Extrakosten

Billigflieger verstehen sich am besten auf Nebengeschäfte

24.01.2017
Flugtickets werden zunehmend allein über den Preis verkauft. Die Airlines haben ihre Dienstleistung zerlegt und nahezu alle Extras gestrichen. Nun halten sie für jede Annehmlichkeit die Hand auf.

Nahezu jeder Passagier hat es schon einmal erlebt: Am Ende des Buchungsprozesses ist die Flugreise doch deutlich teurer geworden als zunächst angenommen, nur weil man beispielsweise einen Koffer aufgeben, etwas trinken und neben seinem Partner sitzen wollte. Die Billigflieger haben es vorgemacht, längst haben die etablierten Airlines nachgezogen, wenn es darum geht, dem Fluggast neben dem nackten Ticketpreis zusätzliche kostenpflichtige Dienstleistungen zu verkaufen. Freigepäck und freie Platzwahl gehören auf den allermeisten Flügen längst der Vergangenheit an.

Die Gegenwart heißt Zusatzeinnahmen, die für die Airlines immer wichtiger werden. Ihre Passagiere wollen sie dazu bringen, die Services möglichst vor Flugantritt online zu bestellen. Die Beratungsgesellschaft IdeaWorks rechnet seit Jahren im Auftrag des Mobilitätsdienstleisters CarTrawler akribisch nach, wie viel Geld die Passagiere auf ihren Flugreisen tatsächlich ausgeben und welche Airlines davon besonders profitieren. Die Geschäftsberichte von 135 Fluggesellschaften für das Jahr 2015 wurden ausgewertet, rund die Hälfte (67) nannte detaillierte Zahlen zu den Extra-Einnahmen. Sie erlösten 40,5 Milliarden US-Dollar zusätzlich, rund 8,7 Prozent ihres Gesamtumsatzes.

Mit fast 52 Dollar pro Passagier war der US-Billigflieger Spirit im Jahr 2015 Weltmeister der Zusatzeinnahmen. Fast die Hälfte seines Umsatzes (43 Prozent) macht der Billigheimer aus Florida mit den zusätzlichen Gebühren. Im radikalen Spirit-Konzept "Bare Fare" (Nackter Preis) gibt es den Transport von A nach B und einen zugeteilten Sitz. Bereits das Handgepäck kostet extra, ohne dass dies die Passagiere besonders zu stören scheint. Spirit hat seine Passagierzahlen von 5,5 Millionen im Jahr 2008 auf 18 Millionen im Jahr 2015 gesteigert.

Schon auf Platz 2 des Pro-Kopf-Rankings findet sich mit Jet2.com die erste europäische Airline, die mit 29,4 Prozent deutlich mehr als ein Viertel ihres Umsatzes mit den Zusatzgebühren macht. 50,84 Dollar gaben die knapp 6 Millionen Kunden des britischen Ferienfliegers im Schnitt zusätzlich aus. In dem Report finden sich weitere imposante Zahlen: So hat der US-Billigflieger Allegiant mehr als 450 000 Hotelzimmer und mehr als 1,2 Millionen Mietwagenverträge vermittelt. Qatar Airways hat nach eigenen Angaben mehr als eine halbe Milliarde Dollar mit dem Verkauf zollfreier Waren erlöst.

Ryanair würde auch Stehplätze verkaufen, wenn es denn erlaubt wäre.
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Mit dem Schlachtruf "No Frills" (keine Mätzchen) hat der irische Billigflieger Ryanair seit 1997 den europäischen Markt aufgerollt. Chef Michael O'Leary hat nur halb im Spaß Extra-Gebühren für die Toilettennutzung ins Gespräch gebracht und würde in seinen Jets auch Stehplätze verkaufen, wenn es denn erlaubt wäre. Nicht zuletzt wegen der fest eingeplanten Zusatzeinnahmen (2015: 16,34 Dollar pro Passagier - 24 Prozent des Umsatzes) sind die Iren in der Lage, ihre Flüge für wenige Euro oder gar ganz zum Nulltarif anzubieten, wie O'Leary es auch schon zugespitzt hat. Sein jüngster Coup ist der Aufbau des Touristikportals Ryanair Holidays.

Mit geschätzten 13,87 Dollar Zusatzerlös pro Passagier und einem Umsatzanteil von 5,5 Prozent findet sich die Lufthansa-Gruppe noch auf einem der hinteren Ränge. Wie alle Netz-Airlines mit hohem Anteil an teuren Langstreckentickets tut sie sich schwer, die Zusatzerlöse so stark zu steigern wie die reinen Billigflieger. Gleichwohl bieten insbesondere digital gestützte Services aus Sicht des Managements zahlreiche Anknüpfungspunkte für zusätzliche Geschäfte. Weit intensiver als bislang sollen Upgrades, Lounge-Zugänge und andere Annehmlichkeiten auch einzeln vermarktet werden. Das Unternehmen erwartet bis zu 300 Millionen Euro zusätzliche Erlöse jährlich, was einer glatten Verdreifachung der Marke von 2015 entspräche.

Jay Sorensen, Autor der CarTrawler-Studie, rechnet mit weiterhin intensiven Bemühungen und neuen Ideen der Airlines um die längst unverzichtbaren Zusatzeinnahmen. Ein weiterer Schub stehe bevor, weil die Gesellschaft Norwegian die Low-Cost-Idee konsequent auch auf ihren Überseeflügen umsetzt. Selbst der Elf-Stunden-Flug von Stockholm nach Los Angeles wird ohne Verpflegung und aufgegebenes Gepäck angeboten - Upgrades gibt es nur in kostenpflichtigen Service-Paketen. Bislang sind diese Leistungen bei den allermeisten Interkontinentalflügen noch inbegriffen. (dpa/rs)