Die IT-Welt ist auf ihre ganz besondere Weise sexy. In ihr geht es bunt und schnelllebig zu, es gibt in regelmäßigen Zyklen attraktive und smarte Innovationen und der Rhythmus an wegweisenden Veränderungen ist kurz und knackig. Irgendwie „hot“, das Ganze. Für die Welt der Finanzen würde man demgegenüber eher das deutsche Wort „kühl“ verwenden als das englische Pendant „cool“. Beständigkeit und Verlässlichkeit regieren, Grau ist das positiv besetzte Synonym für Solidität. So sieht es doch aus, oder? Ein bisschen einfach gestrickt und klischeebeladen, diese Sichtweise - zugegeben. Dass es im Reich der Finanzen welterschütternde Turbulenzen geben kann, haben die vergangenen Jahre eindrucksvoll untermauert. Bequem kann man die Klischees auch umdrehen, dann treffen sich eben verschrobene Computer-Nerds und supercoole Finanzjongleure.
CIO versus CFO: Eine Geschichte voller Missverständnisse
Der Punkt ist aber: Sie kommen definitiv aus verschiedenen Welten – und sie treffen unweigerlich aufeinander. Auf Management-Ebene bekanntlich in Gestalt des CIOs und des ihm häufig direkt vorgesetzten CFOs. Weil das eben so ist, sind die chronischen Missverständnisse seit gefühlten Ewigkeiten Alltag. Und es bleibt eine unerlässliche Pflicht für den CIOs, das unergründlich erscheinende Mysterium CFO besser verstehen zu wollen. Dabei helfen neue Studien, unter anderem von Gartner und Deloitte, die die momentane Befindlichkeit der Finanzchefs ausloten.
Eine allererste und für sich oberflächliche Lehre aus diesen Umfragen lässt sich problemlos aufsaugen. Denn falsch ist das oben skizzierte Klischeebild keineswegs. Wie die Gartner-Studie zeigt, verändern sich die IT-Prioritäten der CFOs tatsächlich äußerst schleppend. Böswillig verkürzt könnte man zusammenfassen, dass sich in den vergangenen fünf Jahren hier kaum etwas getan hat und insofern tatsächlich Beständigkeit herrscht. Die Deloitte-Studie wiederum bestätigt das Bild vom CFO als Sparkommissar, für den die Kostenkonsolidierung nach wie vor allergrößte Priorität besitzt.
Der CFO will BI und Analytics
Relevanz für den CIO hat diese öde Seite der Medaille dennoch: Durch die technologische Brille betrachtet, mag Business Intelligence (BI) & Analytics unspektakulär erscheinen und die Obsession der Finanzchefs für dieses Thema als ein alter Hut. Trotzdem steht laut Gartner BI & Analytics weiterhin ganz oben auf der IT-Prioritätenliste der CFOs. IT-Chefs werden diesen Befund nicht ignorieren können.
Zugleich gibt es eine buntscheckige Seite der Medaille. So zeigen sich die CFOs von den technologischen Umwälzungen der IT-Landschaft durch Smartphones und Tablets, Cloud Computing, Big Data und Social Media keineswegs unbeeindruckt, wie Gartner aufzeigt. Auch wenn vieles in der Finance-Welt ruhiger abläuft als in der IT, so offenbaren sich auch dort vermutlich einschneidende Veränderungen – die im Übrigen dem CIO die Chance eröffnen, sich als kompetenter Partner zu profilieren.
Energiekosten bereiten Sorgen
Ein aus IT-Sicht völlig abseitiges Beispiel aus der Deloitte-Studie illustriert, dass es auch in der Arbeitswelt des CFOs für Laien wenig offensichtliche Dynamiken gibt. Demnach treiben nicht mehr die Nachwehen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise die CFOs vorrangig um, sondern die Sorgen um eine dauerhaft bezahlbare Energie. Auch das mag aufschlussreich sein für um Einfühlung bemühte CIOs, deren Gedanken womöglich um die allerneuesten In-Memory-Technologien kreisen. Und die sich fragen, wie sie die Business-Relevanz gegenüber technologisch unbeleckten Chefs und Kollegen verständlich machen sollen. Merke: Es ist nicht immer offensichtlich, was einem Manager wirklich unter den Nägeln brennt.
Die Quintessenz der Deloitte-Studie lautet, dass bei den CFOs allmählich der Optimismus zurückkehrt und die Angst vor einem Zerfall der Euro-Zone schwindet. Strategisch verfolgen die CFO zumeist eine Linie der „kontrollierten Defensive“, die den Spagat aus Innovation und Kostensenkung ermöglichen soll. Dabei liegt der Hauptfokus allerdings für 61 Prozent der 124 befragten CFOs aus deutschen Großunternehmen nach wie vor beim Sparen. Deloitte charakterisiert die Haltung der meisten Finanzchefs alles in allem als risikoscheu. Investieren wollen die CFOs entsprechend vor allem in die Rationalisierung. Erweiterungs- und Neuinvestitionen planen lediglich zwölf Prozent der Finanzchefs.
39 Prozent der CIOs berichten an CFO
Auf die veränderten Anforderungen reagierten die CFOs mehrheitlich „mit einer klaren Fokusierung auf ein Maßnahmenbündel zur nachhaltigen Optimierung ihrer eigenen Kostenstruktur“, heißt es in der Studie. „Die Standardisierung der Prozess- und IT-Landschaft steht dabei mit weitem Abstand auf Platz eins der geplanten Initiativen.“ 82 Prozent der Befragten nennen diese Priorität. Auf dem zweiten Rang folgt mit 72 Prozent eine verbesserte Effizienz der operativen Planung und des Forecastings.
Die von Gartner in Zusammenarbeit mit der Financial Executives Research Foundation (FERF) erstellte Umfrage unter 237 US-amerikanischen Finanzchefs konkretisiert, was das für die IT-Prioritäten der CFOs bedeutet (siehe auch: Vorgängerstudie aus dem Jahr 2011). Ganz oben stehen dort wie seit Jahren BI/Analytics und Business-Anwendungen als Investitionsschwerpunkte. 12 von 20 genannten Feldern lassen sich laut Gartner-Analyst John van Decker dem Bereich BI & Analytics zuordnen.
77 Prozent der CFOs nennen BI, Analytics und Performance Management als einen ihrer drei wichtigsten IT-Investitionsschwerpunkte für 2014. Mit 65 Prozent folgen dahinter integrierte Anwendungen fürs Finanzmanagement respektive Enterprise Resource Planning (ERP). 46 Prozent zählten Business Process Management (BPM) zu den Top Three.
Cloud ist interessant, Social Media überflüssig
Junge IT-Technologien wie Cloud Computing und Mobile IT erreichen immerhin Werte um die 20 Prozent. Keine signifikante Rolle für die Finanzchefs spielt offenkundig Social Media. Als wichtigste IT-Einsatzgebiete für die CFOs macht Gartner Analyse und Entscheidungsfindung (59 Prozent), Performance-Monitoring (50 Prozent) und sowie Collaboration & Knowledge Management (45 Prozent, allerdings rückläufig) aus.
Gartner konstatiert, dass insbesondere im BI-Bereich in den vergangenen Jahren der Durchbruch ausgeblieben ist. Die IT habe oftmals rein taktisch motivierte Einstiegsinvestitionen getätigt, ohne die hohen Ansprüche der Finanzchefs an Datenqualität und –konsistenz zu erfüllen. An einer Nachjustierung führt offenbar häufig kein Weg vorbei. Gelingen kann sie nur im Zusammenspiel von Finanzabteilung und BI-Spezialisten aus der IT.
Insgesamt könne man den Eindruck gewinnen, dass CFOs Business-Applikationen höher priorisieren als CIOs, interpretiert Bill Sinnett, Forschungsdirektor bei der FERF. „Wenn der CIO das nicht versteht, wird der CFO mit hoher Wahrscheinlichkeit seine eigenen Initiativen vorantreiben – ohne Koordination mit der IT“, so Sinnett weiter. Ohnehin spreche der Trend dafür, dass BI immer mehr in den Verantwortungsbereich der Finanzabteilung wandere.
Mobility-Techniken sollen Mehrwerte schaffen
Gartner diagnostiziert außerdem ein wachsendes Interesse der CFOs an Technologien wie Cloud Computing und Mobile IT, das CIOs sich zu Nutze machen könnten. „CIOs sollten vor diesem Hintergrund aufzeigen, wie größere Investitionen in Cloud- und Mobile-Technologie im ganzen Unternehmen einen Mehrwert schaffen könnten“, sagt Van Decker. Das Desinteresse der Finanzchefs an Social Media zwinge hingegen dazu, Initiativen in diesem Feld besonders gut zu begründen und Geschäftsstrategien sowie realisierbare Profite klar aufzuzeigen.
Konkret interessiert sind die CFOs laut Studie daran, die für sie relevanten Information auch auf ihren mobilen Endgeräten abrufen zu können. Deshalb wäre es laut Gartner klug, den CFO in Einsatzszenarien für Mobiltechnologie einzubinden – mit dessen Eigeninteresse als Köder für mehr.
Bei Cloud Computing beziehungsweise Software-as-a-Service (SaaS) ist das Interesse der CFOs im vergangenen Jahr deutlich gestiegen – und zugleich ist Klarheit eingekehrt. 2012 war noch jeder dritte Finanzchefs unsicher, wann und ob überhaupt mehr als die Hälfte der Transaktion auf SaaS-Basis abgewickelt werden sollen. Diese Unsicherheit hat sich nun komplett verflüchtigt. Eine Folge davon ist, dass mit 16 Prozent deutlich mehr Finanzchefs gegen die Cloud-Option votieren. 84 Prozent haben hingegen deutlich eine cloud-basierte Zukunft vor Augen. Vor einem Jahr waren das lediglich 53 Prozent.
Der CFO bleibt erster Ansprechpartner des CIOs
Keinen Zweifel lässt die Gartner-Studie daran, dass für viele CIOs der CFOs Ansprechpartner Nummer Eins bleibt. 39 Prozent der CFOs sagen, dass die IT direkt an sie berichtet. Mehr als die Hälfte der Finanzchefs findet, dass das gut so ist oder so sein sollte. Auch die Analysten lassen keinen Zweifel daran, dass nur in Kooperation mit dem CFO die passgenauen IT-Investitionsentscheidungen getroffen werden können.
Die Studie „CFO Survey 1/2013“ ist bei Deloitte erhältlich; Gartner bietet den Report „Survey Analysis: CFOs' Top Imperatives From the 2013 Gartner FEI CFO Technology Study“ an.