro mehr im Jahr rechnen." Über das gesamte Arbeitsleben betrachtet lohne sich die Mühe, "kurzfristige Gehaltssprünge sind dagegen selten".

Auch der Kienbaum-Mann prüft Bewerber mit einer Promotion genau, ob sie mit ihrer Arbeit fachlich etwas Neues geschaffen haben und umfassendes Wissen mitbringen. Drosten vergleicht eine Promotion mit einer Bergbesteigung, bei der es gilt, sich gut vorzubereiten, Ideen umzusetzen und, wenn es schwierig wird, die Route anzupassen oder auch zu ändern. "Es ist wichtig, dranzubleiben, wenn es Probleme gibt, und sich durchzubeißen", weiß Drosten aus Erfahrung. Kandidaten, die diese Qualifikationen mitbringen, hätten gute Chancen auf Spitzenpositionen. Die gerade angestoßene Plagiatsdiskussion hält Drosten für sehr wichtig: "Heute ist das Verfahren transparenter, und wer seine Arbeit fälschen möchte, sollte sich das gut überlegen."

"Die Wirtschaft ist auf Promotionen in der Informatik angewiesen"

Viele Informatiker möchten am Lehrstuhl für Software and Systems Engineering von Manfred Broy an der Technischen Universität München promovieren. Für wen sich eine Doktorarbeit lohnt und was der Informatikprofessor von Bewerbern erwartet, erklärt er im CW-Gespräch mit Ingrid Weidner*.

Braucht ein Softwareentwickler einen Doktortitel, um in einem Unternehmen erfolgreich zu arbeiten, oder reicht ein Master vollkommen aus?

Manfred Broy von der TU München leitet einen der größten Informatik-Lehrstühle Europas: "Für mich ist die Motivation des Bewerbers ganz wichtig."
Foto: Privat

Manfred Broy : Die Wirtschaft ist ganz dringend auf Promotionen in der Informatik angewiesen, denn die Bedeutung von Software nimmt immer noch zu, ebenso die Qualitätsanforderungen. Wenn Software in unternehmenskritischen oder technischen Anwendungen nicht fehlerfrei funktioniert, steigt auch das Risiko. Deshalb brauchen wir eine stärkere wissenschaftliche Durchdringung - dies leisten Dissertationen.

Gleichzeitig ist der Innovationsdruck groß. Bleibt in den Firmen noch genügend Zeit für durchdachte Entwicklungen?

Natürlich herrscht in vielen Unternehmen ein großer ökonomischer Druck. Das führt oft dazu, dass Softwareprobleme schnell und oberflächlich gelöst werden, ohne die dahinter liegenden Probleme wirklich zu verstehen. Doch Software hat eine strategische Bedeutung für Unternehmen, deshalb birgt Oberflächlichkeit auch eine große Gefahr.

Ihr Lehrstuhl für Software and Systems Engineering zählt zu den größten in Europa. Wie viele Doktoranden beschäftigen Sie?

Am Lehrstuhl forschen etwa 25 Doktoranden, die als wissenschaftliche Mitarbeiter angestellt sind. Hinzu kommen rund 15 Externe, die über sogenannte An-Institute mit meinem Lehrstuhl verbunden sind. Außerdem promovieren noch einige Kandidaten, die ein Industriestipendium haben.

Interessieren sich in Zeiten von Bachelor und Master noch genügend Informatiker für eine Promotion?

Wir lehnen pro Woche zwei bis drei Bewerber ab, weil wir sowieso schon mit der Zahl unserer Doktoranden am Limit sind. Viele Bewerber kommen aus dem außereuropäischen Ausland, manchmal ist es dann auch schwierig, den Ausbildungshintergrund abzuklären.

Nach welchen Kriterien wählen Sie aus?

Für mich ist die Motivation des Bewerbers ganz wichtig und die Frage, ob jemand bereit ist, in die wissenschaftliche Tiefe zu gehen und ein Thema gründlich zu durchdenken. Solche Fragen kommen im späteren Arbeitsalltag oft zu kurz. Ich frage auch sehr genau nach, ob die Bewerberin oder der Bewerber wirklich an einer wissenschaftlichen Arbeit interessiert ist oder die Doktorarbeit nur wegen einer späteren Karriere anstrebt. Außerdem ist mir Teamfähigkeit wichtig sowie selbständiges Arbeiten, denn an so einem großen Lehrstuhl wie meinem kann ich nicht jeden Arbeitsschritt kontrollieren. Natürlich achte ich besonders auf die intellektuellen Fähigkeiten, die sich nicht nur an den Noten ablesen lassen.

Wie lange dauert an Ihrem Lehrstuhl eine Promotion, und welche weiteren Qualifikationen erwerben die Doktoranden?

Durchschnittlich dauert eine Doktorarbeit vier Jahre. In dieser Zeit entwickeln sich die Doktoranden auch persönlich weiter, sammeln Management-Erfahrung und verbessern ihre Soft Skills. Viele Promovierte verfügen über mehr Ehrgeiz, eine höhere Motivation und sind leistungsstärker. Deshalb ist es wohl kein Zufall, dass sich in den oberen Führungsebenen viele Leute mit Doktortitel finden.

Wie schätzen Sie die Berufsaussichten Ihrer Absolventen mit Doktortitel ein?

Viele Promovierte würde ich gerne noch eine Weile als Post-Doc am Lehrstuhl halten, doch die meisten wechseln sehr schnell in die Industrie. Da gerade in der Softwareentwicklung viele Forschungsergebnisse über die Personen in die Unternehmen kommen, die über dieses Wissen verfügen, weiß ich diesen Effekt aber durchaus zu schätzen. Wir versuchen, Führungspersönlichkeiten auszubilden, die über exzellentes Wissen in der Softwareentwicklung verfügen.

*Ingrid Weidner ist freie Journalistin in München.